BND: "Zur Bringschuld verpflichten"

SPD und Grünen-Politiker schlagen Verbesserungen der Kontrolle des Geheimdienstes vor

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Die BND-Affäre bekommt Dimensionen. Mit dem Reizwort "Industrie- oder Wirtschaftsspionage" nähert sich der Stress auch der Kanzlerin, die bislang dickfellig schweigt. Generalbundesanwalt Range hat vergangene Woche einen Prüfvorgang eingeleitet, um zu ermitteln, ob der Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt. Tom Enders, Vorstandsvorsitzender der Airbus Group, kündigte an, eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Industriespionage erstatten zu wollen.

Enders sei "irritiert und äußerst verärgert" über das tagelange Schweigen der Regierung, heißt es. Am Fall Airbus, bzw. EADS, ist erkenntlich, warum die BND-Affäre nicht pauschal als Hysterie oder Anzeichen einer "Epidemie von Verschwörungstheorien" abzutun ist, wie dies gegenwärtig von Gegnern kritischer öffentlicher Aufmerksamkeit darzustellen versucht wird (vgl. dazu auch Der "wohl im letzten Moment vereitelte Terroranschlag in Hessen").

Airbus bzw. EADS steht in Konkurrenz zu Boeing. Informationen über Kommunikationsvorgänge und Aufträge können für die transatlantische Konkurrenz von geschäftlichem Nutzen sein. Zwar ist bislang nicht klar, an welche Informationen die NSA durch den BND genau kam und wie die NSA damit weiter verfahren ist. Doch kann man davon ausgehen, dass es enge Verbindungen zwischen dem US-Verteidigungsministerium und ihrem Contractor Boeing gibt, so dass ein Missbrauch von Informationen im Wettstreit der Konzerne auf jeden Fall nicht blauäugig ausgeschlossen werden kann.

Sonst würde der Airbus-Manager wohl auch kaltes Blut bewahren.

Im Rüstungsbereich ist häufig von "Dual Use" die Rede, zum Beispiel, wenn es um Export-Embargos technischer Geräte geht. Von Verschwörungstheorien war in diesem Zusammenhang aber nie die Rede, wenn die ungeheuerliche Seite des Nutzens herausgestellt wurde. Der Begriff Dual Use lässt sich auch auf die Informationen übertragen, die an die NSA geliefert werden. Offiziell dienen sie der Abwehr terroristischer Gefahren, inoffiziell könnten sie auch für andere Zwecke genutzt werden.

Die Tätigkeit des BND, seine Dienstleistungs-Zuarbeit für die NSA, ist ein schwer zu durchleuchtendes Hybrid, in dem Arbeitsstränge ausufern, sich vom Anlass, der Terrorabwehr, ziemlich weit entfernen und sich Interessen verknoten. Wie verschiedene Medienberichte erneut dokumentieren, kommt zur Unklarheit darüber, inwieweit die massive BND-Datendienstleitung für die NSA mit Vorgaben der Terrorabwehr gedeckt ist, hinzu, dass die Regierung einen Eiertanz darüber veranstaltet, wer was wann nicht oder doch gewusst hat und bei wem welche Verantwortung liegt.

Die Autarkie des Apparats, Kontrolle und das Bundeskanzleramt

Berichte, die der Spiegel und die Welt an diesem Wochenende veröffentlichen, legen erneut nahe, dass zuständige Stellen im Bundeskanzleramt mehr wussten, als sie bisher öffentlich zugeben. Verwiesen wird jedoch auch auf eine größeren "Autarkie", die sich der Geheimdienst verschafft hat.

Wie sehr das gegen oder mit den verantwortlichen Regierungsmitgliedern aus der Union geschah, wird die Frage sein, mit der sich die SPD in der nächsten Zeit etwas profilieren könnte. Derzeit ist aus der Spitze noch nichts zu hören. Gabriel schweigt.

Dafür plädiert SPD-Fraktionsvize Eva Högl für einen Ausbau der BND-Kontrolle. Der Arbeitsstab des Parlamentarischen Kontrollgremiums müsse rasch aufgestockt werden, und zwar deutlich, wird sie zitiert.

Bislang sitzen neun Mitglieder in diesem Aufsichtsgremium. Ihre Kontrolltätigkeit ist aber nicht nur durch die "Personaldecke" begrenzt, sondern vor allem durch die Abhängigkeit von den Geheimdiensten. Es sind nämlich die Dienste selbst, die entscheiden, wann es sich um ein meldepflichtiges "besonderes Vorkommnis" handelt, Vertrauenssache also. Ob die Lücke, die sich hier in den letzten Wochen gezeigt hat, mit mehr Personal zu schließen wäre, ist eine rhetorische Frage.

Auch weitergehende Vorschläge, so vom Grünen-Politiker Konstantin von Notz ( "Der BND muss zu einer Bringschuld verpflichtet werden, alle relevanten Vorgänge den entsprechenden Gremien proaktiv transparent zu machen und prüfen zu lassen") und Högls Konzeption eines proaktiveren Kontrollgremiums ("sensible Dinge bei den Nachrichtendiensten selbst unter die Lupe nehmen"), haben nur beschränkte Erfolgsaussicht gegenüber einem Apparat wie dem BND.

Die korrigierenden Weichenstellungen kommen von der politisch mächtigsten Schaltstelle, das ist das Kanzleramt. Dazu muss ein politischer Wille vorliegen.