Wie groß sind die Maschen des Universums?

Hoffen auf das kommende Cherenkov Telescope Array. Bild: G. Pérez, IAC./CC BY-SA 3.0

Die "Weltformel" wäre eine Quantenfeldtheorie der Gravitation. Wie lassen sich diese Quanteneffekte nachweisen und bei welcher Größenordnung beginnen sie? Neue Forschung zur Quantisierung der Raumzeit

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Stringtheorie, Schleifen-Quanten-Gravitation und direkte Weiterentwicklungen der Relativitätstheorie sind sich in einem Punkt einig: Auf irgendeiner Ebene ist der Raum nicht mehr kontinuierlich, sondern diskret. Jetzt ist es Forschern erstmals gelungen, eine obere Grenze für die maximale Größe dieser Quantenstrukturen aufzustellen, die von der konkreten Theorie unabhängig ist.

Sowohl die Quantentheorie als auch die Allgemeine Relativitätstheorie gehören zu den am besten überprüften Theorien der modernen Physik. Und doch sind sich die Wissenschaftler völlig im Klaren darüber, dass sie in bestimmten Extremfällen zusammenbrechen müssen. Bei sehr hohen Energien, wie sie kurz nach dem Urknall geherrscht haben müssen oder in einem Schwarzen Loch vorzufinden sein müssten, versagen beide Herangehensweisen. Als Lösung sehen die Forscher einmütig die Quantisierung der Raumzeit an - nur die Vorgehensweise dabei ist sehr unterschiedlich.

Gigantisch ist nicht mehr das Universum, sondern das Sandkorn unter Ihrem Schuh

Grundlage der Schleifen-Quanten-Gravitation etwa ist die anschauliche Vorstellung, dass der Stoff, aus dem das Universum besteht, sehr viel mit dem Stoff gemein hat, in den sich Menschen kleiden. Er besteht aus Fasern, die sich umeinander winden (Schleifen) und Knoten bilden. Die Schleifen sind winzig. Ein Quadratzentimeter "Universums-Stoff" besteht aus etwa 1066 solcher Fäden. Das kleinste physikalisch sinnvolle Volumen liegt im Schleifenraum bei 10-99 Kubikzentimetern. Dadurch müsste sich unsere Vorstellung von "riesig" eigentlich umdrehen. Denn das Weltall selbst ist "nur" ungefähr 1085 Kubikzentimeter groß. In einen Kubikzentimeter passen aber theoretisch 1099 Schleifen-Quanten.

Das heißt, dass ein perfektes Mikroskop, das beliebig scharf in die Mikrowelt blicken kann, etwa 100 Billionen Ereignisse mehr registrieren kann als ein perfektes Teleskop, das das gesamte Weltall im Blick hat. Gigantisch ist nicht mehr das Universum, sondern das Sandkorn unter Ihrem Schuh. Oder jedes Sandkorn ist ein Kosmos - während das Weltall schrumpft. In diesen Maßstäben fühlt sich die Raumzeit dann nicht mehr kontinuierlich an, sondern diskret - der Raum kann höchstens durch Hinzufügen eines Knotens oder einer Schleife wachsen, nicht weniger.

Die Stringtheorie

Die Stringtheorie hingegen stellt sich eindimensionale Strings (Saiten) als kleinsten Grundbaustein vor, der den mehrdimensionalen Raum aufspannt. Dass noch nie jemand einen String gesehen hat, liegt (falls die Theorie irgend etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat) an der Winzigkeit dieser Objekte. Ihre typische Länge liegt im Bereich der Planck-Länge bei rund 1,6 * 10-35 Metern. Kein von Menschenhand gebautes Instrument wird je in der Lage sein, Objekte dieser Größenordnung zu zeigen. Das ist aber nicht problematisch, solange die Theorie nur die beobachtbare Wirklichkeit perfekt vorhersagt.

Ein String allein genügt allerdings nicht, damit Materie entstehen kann - so wie die bloße Existenz einer Gitarrensaite nicht reicht, Musik erklingen zu lassen. Entscheidend sind die Vibrationen der Strings. Jedes dieser winzigen Objekte kann auf mehrere verschiedene Arten schwingen. Je stärker die Schwingung ist, desto mehr Energie steckt darin - und desto größer ist das Teilchen, das sich dadurch manifestiert.

Die M-Theorie erweitert diese Vorstellung um Branen. Branen haben demnach folgende Eigenschaften:

  1. Sie besitzen eine bestimmte Raum-Dimension, von 0 bis 9. Eine Bran der Dimension 0 heißt D0-Bran, eine dreidimensionale Bran D3-Bran.
  2. Sie können eine Ladung enthalten.
  3. Sie dehnen sich zusätzlich in die zeitliche Richtung aus
  4. Sie haben eine Oberflächenspannung. Je stärker die Oberflächenspannung, desto weniger lassen sich Branen durch Interaktionen beeinflussen.

Wenn der Raum quantisiert ist, müssten unterschiedliche Lichtteilchen verschiedene Wege nehmen

Bevor die Forscher daran gehen können, eine dieser Theorien zu beweisen, müssen sie zunächst die Grundlagen klären. Falls der Raum wirklich quantisiert ist, müsste sich diese Eigenschaft auf alles auswirken, was den Raum durchquert - zum Beispiel auch das Licht.

Wenn der Raum quantisiert ist, müssten unterschiedliche Lichtteilchen verschiedene Wege nehmen. Diese unterscheiden sich zwar nur sehr wenig, doch wenn die Strecke, die ein Photon überwinden muss, nur groß genug ist, sollten sich auch kleinste Abweichungen der Entfernung irgendwann messbar auswirken.

In einem Beitrag in Nature Physics haben Forscher jetzt Daten des Fermi-Teleskops analysiert, die dieses von einem Gammastrahlen-Ausbruch aufgezeichnet hatte. Die Idee dahinter: Liegt tatsächlich eine Quantisierung des Raums vor, müssten die eintreffenden Photonen abhängig von ihrer Energie einer Gauss-Verteilung unterliegen. Tatsächlich konnten die Forscher bei sorgfältigem Ausschluss aller Fehlerquellen keine entsprechenden Hinweise finden.

Unter Berücksichtigung der Messgenauigkeit ergibt sich damit ein generelles oberes Limit für die Quanteneffekte etwa in der Dimension der Planck-Länge (10-34 Meter) - ganz unabhängig von der jeweiligen Theorie. Das schließt die gängigen Theorien noch lange nicht aus, wohl aber einige ihrer speziellen Formulierungen, für die die obere Grenze noch weit darunter liegen muss. Die Forscher hoffen nun, dass das kommende Cherenkov Telescope Array mit seiner zehnmal größeren Empfindlichkeit hier weitere Aufschlüsse liefern kann.

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