(Wie) sollen Gutachter wissenschaftlicher Journale entlohnt werden?

Auch wenn Verlage teils große Gewinne machen, erhalten Reviewer in der Regel für ihre Arbeit nichts

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Der Online-Dienst publons und das Open-Access-Journal Collabra versprechen Wissenschaftlern eine Belohnung für ihre Arbeit als Reviewer bei der Begutachtung wissenschaftlicher Artikel. Diese Belohnung ist, zumindest bei publons, zwar rein symbolischer Art und besteht in einem Eintrag im Profil des Wissenschaftlers, dennoch verweist das Angebot auf Desiderate und aktuelle Entwicklungen im wissenschaftlichen Publizieren.

Reviewer, die für wissenschaftliche Journale bzw. deren Verlage die Prüfung eingereichter Artikelvorschläge erledigen, erhalten in aller Regel keine Entlohnung - obwohl die Verlage teils enorme Gewinne erreichen. Der Umsatz der Verlagssparte des Hauses Elsevier lag 2013 bei 2,126 Milliarden Pfund, der Gewinn bei 826 Millionen; die Gewinnmarge belief sich demnach auf 38,85%.

Um Reviewer für den Dienst an der Wissenschaft wenigstens symbolisch zu entlohnen, wurde schon seit längerem immer wieder über verschiedene Methoden, z.B. Reviewer Indices diskutiert, die helfen sollen, den Beitrag eines Gutachters zur wissenschaftlichen Kommunikation zu quantifizieren. So sollen Anreize für die Übernahme von Gutachten geschaffen werden.

Dieses Ziel verfolgt auch publons, das bis vor kurzem auf der Meldung von Reviewer-Aktivitäten durch die Gutachter selbst vertraute, nun aber erstmal eine Kooperation mit einem großen Wissenschaftsverlag eingehen konnte. Zwölf Journale des Verlags Wiley werden Informationen über ausgeführte Gutachten an publons übermitteln können. Da publons selbst wiederum Schnittstellen, z.B. zum wissenschaftlichen Profildienst Impactstory, unterhält, werden Angaben zu wahrgenommen Reviews im Impactstory-Profil der Wissenschaftler angezeigt - zusammen mit Informationen über Zitationen ihrer Texte, über Tweets auf ihre Artikel, Daten und ihren Programmcode sowie eine Vielzahl anderer Impact-Informationen wie etwas das Aufkommen ihrer Texte in Literaturverwaltungsdiensten. Publons könnte damit eine Gratifikation für ausgeführte Reviews vermitteln, auch wenn diese nicht-monetärer Art bliebe. Allerdings verweist das Modell auch auf zwei andere Tendenzen in der Bewertung von Wissenschaft: Zum einen auf Versuche, bislang verdeckte wissenschaftliche Arbeit (wie die Gutachten) sichtbar zu machen, zum anderen auf Absichten der fortschreitenden Quantifizierung und Evaluierung wissenschaftlicher Tätigkeiten.

Einen anderen Belohnungsmodus will das Open-Access-Journal Collabra der University of California Open Press verfolgen. Artikel, die in Collabra erscheinen, sind im Sinne des Open Access entgeltfrei nutzbar, die Publikationskosten sollen durch Autorengebühren gedeckt werden. Von den insgesamt fälligen 875 US-Dollar pro Artikel gehen 625 Dollar an den Verlag, die restlichen 250 Dollar werden zwischen Reviewern und Journalherausgebern aufgeteilt. Diese können entscheiden, ob sie das Geld einstreichen, dem Open-Access-Fond ihrer Einrichtung zukommen lassen (aus dem dann wiederum Gebühren anderer Artikel bestritten werden) oder dem Waiver Fund von Collabra spenden, der dazu dient, bedürftigen Wissenschaftlern die Artikelgebühren in Collabra erlassen zu können.

Während die finanzielle Entlohnung im Collabra-Verfahren nicht derart hoch ist, dass Missbrauch durch Reviewer, die schlampige Gutachten verfassen, um schnelles Geld zu machen, in großem Stil zu erwarten ist, stellt sich die Situation bei publons womöglich anders dar. Sollte die Ausführung von Reviews eine Art wissenschaftliche Währung werden, wären leicht Manipulationsszenarien wie bei der gängigsten der wissenschaftlichen Währungen, den Zitationen, denkbar.

Die bei der Zitationsmessung zu beobachtenden Tricks und Manipulationen, um hohe Zitationszahlen zu produzieren, sind zahlreich und gut erforscht, dazu zählen Selbstzitationen der Journale des eigenen Verlags (Pimp my Impact Factor) ebenso wie Selbstzitationen eigener Werke durch Autoren. Sollte die Anzahl der geleisteten Reviews, genau wie Zitationen, ein Kriterium für wissenschaftliche Karrieren werden, wäre zumindest vorstellbar, dass unter Evaluierungsdruck stehende Wissenschaftler lieber mehr Gutachten als aufwändige Gutachten erstellen - oder aber Artikel ohne Überarbeitungsauflagen ablehnen beziehungsweise annehmen. Schließlich kann man in der für die Prüfung der Überarbeitung notwendigen Zeit auch eine weitere Review erledigen und Credit Points sammeln.