MH17: Forensikprofessor wurde aus Untersuchungsteam geworfen

Als Grund wird das Zeigen von Fotos von Leichtenteilen in einer öffentlichen Vorlesung genannt, aber der Professor hatte zum Absturz auch eigene Gedanken geäußert

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In den Niederlanden wurde der forensische Anthropologe George Maat, der an der Identifizierung der Toten der abgeschossenen Passagiermaschine MH17 beteiligt war, Ende letzter Woche von der weiteren Mitarbeit ausgeschlossen. Die Anweisung kam von ganz oben, vom Justizminister Ard van der Steur.

Der Professor von der Universität Leiden hatte in einer Vorlesung Anfang April, die von der Studievereniging Gezondheidswetenschappen Maastricht University, einer Organisation von Medizinstudenten, organisiert worden war, Fotos von Leichenteilen gezeigt und erklärt, wie man vorgehen kann, um die Toten zu identifizieren. Der Minister fand das "völlig unangemessen und geschmacklos". Thomas Alin, Sprecher des holländischen Forensikteams, erklärte, dass man über die Suspendierung hinaus weitere Maßnahmen erwäge.

Aufmerksam auf die Vorlesung wurde der Minister durch einen Bericht von RTL Nieuws, dem zufolge Maat geheime Fotos von den Untersuchungen aus der Van Oudheusden-Kaserne gezeigt habe. Das sei zudem ohne Zustimmung der Angehörigen erfolgt. Im Parlament sagte van der Steur, dass man nicht damit rechnen könne, die Täter bald vor Gericht stellen zu können.

Aling wies nicht nur auf die Fotos hin, die man nicht auf einer öffentlichen Veranstaltung zeigen dürfe, sondern auch darauf, dass der Anthropologe während seines Vortrags Kommentare außerhalb seines Fachgebiets über die Gründe des Absturzes machte, die "falsch" seien. Offenbar hatte er darüber gesprochen, warum sich die Leichenteile auf eine bestimmte Weise auf dem Boden verstreut haben und welche Schlüsse aus dem Zustand der Leichen gezogen werden könnten.

RTL berichtete ausführlich, dass Maat Fotos von Gefrierschränken, CT-Scans von Leichensäcken mit Leichenteilen, von verstümmelten Leichen und Leichenteilen oder von einem Sarg gezeigt habe, in dem man kaum etwas von der Person finde. Bei einem Foto eines Hüftgelenks erklärte er, warum es sich um das eines Kindes handeln müsse.

Zum Absturz sagte er, dass eine Rakete in der Nähe des Flugzeugs explodiert sein müsse. Zahlreiche Schrapnellteile hätten das Flugzeug durchsiebt und seien auch in die Körper eingedrungen. Nach seiner Theorie hätte das Flugzeug nicht in der Luft auseinanderfallen dürfen, sondern hätte wie eine "Kapsel" mit allen Insassen auf dem Boden aufprallen müssen, während die Leichen in einem Umkreis von 10 km gefunden worden seien. Offenbar hatte er keine Vermutungen über die Täter angestellt.

Das lässt den Verdacht entstehen, dass es möglicherweise darum geht, den Professor, der sich nicht an die offizielle Darstellung hält, auszuschließen und zu diskreditieren. Allerdings scheint es den Mitarbeitern des holländischen Untersuchungsteams verboten worden zu sein, über Zusammenhänge im Rahmen von MH17 zu sprechen, die über das eigene Fachgebiet hinausgehen.

Maat erklärte, er habe nicht gewusst, dass die Veranstaltung öffentlich zugänglich war, sondern sei davon ausgegangen, dass sie auf Medizinstudenten beschränkt gewesen. Zwar war die Veranstaltung auf Facebook von den Veranstaltern angeblich als öffentlich beworben worden, schrieb RTL, die Seite, auf die verlinkt wurde, gibt es nicht mehr.

Aus dem Veranstaltungshinweis auf der Facebook-Seite der Studentenvereinigung geht nicht hervor, ob es sich um eine offene oder geschlossene Veranstaltung handelte. Gut möglich jedenfalls, dass Maat nicht explizit darüber informiert wurde. Für eine wissenschaftliche Veranstaltung hätte er die Fotos verwenden können. Maat bedauerte, dass auch andere Personen anwesend waren, was er nicht bemerkt habe, und entschuldigte sich bei den Angehörigen der Opfer.

Die für die Untersuchung zuständige Gemeinsame Untersuchungsgruppe (JIT) unter der Leitung der niederländischen Behörde Dutch Safety Board geht zwar davon aus, dass wohl eine von Separatisten abgeschossene BUK-Rakete für den Absturz verantwortlich ist und sucht nach Zeugen, die gesehen haben, wo die Rakete abgeschossen wurde, und wie das BUK-System nach Russland abtransportiert wurden. Derweil erklärt sie, es werde weiterhin in alle Richtung ermittelt.

Misstrauen hatte kürzlich erregt, dass 147 Dokumente angeblich wegen der darin enthaltenen persönlichen Daten und wegen anderer Gründe nicht veröffentlicht werden durften. 569 Dokumente sind veröffentlicht worden, aber viele Passagen wurden geschwärzt (Wer hat die MH17 abgeschossen?).