Massenvernichtungswaffen: Studienverbot für verdächtige ausländische Studenten

Milzbrandsporen. Bild: CDC

In Großbritannien wurden seit 2007 fast 1000 Postgraduierte abgewiesen, Abgeordnete wollen nun auch britische Studenten einbeziehen, die "homegrown" Terroristen werden könnten

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Im Vorlauf zum Irak-Krieg, als die US-Regierung mit der Hilfe der britischen Regierung "Beweise" dafür fabrizierten, dass Hussein weiterhin Programme zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen habe, kam auch Rihab Taha ins Spiel. Die auch "Dr Germ" genannte Wissenschaftlerin hat in Großbritannien 1980-1984 Mikrobiologie studiert und sich mit pflanzlichen Toxinen beschäftigt. Sie galt zusammen mit Huda Salih Mahdi Ammash oder "Mrs Anthrax" als der Kopf hinter dem irakischen Programm zur Herstellung von biologischen Waffen. Beide Frauen wurden festgenommen und 2005 wieder von den Amerikanern aufgrund nicht wirklich bekannter Gründe aus der Haft entlassen (Absolution für die Bösen).

Milzbrandsporen. Bild: CDC

Vermuten lässt sich nur, dass Taha, die sich den Amerikanern gestellt hatte, bereitwillig über das Waffenprogramm gesprochen haben wird. Nach dem ersten Golfkrieg hatte sie gegenüber UN-Inspektoren zugegeben, Anthrax, Clostridium, Rizin etc. hergestellt zu haben. Vermutlich wurde dabei klar, dass es nach dem ersten Golfkrieg kein solche Programm mehr gab. Dazu kommt, dass die USA dem einstigen Verbündeten gegen den Iran neben chemischen Waffen auch Kulturen von Milzbrand, Botulinum, Clostridium, West-Nil-Virus oder Pest geliefert hatte. Gut möglich also, dass man lieber keinen Prozess wollte, der manches schwarze Kapitel der US-Politik noch einmal hätte aufkommen lassen, nachdem man bereits unter falschen Behauptungen den Krieg legitimiert hatte (Der Irak, die USA und die Massenvernichtungswaffen). Ganz ausgeschlossen ist aber auch nicht, dass sie auf Druck des al-Qaida-Führers al-Sarkawi, auf den der Islamische Staat zurückgeht, freigelassen wurde. Dieser hatte 2004 drei Geiseln genommen (und getötet) und die Freilassung aller gefangenen Frauen verlangt. Die einzig bekannten weiblichen Gefangenen der Amerikaner waren Taha und Ammash.

In Großbritannien wurde wegen Taha und einigen anderen irakischen Mikrobiologen im November 2007 das Academic Technology Approval Scheme (ATAS) eingeführt. Studenten aus dem Ausland, die sich für bestimmte Fachrichtungen in Biologie, Physik, Informatik, Ingenieurswissenschaften oder Mathematik an britischen Universitäten für Postgraduiertenkurse einschreiben wollen und Visa-Antrag stellen müssen, werden überprüft, um zu verhindern, dass sie aufgrund ihrer in Großbritannien erworbenen Kenntnisse in der Lage sind, Massenvernichtungswaffen herzustellen bzw. in solchen Programmen zu arbeiten.

Bislang wurden von 20.000 Antragstellern 739 ausländische Studenten, wie der Telegraph berichtet, aus der Befürchtung abgewiesen, sie könnten ihr Wissen nach dem Studium zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen nutzen. Nach welchen Kriterien dies erfolgt, geht aus den Angaben nicht klar hervor. Verdächtig scheinen bislang geleistete Studien, Veröffentlichungen und Arbeitgeber sowie Geldgeber und längere Unterbrechungen des Studiums bzw. Phasen der Arbeitslosigkeit zu sein. Die Geheimdienste liefern Informationen über politische Tendenzen oder Verbindungen zu Terrororganisationen. Schon 2008 berichtete der Guardian, dass an die 100 "verdächtige Terroristen" von den Geheimdiensten daran gehindert wurden, Zugang zu britischen Laboratorien zu erlangen. Ein Vertreter des Außenministeriums sprach davon, es gebe "empirische Beweise" für das Problem, dass Postgraduierte ihre Kenntnisse weiter geben.

Mittlerweile wächst offenbar die Angst, dass die Sicherheitsmaßnahme zu eng gefasst sein könnte. Für einige britische Abgeordnete lauert die Gefahr nicht nur außerhalb Europas, sondern auch in Europa und selbst im Land. Schließlich sind aus den europäischen Ländern auch Hunderte von Fanatikern ausgezogen, um sich dem Islamischen Staat anzuschließen. Gut möglich, so John Stanley, der Vorsitzende des Ausschusses für Waffenexportkontrolle, dass auch "home grown" Dschihadisten wissenschaftliche Erkenntnisse an britischen Hochschulen erwerben wollen, um sie für terroristische Zwecke zu verwenden. Dass bereits 739 Studenten abgewiesen wurden, ist für ihn ein Grund für "ernsthafte Besorgnis".

Der Ausschuss will vor allem verhindern, dass die Regierung ATAS nicht verlängert, wie von ihm gefordert. Zudem sollen auch britische Studenten überprüft werden, um ein Studium zu unterbinden. Universitäten und manche Regierungsvertreter fürchten aber, dass durch zu strenge Maßnahmen die Offenheit des britischen Bildungssystems gefährdet und zu viele für das Land interessante Nachwuchswissenschaftler abgeschreckt werden könnten. Einige Politiker in den USA würden gerne alle ausländischen Studenten von Laboratorien fernhalten, die mit potentiell gefährlichen Bakterien und Viren forschen.