Nasrallahs Abrechnung mit den Saudis

Das Ziel des Krieges sei es, die Kontrolle und die Hegemonie Saudi-Arabiens über den Jemen wieder herzustellen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der am 25. März von 10 arabischen Ländern unter Führung Saudi-Arabiens und mit Hintergrundunterstützung der USA eröffnete Krieg gegen den Jemen - genauer: gegen die seit Herbst 2014 dort herrschenden schiitischen Houthis (Ansar Allah) und gegen die mit ihnen verbündeten Einheiten der jemenitischen Armee - wird von dieser Allianz als ein präventiver Verteidigungskrieg gegen die Bedrohung durch den Iran gerechtfertigt. Genau so begründet auch der nach Saudi Arabien geflohene ehemalige jemenitische Präsident Hadi seinen am 13.04.2015 in der New York Times erschienenen Aufruf an diese Allianz, die Houthis und deren Verbündete bis zu deren Niederlage zu bekämpfen (siehe auch: Einkreisungsängste in Riad). Die meisten der westlichen Medien folgen dieser Sicht.

Der schärfste Widerspruch gegen diese weit verbreitete Deutung des Jemen-Krieges stammt von dem Generalsekretär der libanesischen Hisbullah, Hassan Nasrallah. Dessen TV-Rede vom Abend des 27. März 2015 enthält zugleich eine umfassende Abrechnung mit der Politik von Saudi-Arabien und dessen Verbündeten, insbesondere denen in der Arabischen Liga. Nach Nasrallahs Auffassung wird auch dieser Angriffskrieg - wie die vergleichbaren Kriege gegen Afghanistan, den Libanon und den Irak - in einem Desaster für die Angreifer enden.

Im Kriegskontext verlieren auf beiden Seiten selbst ansonsten triviale Unterscheidungen - wie etwa die zwischen dem zu-Wort-kommen-Lassen, dem Anhören, dem Verstehen-Wollen und dem Akzeptieren bzw. gar Billigen einer abweichenden Meinung - jeglichen Wert. Kriegen fällt nicht nur als erstes die Wahrheit zum Opfer. Noch schlimmer ist: Absoluter Realitätsverlust wird, indem jede abweichende Meinung zum Verbrechen erklärt wird, automatisch zur allseits geforderten Norm.

Der saudischen Verteufelung des Iran stellt Nasrallah sein Bild eines fast schon überirdisch guten Iran gegenüber. Die Grundprämisse, wonach es bei dem jemenitischen Stellvertreterkrieg um einen Kampf zwischen Gut und Böse geht, bestimmt demnach die Sichtweisen beider Seiten. Nur eben mit vertauschten Rollen. Iran = das Böse für die Saudis = das Gute für Nasrallahs Hisbullah.

Wer hat Recht? Wer diese Frage so auch nur stellt, sitzt selbst schon in einer fundamentalistischen Falle. Geht’s nicht auch anders? Wer auch beim Blick auf den Jemenkrieg die Realität nicht aus den Augen verlieren will - nun ja, was sollte der tun?

Nasrallah bei seiner Rede

Audiatur et altera pars / Man höre auch die andere Seite - diese Maxime wird gerade dann am wenigsten befolgt, wenn sie am nötigsten ist: in Kriegszeiten. Wir dokumentieren Nasrallahs direkt an die Saudis adressierte Rede in der von Georg Meggle bearbeiteten (gekürzten und frei übertragenen) Fassung.