Sieg der Klobürste vor Gericht

Hamburg: Oberverwaltungsgericht erklärt Errichtung von Gefahrengebieten durch die Polizei für verfassungswidrig

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Seit Änderung des Polizeigesetzes im Jahre 2005 hatte die Hamburger Polizei die Möglichkeit, so genannte "Gefahrengebiete" auszurufen. Von dieser Möglichkeit wurde rege Gebrauch gemacht, insgesamt mehr als 40 Mal. Am vergangenen Mittwoch stellte das Oberverwaltungsgericht Hamburg fest, dass diese Praxis mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Das Urteil ist indes noch nicht rechtskräftig.

Bekanntestes Beispiel für ein solches "Gefahrengebiet" ist der Anfang 2014 verhängte Ausnahmezustand über Teile der Hamburger Stadtteile Altona, St. Pauli und Sternschanze (Freie und Polizeistadt Hamburg). Die Absurdität dieses Unterfangens wurde symbolisiert durch eine Klobürste, die es als Zeichen des Widerstands gegen diese Form der Polizeiwillkür bis in die Tagesschau schaffte. Zunächst reduziert auf die Gebiete direkt um die Polizeiwachen, wurde das Gefahrengebiet nach 9 Tagen weggebürstet (Gefahrengebiet weggebürstet).

Konkret heißt Gefahrengebiet: Die Polizei legt eigenständig das Gebiet und die Dauer fest, in der verdachtsunabhängige Personen- und Taschenkontrollen durchgeführt, Platzverweise ausgesprochen oder auch Ingewahrsamnahmen durchgeführt werden können. Sie legt eigenständig fest, wie oft und mit wie viel Personal diese Kontrollen durchgeführt werden. Das alles, um "sehr deutlich (zu) machen, dass die Polizei Hamburg alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wird, um Leib und Leben ihrer Beamten zu schützen", wie sie in einer Presseerklärung vom 3.1.2014 mitteilte.

Eine Anwohnerin, die in der Nacht zum 1. Mai 2011 im Rahmen der Maßnahmen im zum Gefahrengebiet erklärten Schanzenviertel in Gewahrsam genommen und für mehrere Stunden fest gehalten wurde, hatte dagegen geklagt. Ihr Ziel war jedoch nicht persönliche Genugtuung, sondern ein Grundsatzurteil und somit letztendlich die Aufhebung aller Gefahrengebiete erreichen - sozusagen den moralischen Sieg der Klobürste juristisch zu untermauern.

Dem NDR zufolge prüft die Innenbehörde rechtliche Möglichkeiten, gegen das Urteil, das keine Revision zulässt, vorzugehen. Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin und Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, äußerte in einer Pressemitteilung, es sei "allerhand, dass die Polizei in Hamburg Menschen anhand äußerer Merkmale einer bestimmten politischen Gesinnung zuordnet und dann anlasslos kontrolliert". Schneider fordert die sofortige Aufhebung aller Gefahrengebiete.