ILO: Weltweit weniger sichere Arbeitsverhältnisse

Protest von Arbeiter in Brasília, 2013. Bild: Marcello Casal/CC BY 3.0 BR

Der neue Bericht der Arbeitsorganisation: Nur mehr jeder vierte Arbeitnehmer ist durch einen vertraglichen Vollzeit-Arbeitsplatz abgesichert

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Weltweit gibt es einen großen Trend, der zunächst ganz im Sinne der Angebotsseite, der Produzenten und Dienstleister, verläuft: immer weniger unbefristete Arbeitsverträge, immer mehr prekäre Arbeitsverhältnisse, mehr Teilzeitarbeit, mehr Selbstständige, für die keine Sozialleistungen zu entrichten sind.

Der gegenwärtige globale Arbeitsmarkt ist von einer unsicheren Situation für die Arbeitnehmer geprägt, stellt der neue Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO fest.

Die Zeit des "Standardmodells" der Beschäftigung - festgesetzter Lohn bzw. festes Gehalt, Vollzeit mit einem Arbeitsvertrag, der möglichst unbefristet ist - geht vorbei, lautet eine Kernaussage. Weniger als ein Viertel der im weltweiten Arbeitsmarkt Beschäftigten ist unter den Bedingungen des Standardmodells angestellt, schätzt die Organisation, die sich auf Daten stützt, die 84 Prozent der globalen Arbeitnehmerschaft umfassen.

Drei Viertel sind entweder auf Basis eines zeitweiligen oder kurzfristigen Arbeitsvertrages oder ohne Vertrag, "informell", in "selbstverantwortlichen Arrangements" oder in unbezahlten "Familienjobs" beschäftigt.

Das habe Auswirkungen auf die Politik, die den sozialen Frieden im Auge behalten sollte, ist als Mahnung dem Bericht zu entnehmen. Die mittlerweile wohl zu den Privilegierten gehörenden Festangestellten verdienen im Schnitt sehr viel mehr und die berüchtigte Schere klafft immer weiter auseinander.

Die Ungleichheit der Einkommen wächst, wie auch die Produktion steigt, aber es wäre an der Zeit, darüber nachzudenken, der schlechtbezahlten Masse mehr Mittel für den Konsum in die Hand zu geben, also an die Nachfrage zu denken, so die Aufforderung auch in diesem ILO-Bericht.

Die Beschäftigten im prekären Bereich, dazu zählen auch bestimmte Formen der Selbstständigkeit, könnten noch auf keine echte, politisch wirksame Unterstützung zählen, die Angestellte und Arbeiter traditionell in Gewerkschaften erfahren. Daher sei, insbesondere, was Absicherungen gegen Altersarmut oder bei Arbeitslosigkeit anbelangt, die Politik gefordert, um hier über systematische Verbesserungen nachzudenken.

Wie immer liefert auch der aktuelle ILO-Bericht einen Panorama-Blick auf eine globale Lage; dass es zwischen Ländern und Regionen große Unterschiede gibt, wird lediglich an Schlaglichtern erkennbar - so etwa, wenn es heißt, dass in Südasien und in den Subsahara-Staaten der Anteil der Festangestellten bei rund 20 Prozent liegt.

Es gebe auch gegenläufige Tendenzen, merkt dazu die SZ für den Fall Deutschland an: Seit Mitte der Nullerjahre würden wieder mehr Normaljobs entstehen. Bei der ILO hofft man, dass künftig auch in anderen Ländern wieder mehr Stellen entstehen, die den Arbeitnehmern mehr Sicherheit bieten.

Geht es nach den Berichtsverfassern, so haben Chile, China und Brasilien damit begonnen, auf besseren sozialen Schutz für die Selbstständigen ("self-employed") zu achten. Bislang deute alles darauf hin, dass dies die Arbeitslosenquote nicht weiter steigen lasse.