Treffen der Selbstüberschätzer

Nicht die "Pegida"-Bewegung, sondern deren Gegner demonstrierten in Wuppertal unmittelbar gegen Salafisten

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Wer sich in einer Schlacht wähnt, muss mit den Ketten rasseln. Die "Pegida"-Bewegung wollte erstmals in Wuppertal mittels bundesweiter "Generalmobilmachung" machtvoll und direkt gegen Salafisten aufmarschieren, das islam- und fremdenfeindliche Hetzportal "PI-News" wähnte sich gar in der Battle of the year zwischen den "Pegida"- und Salafismus-Fans. Auch die Radikalislamisten wollten hoch hinaus. Doch am Ende fiel das alles bis auf die Gegendemonstrationen und den Polizeieinsatz einige Nummern kleiner aus, als angekündigt.

Erwartet worden waren am Samstag vom nordrhein-westfälischen Ableger der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) bis zu 2.000 Demonstranten ("Pegida" protestiert erstmals direkt gegen Salafisten-Kundgebung). Letztlich erschienen in Wuppertal nur 800 "Pegida"-Anhänger, obschon verschiedene Delegationen von "Gida"-Ablegern aus ganz Deutschland angereist waren und die Starredner der fremdenfeindlichen Bewegung sprechen sollten: Lutz Bachmann (Dresden, "Pegida"), Michael Stürzenberger (München, "Die Freiheit") und Tatjana Festerling (Hamburg, bis vor kurzem noch "Alternative für Deutschland").

Letztgenannte konnte indes ihre Rede nicht mehr halten, nachdem "Pegida NRW" nach rund 45 Minuten die Versammlung für beendet erklärte. Der NRW-Kopf der Bewegung, Marco Carta Probach, sagte, er habe die Versammlung aufgelöst, weil die Polizei aus Sicherheitsgründen keinen Protestzug durch Wuppertal mehr zulassen wollte. Die Polizei wiederum erklärte, dass man die Kundgebung für beendet erklärt habe, weil es zu Gewalt sowie dem Werfen von Flaschen und Böllern durch teils vermummte Hooligans und Rechtsextremisten gekommen sei. Die Polizei ging daraufhin mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Teile der "Pegida"-Demonstranten vor.

Einige davon nannte die Beamten daraufhin "Verräter", "Volksverräter" und "Befehlstäter" eines "linksfaschistischen" Staates. Am späten Nachmittag wollen zudem bis zu 150 Hooligans und Rechtsextremisten nach dem Ende der "Pegida"-Versammlung noch eine kurze Spontandemonstration abgehalten haben, bevor die Polizei diese stoppte und einkesselte. Unter den angereisten Menschen waren auch zahlreiche rechtsgerichtete und rechtsextreme Vertreter der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa). Die Beteuerungen von Bachmann, Stürzenberger und Carta Probach, die Polizei sei kein Feind und man solle keine Ausschreitungen provozieren, stießen hier erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe.

Insgesamt demonstrierten am Samstag bei verschiedenen Demonstrationen rund 2.000 Menschen aus dem bürgerlichen wie linken Lager sowohl gegen "Pegida" als auch gegen die Salafisten. Während etwa "Pegida"-Redner bei der noch laufenden Kundgebung ihre Gegendemonstranten als "Linksfaschisten" sowie "unterbemittelte Dummbratzen der SAntifa" (Bachmann) und "Brut der Linksfaschisten" sowie "Hasta La Vista Rotfaschista" (Stürzenberger) diffamierten, waren es gerade Vertreter unter anderem linker türkischer oder kurdischer Gruppen und der Antifa, die auch am Rande der Kundgebung der Salafisten lautstark und direkt gegen diese protestierten.

Erschienen waren statt der angemeldeten 400 nur rund 200 Salafisten, als Starredner war Sven Lau angekündigt, Konvertit aus Mönchengladbach. Lau ist in Wuppertal kein Unbekannter, gelang ihm hier doch vor Monaten ein medialer Coup sondergleichen, indem er mit einer Handvoll Gleichgesinnter als "Scharia-Polizei" unterwegs war und europaweit die Schlagzeilen beherrschte. Bei der Kundgebung befand einer der Salafisten als Redner: "Allah, vernichte alle Ungläubigen, Allah, vernichte Amerika, Allah, vernichte Israel."

Angesichts des IS-Terrors nannten die linken Gegendemonstranten die Salafisten unter anderem "Kindermörder", lieferten sich allerdings zeitweise auch Rangeleien mit der Polizei und warfen mindestens einen Böller in Richtung der Radikalislamisten. Friedlich verlief eine Mahnwache vor der Wuppertaler Synagoge, um diese symbolisch vor den Salafisten zu schützen.

Deutlich wurde bei den verschiedenen Demonstrationen indes auch, dass sowohl Vertreter von "Pegida" als auch Salafisten gleichermaßen Medienvertretern, Politikern und dem Staat gegenüber feindlich gesinnt sind. Bachmann nannte Politiker "Politapparatschiks", nannte die ehemalige Grünen-Chefin in fremdenfeindlich konnotierter Anspielung "Claudia Fatima Roth" und animierte die Kundgebungsteilnehmer zu "Merkel muss weg!"-Rufen. Und was den Salafisten die Ungläubigen waren, die sie am liebsten vernichten wollen, waren den radikalen "Pegida"-Gängern die "Volksverräter", denen man ebenso nichts gutes an den Hals wünschte.

Der Korrespondent der FAZ befand:"Lau und Bachmann, das sind auf jeweils eigene Weise Gescheiterte." Beide hätten auch schon ihre Erfahrungen mit der Justiz und Gefängniszellen sammeln dürfen.

So hat Bachmann etwa kürzlich eine Geldstrafe für nicht geleistete Unterhaltszahlungen akzeptiert und einen anstehenden Berufungsprozess verhindert, in dem möglicherweise erneut Pikantes über sein Privatleben und etwaigen Vorstrafen an die Öffentlichkeit hätte gelangen können.