Schwimmender Giftmüll...

Speisefische auf einem Markt. Foto:Redaktion

...und Käfighaltung unter Wasser: Probleme der Aquakultur

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Die Nachfrage nach Fisch ist in den letzten 30 Jahren enorm gestiegen. Mindestens ein Drittel der weltweiten Fischfanggebiete gelten inzwischen als überfischt. Aquakultur soll diesem Problem abhelfen. Sie schone die wilden Fischbestände, heißt es.

Jährlich werden weltweit rund 142 Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchte gefangen, die Hälfte stammt aus Flüssen, Seen und Meeren, die andere Hälfte aus Aquakultur. Das Fischinformationszentrum (FIZ e. V.) gibt für den deutschen Verbrauch den Verzehr von insgesamt 1,1 Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchten an, im Durchschnitt 13,7 kg Fisch (Fanggewicht) pro Kopf und Jahr (2013). Der Importfisch hat mit 1,8 Millionen Tonnen den größten Anteil am Gesamtaufkommen an Fisch und Fischereierzeugnissen auf dem deutschen Markt.

Aus deutscher Binnenfischerei und Aquakultur kommen insgesamt rund 244.000 Tonnen Fisch. Rund 6.200 Aquakulturfarmen gibt es allein in Deutschland. Hier werden Regenbogen-, Lachs- und Bachforellen, Saibling, Karpfen, Aal, Wels sowie Zander, Schlei und Hecht erzeugt.

Die 600 Fischarten, die in Zuchtfarmen gemästet werden, werden vor allem mit Fischarten wie Sardellen, Sardinen und Makrelen aus Wildbeständen gefüttert. Doch diese sind normalerweise Nahrungsgrundlage für andere Meerestiere, und nebenbei auch für viele Menschen in den ärmeren Weltregionen. Bei Raubfischen wie Lachs, Forelle oder Kabeljau liegt die verfütterte Menge an Fisch bei 1,4 kg je Kilo Körpergewicht. Um die verfütterten Fischmengen zu bestimmen, gibt es eine Kennzahl: FIFO (fish in fish out) gibt darüber Auskunft, wieviel Kilo Futterfisch nötig sind, um ein Kilo Fisch auszumästen.

Für die Mast von Thunfischen werden ganze 15 kg Futterfisch aus Wildbeständen je Kilo Körpergewicht benötigt. Die Vermehrung von Thunfisch in Aquakulturen ist übrigens sehr schwierig. Weil die jungen Thunfische aus den Meeren geholt werden, bevor sie sich dort vermehrt haben, werden mit der künstlichen Aufzucht auch wilde Thunfischbestände ausgerottet.

Hilft Pangasius gegen Überfischung?

Vietnam ist weltweit der größte Exporteur von Garnelen und Shrimps. Zweieinhalb Millionen Tonnen davon werden jährlich im Mekong-Delta gezüchtet. Südvietnam gilt als außerdem als weltweites Zentrum der Pangasius-Zucht. Von hier stammen 95 % aller Fische dieser Welsart. Das Land exportiert jährlich 1,5 Milliarden Pangasius-Filets. Rund 40.000 Tonnen Pangasius im Wert von rund 100 Millionen Euro kommen jedes Jahr allein nach Deutschland.

Einem der größten vietnamesischen Zuchtunternehmen gehören insgesamt 350 Teiche mit über 100 Millionen Fischen. In einem Teich werden 300.000 Fische gemästet, mit maximalen Besatzdichten von 60 bis 80 Fischen pro Kubikmeter. Nach sechsmonatiger Mast kommt der Fisch in eine der acht Fabriken, wo er innerhalb von einer Stunde filetiert, mit Zusatzstoffen versehen und tiefgekühlt wird. Vor dem Einfrieren wird er in Phosphat gebadet, denn das erhöht sein Verkaufsgewicht.

Großaugen-Thun, Thunnus obesus. Bild: Allen Shimada, NOAA NMFS OST; gemeinfrei

Mehr als 1000 Lohnarbeiter verarbeiten täglich 100 Tonnen Fisch an einem zehnstündigen Arbeitstag in der Fabrik - für umgerechnet 100 € im Monat. Nur weil Menschen und Tiere derart ausgebeutet werden, kann Pangasius in europäischen Supermärkten für weniger als sechs Euro je Kilo angeboten werden.

Auch in der schmutzigen Brühe des Mekong werden Fische gezüchtet. In den Fluss gelangen Abwässer und Pestizide. Algen und Bakterien mindern den Sauerstoffgehalt, Toxine werden freigesetzt. Für das Fischfutter werden tonnenweise Jungfische aus dem Meer geholt und zu Fischmehl verarbeitet. Prophylaktisch mischt man Antibiotika und Medikamente ins Fischfutter. So werden, um unseren wachsenden Hunger auf Pangasius zu stillen, wilde Fischbestände weiter reduziert.

Käfighaltung unter Wasser

Es ist einige Jahrzehnte her, da war Lachs ein echter Luxusartikel. Heute liegt er als billige Massenware in den Regalen. Er enthält Eiweiß, Omega-3-Fettsäuren und Vitamine. Aber ist er wirklich gesund? Drei Viertel aller Lachse kommen aus Aquakulturen. 90 Prozent aller in Deutschland verkauften Lachse kommen aus Norwegen. In seinen ersten Lebenstagen wird ein kleiner Lachs in der Aufzuchtstation gegen sechs Krankheiten geimpft.

Auf einer der rund 600 Lachsfarmen in den Fjorden wird er in bis zu 55 Meter tiefen Käfigen unter Wasser auf ein Schlachtgewicht von fünf bis sechs Kilo gemästet. Weil es die Umweltbilanzen verbessert, werden in norwegischen Lachszuchtfarmen zunehmend pflanzliche und billigere Futtermittel eingesetzt, dies senkt allerdings die Fettsäuren im Lachsfleisch. So enthält Zuchtlachs nur noch halb so viel Omega-3-Fettsäuren wie vor zehn Jahren. Nach seiner Tötung am Fließband wird der Lachs zur Hälfe frisch oder tiefgekühlt am Markt angeboten. Die andere Hälfte wird zu Mayonnaise-Salat und Aufstrichen verarbeitet.

In einer norwegischen Farm werden rund zwei Millionen Lachse gemästet. Das geht nicht ohne Krankheiten und Parasiten ab. Ein großes Problem ist die Lachslaus, die sich im Gewebe des Lachses festsetzt. Um sie zu bekämpfen, werden Chemikalien eingesetzt. Mit diesen Giften habe man im Ersten Weltkrieg Menschen getötet, ist der norwegische Naturschützer Kurt Oddekalv überzeugt. Weil die Resistenzen der Läuse zunehmen, greifen die Züchter zu immer aggressiveren Chemikalien.

Die aber verursachen genetische Mutationen: So können die Fische ihr Maul nicht mehr schließen. Die Schwanzflossen von Zuchtlachs sind kleiner und vor allem setzt er bis zu fünf Mal mehr Fett an als wilder Lachs. "In seinem Fett lagern sich Gifte an.", erklärt der Chef der Umweltorganisation Green warriors of Norway in einem Interview mit dem ORF und fügt hinzu:

Dieser Fisch ist der giftigste der Welt.

Mit seiner Unterwasserkamera filmte Oddekalv bis zu 15 Meter hohe Ablagerungen unter den Mastkäfigen: Kloaken aus Fäkalien, Futterresten, Abfällen, Chemikalien, die den Grund des Fjords zerstören. Weil sich giftige Gase bilden, wird der Sauerstoff knapp - auch für die Lachse.

Lachsläuse setzen auch den Wildlachsen im Nordostatlantik zu. Ein internationales Forscher-Team untersuchte die Gewässer vor Irland und Norwegen und stellte fest, dass dort 18 bis 55 Prozent aller Wildlachse am Befall von Lachsläusen eingingen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler stammen die Läuse aus den Lachs-Aquakulturen in den Küstengewässern, deren Anzahl immer weiter zunimmt. Sie greifen vor allem Jungtiere an, wenn diese die Flüsse verlassen und ins Meer hinausschwimmen.

Vergifteter Fisch aus der Ostsee

20 Prozent der Fische, die in Dänemark zu Futter verarbeitet werden, stammen aus der Ostsee, die als eines der am stärksten verschmutzten Gewässer der Welt gilt. Die Ostsee ist hoch mit Dioxin belastet, radioaktiv verstrahlt, ein Drittel gilt als tot. Sie wird gespeist von Abwässern aus neun Industriestaaten, darunter Düngemittel und Industrie-Abfälle. Reste alter Kriegsmunition setzen unter Wasser Schadstoffe frei. Besonders der Dorsch ist hoch belastet, weshalb er nicht in den Handel gelangen darf.

Für den menschlichen Verzehr ungeeignet, wird so mancher Ostsee-Fang wegen seines hohen Giftgehaltes zu Lachsfutter verarbeitet. Die Schadstoffe werden im Fettgewebe von Lachsen, Heringen und Aal gebunden, also in Fischen, die angeblich so gesund sind. So warnt Jérôme Ruzzin von der Universität Bergen vor dem Verzehr von Lachsen aus Aquakultur.

Atlantischer Lachs. Bild: Hartley, William W. - U.S. Fish & Wildlife Service; gemeinfrei

Denn Zuchtlachs sei fünf Mal giftiger als jedes andere Lebensmittel aus dem Supermarkt. Nachdem der Wissenschaftler in einem Futterversuch Mäusen längere Zeit Zuchtlachs zu fressen gab, wiesen diese deutliche Nierenschäden auf. Eine Ursachen sieht der Toxikologe in den Schadstoffen, die sich im Fett des Zuchtlachses akkumulieren.