Die SPD - hat sie ihre "Zukunft vertagt"?

Das sozialdemokratische Parteimanagement sucht (nicht nur) nach einem Kanzlerkandidaten

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"Vertagte Zukunft" hat Peer Steinbrück, der ehemalige, recht glücklose Herausforderer der Bundeskanzlerin, sein neues Buch genannt. Es werde "lange dauern, bis wieder nach Autogrammkarten eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers verlangt werden" könne, meint Torsten Albig, SPD-Ministerpräsident von Schleswig- Holstein. Man dürfe seine Partei aber nicht "verzwergen", rügte ihn Sigmar Gabriel. Aber dass die SPD bei der Bundestagswahl 2017 eine Mehrheit gewinnt, darauf hofft auch ihr Vorsitzender nicht. Sie hat, wenn nicht ein Wunder geschieht oder Angela Merkel denn doch amtsmüde wird, keine Aussichten, aus ihrem Tief in der Wählergunst heraus zu kommen (Die SPD im 25-Prozent-Turm?).

In die Rolle einer nichtregierenden Partei will die SPD sich keinesfalls begeben, Opposition gilt ihr längst als eine minderwertige Beschäftigung. Gelegentliches Phantasieren über eine Regierungskoalition von Sozialdemokraten, Grünen und Linksparteilern im Bund hat wenig Bezug zur Realität. Die Partei DIe Linke ist aus SPD-Sicht erst einmal nicht "regierungsfähig", die Grünen würden das Bündnis mit der CDU vorziehen, im Binnenfeld aller drei Parteien gibt es massive Abneigungen gegen "Rot-Rot-Grün".

Es bleibt als einigermaßen realistische Option nur die einer Fortsetzung des Regierungsbündnisses mit den Unionsparteien. Um diese vorzubereiten, braucht allerdings die SPD eine Kandidatur für das Kanzleramt, der Wahlreklame wegen; auch wenn ja ein Kanzler oder eine Kanzlerin vom Volk gar nicht gewählt wird. Peer Steinbrück kommt nicht mehr in Betracht; er beschreibt derzeit, wie er als Kanzlerkandidat die WählerInnen hinters Licht führen, sich als Bändiger kapitalistischen Übermutes darstellen musste - obwohl er derartige Abenteuer innerlich verabscheute.

Frank Walter Steinmeier wird als möglicher Kandidat genannt; er eckt nicht an und genießt demoskopisch Vertrauen. Jedoch ist seine Intelligenz keineswegs zu unterschätzen; weshalb sollte er sich die Mühen einer aussichtslosen Kandidatur zumuten? Einer der sozialdemokratischen Landesväter in Hamburg und in Schleswig-Holstein oder die SPD-Landesmutter in NRW als personelle Alternative zu Angela Merkel? So blauäugig werden diese nicht sein, dass sie sich auf eine solche Idee einließen. Also muss Sigmar Gabriel selbst ran an die Kandidatur?

Unwahrscheinlich ist, dass er eine solche Verschleißaktion riskieren wird; womöglich würde er als Bundestagswahl-Verlierer auch noch den Parteivorsitz einbüßen. Jetzt ist mit Hilfe der BILD-Zeitung ein neuer Kandidat für die Kanzlerkandidatur ins Spiel gebracht worden: Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments. Er gilt als Hoffnungsträger, weil er publikumsaffin reden kann und bei der Europawahl der SPD einen (bescheidenen) Stimmenzuwachs brachte. Über seine persönlichen Qualifikationen dafür, kanzlernd die "Richtlinien der Politik" in der Bundesrepublik zu bestimmen, kann nur spekuliert werden, aber auch das ist eigentlich überflüssig; für ihn käme ein Ministeramt in einem Kabinett Merkel in Frage, wenn er rhetorisch kandidierend keinen Patzer macht.

Der F.A.Z.-Redakteur Jasper von Altenbockum (er ist alles andere als ein Kritiker der Agenda-2010-Politik ) fragt, weshalb sich die SPD so schwer damit tue, einen Gegenkandidaten zu Angela Merkel aufzubauen und gibt eine nüchterne Antwort: "Wer es auch immer ist, er wird den Schatten Schröders mit sich tragen". Den Verlust des Status einer "Volkspartei" also.

Für einen Bundestagswahlkampf braucht die SPD populäre eigene Themen, Nachweise ihrer Besonderheit, ihrer Unentbehrlichkeit. Immer noch ist die Rede davon, die Partei müsse mehr "die Mitte ansprechen" -aber woraus besteht diese, und schöpft nicht schon die CDU/CSU gerade hier ab?

Eine Partei als Warenangebot begriffen - da könnte die SPD Kundenforschung betreiben, mit der Frage: Welches der im Politmarkt modischen Produkte wünschen Sie sich als Offerte mit sozialdemokratischem Etikett?

Nostalgisch blicken Sozialdemokraten auf den großen Aufschwung ihrer Partei in der Ära Willy Brandt zurück. Der damalige Erfolg allerdings kam zustande in der Konfrontation mit bis dahin herrschenden Politikmustern, aus der Opposition heraus. Und durch den Aufritt eines Kanzlerkandidaten, der als Verfechter einer gesellschafts- und außenpolitischen Alternative wahrgenommen wurde, von seinen Gegnern bekämpft, von immer mehr Wählerinnen und Wählern in eben dieser Eigenschaft geschätzt.

"Vertagte Zukunft" der SPD? Vertagung kann für eine Partei auch bedeuten: Eine Zukunft in besserer Position stellt sich nicht mehr ein.