Nachschlag für das NPD-Verbot

Bundesländer halten Frist zur Abgabe weitere Infos über das NPD-Verbots ein. Angesichts neuerlicher Vorfälle fordern Behördenvertreter mit Nachdruck das Verbot der NPD

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Gestern haben die Bundesländer im NPD-Verbotsverfahren mehr Infos über abgeschaltete V-Leute und die "Quellenfreiheit" bei Belegen an das Bundesverfassungsgericht geliefert. Das vom Bundesrat per Post geschickte Material soll am Freitag in Karlsruhe eintreffen. Zugleich wurden Forderungen nach einem NPD-Verbot wieder lauter. Grund dafür ist der Umstand, dass drei Personen der rechtsextremen Gruppe "Oldschool Society" (OSS) zeitweise NPD-Mitglieder oder -Kandidaten waren.

Bei einer bundesweiten Razzia gegen die rechtsextreme Gruppe OSS waren vergangene Woche vier Neonazis verhaftet worden (Oldschool Society: "dumme, aber höchst gefährliche Rechtsextremisten"?). Zwei der unterdessen in Untersuchungshaft sitzenden Personen und ein anderer Verdächtiger waren in der Vergangenheit im Umfeld der NPD aufgefallen. Der mutmaßliche OSS-Chef, Andreas H. aus Augsburg, war einfaches Parteimitglied. Markus W. aus Borna war vor Jahren im nordrhein-westfälischen Düren im NPD-"Ordnerdienst" sowie als Kandidat bei den Kommunalwahlen aktiv. Auch Marcel L. aus Wilhelmsburg bei Ferdinandshof im Landkreis Vorpommern-Greifswald hat in Sachsen als NPD-Kandidat bei den Kommunalwahlen fungiert.

Nach der Razzia gegen die OSS hatte unter anderem Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) den Ruf nach einem NPD-Verbot bekräftigt. Die NPD-Nähe einiger Beschuldigter zeige, wie richtig das NPD-Verbotsverfahren sei, sagte der Minister. Die NPD finanziere sich "zu einem guten Teil aus staatlichen Mitteln. Alleine für 2014 waren das nach dem Parteiengesetz rund 1,4 Millionen Euro - aus Steuergeldern", sagte Pistorius. Dabei sei die Partei im Kern "demokratiefeindlich".

Auch der Neonaziangriff auf eine Gewerkschaftskundgebung in Weimar könnte laut Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) ein weiteres Argument für ein NPD-Verbot sein. Sollte die NPD-Jugend den Überfall angezettelt haben, sei dies ein weiterer Beleg, dass ein NPD-Verbot nötig sei. In Weimar hatten am 1. Mai mehrere Dutzend Neonazis eine Kundgebung des DGB gestört, es war zu Gewalt gekommen. Bei den Tatverdächtigen beschlagnahmte die Polizei auch Utensilien, die Bezüge zur NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) aufweisen. Auch andere Politiker und Parteien forderten daher mehr Nachdruck im NPD-Verbotsverfahren.

Die Länder sollten dem Bundesverfassungsgericht bis zum 15. Mai neue Beweise vorlegen. Insgesamt sollen nun drei Ordner mit hunderten neuer Beweise per Post auf dem Weg zum Gericht sein. Karlsruhe hatte die Antragsteller aufgefordert, diese weiteren Belege für das aggressive und antidemokratische Auftreten der NPD sowie klare Beweise für den Abzug von V-Leuten aus den Führungszirkeln der Partei vorzulegen. Belegt werden solle zudem, dass ehemalige V-Leute nicht nachträglich betreut und die Prozessstrategie der NPD nicht ausgespäht werden.

Ferner müssen die Bundesländer attestieren, dass das NPD-Parteiprogramm und eine Strategieschrift der Partei frei von Einflüssen von V-Leuten sind (Bundesländer sollen für das NPD-Verbot nacharbeiten). Die Länder wollen den Richtern diesbezüglich nun auch die Möglichkeit einräumen, sich hiervon persönlich durch Einsicht in die Akten der Verfassungsschützer zu überzeugen. Hamburgs Innensenator Neumann sagte, man werde "alles tun, um das Verfahren zu gewinnen, dazu gehört auch, für das Gericht die Akten zu öffnen - soweit gesichert ist, dass dadurch keine Menschen in Gefahr geraten. Das wäre im Rahmen des In-Camera-Verfahrens möglich."

Bei diesem Vorgehen sollen Informationen aus den Akten vom Gericht geheim gehalten werden, auch den Prozessbeteiligten gegenüber werden sie nicht preisgegeben. Die NPD könnte also nicht erfahren, wer sie bespitzelt hat. Den ersten NPD-Verbotsantrag 2003 hatte das Gericht abgewiesen, weil die Verfassungsschützer von Bund und Ländern damals auch in der Parteispitze Informanten hatten, ohne dies offenzulegen. Gegen den neuen Verbotsantrag des Bundesrates hatte es deswegen Bedenken gegeben. Bundesregierung und Bundestag hatten sich nicht angeschlossen.

Kritiker befürchten dennoch, dass auch das aktuelle Verbotsverfahren in die "V-Mann-Falle" zu tappen drohe. Dass trotz der seit Jahren anhaltenden gesellschaftlichen und politischen Debatten um die V-Mann-Problematik dennoch so manche Unwissenheit vorherrscht, bewies unlängst der Landeschef der Alternative für Deutschland (AfD) in Sachsen-Anhalt.

In der Debatte um Äußerungen von Björn Höcke zur NPD, wonach nicht alle Mitglieder der NPD Extremisten seien (Pegida oder FDP - Streit in einer Rechtspartei), befand André Poggenburg: "Eines ist doch ganz klar und allgemein bekannt: in der NPD gibt es viele Mitarbeiter des Staates, also Verfassungsschutz, BND etc... Allein schon daher ist die Aussage Höckes leicht nachvollziehbar, will er nicht Staatsdiener als Extremisten betiteln und sich damit ggf. Ärger einhandeln." Dass V-Leute Rechtsextremisten sind, die dem Staat Informationen verkaufen und keineswegs Beamte oder verdeckte Ermittler der Polizeibehörden, schien der AfD-Rechtsausleger nicht zu wissen.