Oldschool Society: "dumme, aber höchst gefährliche Rechtsextremisten"?

Facebookseite der OSS; Screenshot

Die Festnahmen von vier dringend Verdächtigen der rechtsterroristischen Vereinigung verschaffen dem Verfassungsschutz dringend benötigten Erfolg in der Öffentlichkeit

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Der Bundesinnenminister De Maizière spricht von einem "bedeutenden Ermittlungserfolg" und zieht einen Vergleich mit der NSU. Der Fall OSS zeige, wie weit wir mittlerweile sind, wird ein ranghoher Verfassungsschützer zitiert. Mit der Festnahme von "vier dringend Verdächtigen der rechtsterroristischen Vereinigung 'Oldschool Society'" (SEK) ist dem Verfassungsschutz ein Aufmerksamkeitserfolg gelungen. "Rechte Terrorgruppe zerschlagen", verkündeten Schlagzeilen. Ist der OSS aufgeflogen, weil seine Mitglieder zu blöde waren? Und die Verfassungsschutzbehörden einen Erfolg brauchten? Oder weil Gefahr im Verzug war?

Aussagen und Berichte zum Fall OSS legen nahe, dass alle drei Fragen mit "Ja" zu beantworten sind, mit ein paar beachtenswerten Zusätzen.

"Klandestiner Untergrund sieht anders aus", bemerkt die Taz zum Fakt, dass sich die Mitglieder der Oldschool Society sehr offen im Internet exponiert haben. Die Identität ihrer Mitglieder, ihre extremistischen Ansichten und auch Indizien zu ihrer Gewaltbereitschaft waren leicht erkennbar. Schon Besucher ihrer Facebook-Seite - mittlerweile geschlossen - haben sich laut Medienberichten - ein einschlägiges Bild davon machen können, dass es sich um Rechtsradikale handelt, die sich möglicherweise nicht auf Verbalgefechte beschränken.

"Rechte Deppen haben eine Bombe gebaut und der Verfassungsschutz wollte einen Arbeitsnachweis liefern"

Es sollen Stichworte wie "Kampf um die Straße" zu lesen gewesen sein sowie hetzerische Aufrufe. Auf der Kommentarspalte im Facebook-Profil wurden "unverblümte Handlungsaufforderungen" gefunden, gegen straffällige Asylbewerber: "Einfach nur Schädel abhauen den (sic!) Dreckspack."

Allerdings: In Kommentarspalten und auf auf Facebook tummeln sich die irrsten Leute. So haben Ermittler zwar relativ leichtes Spiel, um eine Szene und Verdächtige auszumachen. Die Frage ist aber, was den Ausschlag für einen Zugriff gibt.

Auf den ersten Blick wirken die Mitglieder der "Oldschool Society" nicht wie Terrorverdächtige. Ihre Bilder und Aussagen sind oft gewaltverherrlichend und abstoßend, aber solche Menschen finden sich zu tausenden auf Facebook. Auch das die Gruppierung mit einem öffentlichen Facebook-Profil erscheint lässt nicht auf ein hohes Maß an konspirativem Vorgehen schließen. Fraglich ist ob sich hier ein paar Rechte Deppen eine Bombe gebaut haben oder ob der Verfassungsschutz einen Arbeitsnachweis liefern wollte.

Ruhrbarone

Im geschlossenen Chat-Räumen, teilen Sicherheitsbehörden Medien mit, habe der OSS-Zirkel "richtig die Sau rausgelassen". Nahegelegt wird von der Quelle aus den Sicherheitskreisen, dass die Diskussion im Chat "immer konkreter" wurde. Präzisiert wird dies mit der Rede vom "bewaffneten Kampf gegen islamistischen Salafisten" und einem - im Chat geäußerten? - Kalkül, damit öffentliche Akzeptanz für mögliche Anschläge zu erreichen.

Gewaltfantasien, ja. Aber konkrete Anschlagspläne und Anschlagsziele?

Ob die mutmaßliche Terrorgruppe aber auch schon konkrete Anschlagsziele oder Anschlagstermine ins Auge gefasst hatte, "ist indes unklar", so die FAZ.

"Wir hatten wegen ihrer Gewaltfantasien Sorge, dass sie völlig durchdrehen", sagt der Chef des NRW-Verfassungsschutzes NRW, Burkhard Freier. Im Spiegel-Artikel, der Freier wiedergibt, wird er damit zitiert, dass die "Planungen so weit fortgeschritten (waren), dass man eingreifen musste". Zu lesen ist im Bericht des Nachrichtenmagazins: Die Gruppierung habe Anschläge gegen namhafte Salafisten, Moscheen und Asylbewerberunterkünfte "geplant".

Offensichtlich nutzen Medien Spielräume in der Darstellung. Ob die Ermittler tatsächlich konkrete Anschlagpläne gefunden haben, geht aus alledem nicht unmissverständlich hervor. Bei den gestrigen, bundesweiten Hausdurchsuchungen, von denen das SEK berichtet, heißt es deutlich: "Inwieweit die Beschuldigten bereits konkrete Anschlagsziele oder -termine ins Auge gefasst hatten, bleibt den weiteren Ermittlungen vorbehalten."

Pyrotechnische Gegenstände mit großer Sprengkraft gefunden

Sichergestellt wurden nach SEK-Angaben "pyrotechnische Gegenstände mit großer Sprengkraft". Auch das ist ein wenig vage, um einen bevorstehenden Anschlag zu begründen, aber immerhin ein Indiz, dass die Aktion Hausdurchsuchung auf jeden Fall rechtfertigt. Zusammen mit den Zeugnissen, die auf Gewaltbereitschaft schließen lassen, und dem ideologischen Hintergrund dürften die Festgenommenen einen schweren Stand vor Gericht haben. Die Anklage "Bildung einer terroristischen Vereinigung" nach §129 a Strafgesetzbuch wäre schwerwiegend genug für längere Haftsstrafen, den Nachweis konkreter Anschlagpläne braucht es dazu nicht unbedingt.

Der Erfolg der gestrigen Aktion ist allein damit schon gegeben. Dass er politisch so ausgeschlachtet wird, zeigt, wie nötig dies für Verfassungsschützer und den Innenminister ist. Daraus zu schließen, dass sie nach dem Versagen im Fall NSU nun gut arbeiten, ist vorschnell und billig. Der erste Fahndungserfolg war in diesem Fall nicht schwer. Interessanter wird es, ob die Behörden weiter auf der Spur bleiben und wie intensiv sich hier ein politischer Wille zeigt. Nun hat man den Kritikern Action vorgeführt, zur Beruhigung.

Doch bleiben Fragen: z.B. warum sich bei "umfangreichen Ermittlungen", welche die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof seit Anfang 2012 wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung eingeleitet hatte, kein Verdacht erhärtet habe, wie der Blogger Patrick Gensing schreibt und diesmal der Fall so ganz anders liegt:

Das aktuelle Vorgehen mit 250 Beamten gegen eine Gruppe, die offen bei Facebook agiert, erscheint zumindest erstaunlich. Ein hartes Vorgehen gegen mutmaßliche Rechtsterroristen ist absolut zu begrüßen, stringent erscheint das Vorgehen der Sicherheitsbehörden aber nicht wirklich, wenn man beispielsweise bedenkt, dass zahlreiche mutmaßliche NSU-Unterstützer noch nicht einmal angeklagt worden sind.

Patrick Gensing

Die Verdächtigen heißt es, waren dumm, aber gefährlich ("Sie gehören nicht zu den intelligentesten, aber zu den gefährlichsten Rechtsextremisten", FAZ; "Personen, die nicht über eine hohe Intelligenz verfügen, sondern eher dumpf sind", NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier). Ist das die Erklärung dafür, dass sie sich so exponierten und den Ermittlungsbehörden quasi die Spuren ins Haus legten?

Exponieren mit Methode

Das Exponieren sei Methode, typisch, erklärt dazu David Schraven, der in der rechtsradikalen Szene recherchiert. Aus seinem Radio-Interview ist zu schließen, dass es erstmal um Aufmerksamkeit und Reputation in der Szene geht, mit dem Hintergedanken der "Rekrutierung". Eine Gruppe zieht Gleichgesinnte an, daraus entwickeln sich Wege und Möglichkeiten zur Radikalisierung.

Man kann beobachten, dass die rechtsradikalen Gruppen, die zu Terrorzellen werden, erstmal legal operieren, legal arbeiten, legal auftreten, offen auftreten. Aus diesen offenen Gruppen spalten sich dann radikale Zellen ab, die Terroranschläge verüben können. Deswegen ist es auf den ersten Blick total seltsam, dass so eine Gruppe offen auftritt mit einen Facebook-Auftritt. Gleichwohl darf man das alles nicht unterschätzen. In diesen Gruppen sind immer Leute drin, die den nächsten Schritt gehen, die weiter radikalisiert werden und dann Menschen umbringen.

Diejenigen, die sich offen bei der Oldschool Society exponierten und damit Haftstrafen riskieren, taten dies aus Reklame- und Rekrutierungsgründen? Bei Dschihadisten würde man sich jedenfalls mit der Antwort zufrieden geben.

Gestiegene Gewaltbereitschaft

Bei den Verdächtigen sind Beziehungen zur Rocker- und Hooliganszene zutage getreten, sowie Hinweise darauf, dass einer von ihnen sich durch die "Hooligans gegen Salafisten" radikalisiert hat. Geht es nach David Schraven, so ist eine größere Vernetzung wahrscheinlich. Das läßt sich auch aus anderen Publikationen herauslesen. Und: Die Hausdurchsuchungen fanden bundesweit statt - in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern.

Der Rechtsextremismus-Experten Hajo Funke warnt vor einer "gestiegenen Gewaltbereitschaft" der rechten Szene. Auch Schraven ist davon überzeugt, dass "Rechtsradikale nicht nur Bier trinken und Quatsch erzählen, sondern teilweise auch zu schweren Anschlägen bereit sind".

Ich hoffe, der Verfassungsschutz arbeitet verdammt gut und ich hoffe, der Verfassungsschutz ist tief in die ganze PEGIDA-Bewegung eingestiegen.