TTIP: Weiter Geheimniskrämerei statt Transparenz

Parlamentarier erhalten nach Vertraulichkeitserklärung nur Einsicht in bereits bekannte Dokumente in einem Leseraum, ohne etwas aufzeichnen zu können

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Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte bei der Anhörung "Transparenz" über TTIP versprochen, als die zukünftigen Kommissare von Europarlamentariern zur Bildung der EU-Kommission befragt wurden. Die liberale Schwedin gehörte nicht zu den umstrittenen Kandidaten und ihr Versprechen erleichterten ihr den Weg in die Kommission. Doch eingehalten wurde nichts, weshalb Abgeordnete von grünen und linken Formationen vor dem sogenannten "reading room" protestierten, wo sich die geheimen TTIP-Unterlagen befinden, weil ihnen der Zugang verweigert wurde.

Als Reaktion kündigte die EU-Kommission im Januar großspurig an, dass alle Europarlamentarier Zugang zu den Unterlagen erhalten, um der "Verpflichtung" nach Transparenz nachzukommen. Kürzlich übte Malmström sogar Selbstkritik, wonach es ein Fehler gewesen sein soll, das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA geheim zu halten, weil das "viele Verschwörungstheorien" genährt habe.

Doch hat sich am Vorgehen im Kern etwas geändert? Der linksgrüne spanische Europarlamentarier Ernest Urtasun hat nun versucht, sich im Leseraum einen Überblick über die Verträge zu verschaffen. Sein Resümee ist eindeutig: "Es war eine sehr negative Erfahrung". Warum erklärt der 33-Jährige auch: "Sie haben mir den Kugelschreiber abgenommen, das Papier, um mir Notizen zu machen, und das Mobiltelefon".

Dass man keine Laptops und Handys mitnehmen kann, war längst bekannt. Doch es wurde, obwohl erst nach etlichen Beschwerden, zum Beispiel dem Österreicher Michel Reimon dann doch noch erlaubt, "handschriftliche Notizen anzufertigen". Eigenes Papier durfte er nicht mitbringen, sondern er erhielt Papier mit speziellen Wasserzeichen. Doch Urtasun musste feststellen, dass diese Lockerung in Bezug auf Notizen wieder rückgängig gemacht wurde. Er kritisierte auch, dass die Zeit im Leseraum auf zwei Stunden beschränkt sei und er die gesamte Zeit überwacht worden sei. Und ohnehin habe er nur Dokumente zu sehen bekommen, die längst veröffentlich seien.

Erhält man versehentlich doch Zugang zu Dokumenten, die noch nicht bekannt sind, darf der Parlamentarier mit dem Inhalt nichts anfangen. Denn um Zugang zu erhalten, muss eine 14-seitige Sicherheits- und Vertraulichkeitserklärung unterzeichnet werden. Auch die Spanierin Marina Albiol bestätigt, was schon zuvor die Finnin Heidi Hautala per Blog veröffentlicht hatte, dass auch ihr mit Haftstrafen gedroht werde. So seien "Beamten der EU-Kommission auch schon ins Gefängnis gegangen, weil sie die Vertraulichkeit gebrochen haben", wurde die Finnin gewarnt.

Im Vergleich zu den Erfahrungen von Hautala, die als erste Parlamentarierin den Raum betreten durfte, wird auch deutlich, dass die Zeit zur Studie der komplexen Vorschläge und Texte von vier auf zwei Stunden halbiert wurde. Geändert hat sich aber nichts daran, dass man nur Einblick in die ursprünglichen Vorschläge der EU-Kommission bekommt. Welche Reaktionen es aus den USA dazu gab, welche Veränderungen vorgenommen wurden, davon erfährt man jedenfalls im Lese-Raum nichts.

Mit Transparenz hat das Vorgehen nichts zu tun, viel eher steht weiter die Geheimniskrämerei im Vordergrund. "Die uns auferlegten Bedingungen im Lese-Raum stehen Parlamentarismus und Demokratie entgegen", kritisiert der Spanier Urtasun. Er ist sich darin mit der Linken Albiol einig. "Wir sind Parlamentarier und gewählt, um die Bürger zu vertreten und zu informieren. Und im Fall eines so grundsätzlichen internationalen Vertrags werden wir wie Kriminelle oder Spione behandelt."

Wie der Österreicher und die Finnin meinen auch die Spanier, dass es über die im Leseraum verfügbaren Dokumente etliche weitere gibt, worüber man aus vertraulichen Quellen erfahren konnte. Urtasun will Einsicht in diese Dokumente erhalten: "Wir müssen wissen, was genau ausgehandelt wird." Allein die Existenz des Leseraums verstoße schon gegen Grundsätze der EU. "In den Lissabonner Verträgen steht eindeutig, dass die Europaparlamentarier komplett über internationale Abkommen unterrichtet sein müssen."