Showdown in der AfD?

Parteichef Lucke und ein Verein als Auffangbecken für liberal-konservative Mitglieder. Späterer Neustart nicht ausgeschlossen?

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Kurz nach der Wahl in Bremen machten Berichte über Vermutungen von Co-Parteichef Konrad Adam die Runde, Bernd Lucke wolle eine neue Partei gründen (Bremen: Rot-Grün kann weiterregieren - aber ohne Bürgermeister Böhrnsen [Update]) und dieser müsse sich zu diesen Gerüchten endlich erklären. Einige Tage später wird nun bekannt, dass der Mitbegründer und Chef der Alternative für Deutschland (AfD) im Streit zwischen einem (wirtschafts-)liberal-konservativen und dem rechtsaußen Flügel tatsächlich einen Coup plant(e). Lucke will nun offenbar einen Verein als Auffangbecken seiner Getreuen vorstellen, der zugleich später die Ursuppe für einen Neustart einer AfD 2.0 sein könnte.

Der Machtkampf zwischen den Flügeln der AfD (Pegida oder FDP - Streit in einer Rechtspartei) hat sich am Montag weiter zugespitzt. Während in den Medien erste Hinweise auf Luckes Versuch eines Befreiungsschlages durchsickerten, forderte seine Gegenspielerin aus dem national-konservativen Spektrum, Frauke Petry, den AfD-Chef auf, sich von den Plänen der Neugründung einer Partei mit dem Namen "Weckruf" zu distanzieren.

Frauke Petry zieht in den Machtkampf mit Lucke. Bild: Olaf Kosinsky/CC-BY-SA-3.0

Lucke will noch in dieser Woche, möglicherweise schon heute auch über den Umweg eines Hintergrundgespräches mit Pressevertretern in Straßburg, mit jenem "Weckruf" an die Mitglieder versuchen, den rechten Flügel der Partei zu isolieren. So will er offenbar auch die Vertreter aus dem gemäßigten Lager der AfD auf seine Seite ziehen, wurde am Montag aus Parteikreisen und über die Medien bekannt. Sollte ihm dies nicht gelingen, will der AfD-Gründer demnach nach dem Bundesparteitag Mitte Juni in Kassel gemeinsam mit anderen Vertretern seines Parteiflügels aus der AfD austreten.

Mit einem Schreiben von Lucke und vier weiteren Abgeordneten des Europaparlaments sollen Medienberichten zufolge alle Anhänger des liberaleren Parteikurses aufgefordert werden, der Initiative beziehungsweise dem Verein "Weckruf 2015" beizutreten. Die Unterzeichner, darunter auch der zurückgetretene Parteivize Hans-Olaf Henkel, appellieren auch an die Gegner des national-konservativen Flügels, die AfD nicht zu verlassen, sondern mit dem Beitritt in der Initiative ein Zeichen der Geschlossenheit zu setzen.

Nachdem offenbar, wie die FAZ berichtet, die Bundesgeschäftsstelle der AfD Lucke daran gehindert haben soll, auf das Email-System zuzugreifen, um den Brief zu verschicken, hat ihn nun die Zeitung im Wortlaut veröffentlicht:

Unser Engagement für eine gute Sache darf nicht für die Zwecke derer missbraucht werden, die aus der AfD eine radikale, sektiererische Partei von Wutbürgern machen möchten. Wir müssen uns gegen diese Versuche wehren, wenn wir eine glaubwürdige Alternative für eine politische Erneuerung sein wollen.

Aber diese Alternative bieten wir nicht, wenn wir tröpfchenweise und unbemerkt die AfD verlassen. Und noch immer besteht die AfD weit überwiegend aus vernünftigen, anständigen und motivierten Mitgliedern, von denen viele sich ähnliche Sorgen machen. Wir dürfen uns nicht vereinzeln lassen.

Deshalb haben wir uns in der Initiative Weckruf 2015 zusammengefunden. Deshalb bitten wir Sie: Treten Sie nicht aus, sondern schließen Sie sich unserer Initiative an, damit wir gemeinsam, überlegt und koordiniert handeln können. Vor einer Entscheidung sollten wir abwarten, welche Weichen auf dem Bundesparteitag am 13. Juni gestellt werden.

Aus dem Brief an die Mitglieder der AfD

Sollte jene Gruppe auf dem Bundesparteitag Mitte Juni sich nicht gegenüber dem rechtsaußen stehenden Flügel behaupten können, könnte der Verein als Grundlage für die Gründung einer neuen Partei dienen. Jener Schritt dürfte ein neuer Versuch Luckes sein, die AfD in seinem Sinne zu erhalten. Erst kürzlich hatte das Bundesschiedsgericht der Partei einen Mitgliederentscheid, der Lucke auch zur Klärung der innerparteilichen Fronten dienen sollte, aus formalen Gründen untersagt.

Petry, die Chefin des sächsischen Landesverbandes und Stellvertreterin Luckes im Bundesvorstand, stellte ihrem Parteichef unterdessen ein Ultimatum, da sie die Berichte über eine mögliche Parteineugründung durch Lucke als schädlich ansieht. Sie forderte von diesem ein Dementi der Berichte. Lucke soll zuvor schon Petry zu einer Aussprache eingeladen haben. Das Treffen kam aber dem Vernehmen nach nicht zustande, weil Petry den Vorsitzenden des AfD-Landesverbandes in Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, an ihrer Seite haben wollte. Pretzell zählt zu Luckes größten Kritikern.

Henkel hatte erst am Wochenende mit drastischen Äußerungen im "Spiegel" gegen den rechtsaußen stehenden Parteiflügel ausgeteilt. "Wir müssen die Partei von diesen Elementen säubern", hatte er im rüden Tonfall gesagt. Einen Kompromiss mit dem äußert rechten Rand der AfD sah Henkel demnach als unmöglich an: "Tausende Mitglieder leiden unter diesen Leuten. Sie sagen: Bitte, vertragt euch. Aber sie begreifen nicht, dass das nicht geht."

Allerdings gilt Henkel auch in Teilen des (wirtschaft)liberal-konservativen Flügels als umstritten. Ob Luckes und Henkels "Weckruf" also die Lage beruhigt oder die Flügelkämpfe nur noch mehr befeuert? Medienvertreter hatten angesichts der langanhaltenden Querelen schon mehrfach prognostiziert, dass die AfD sich selbst zerlegt respektive spaltet. Dies dürfte unterdessen wohl immer mehr zur Realität werden. Immerhin also eine Gemeinsamkeit - wenn auch nur beim Läuten des Totenglöckchens.