LuxLeaks-Aufdeckungs-Journalist im Visier der Gerichte

Edouard Perrin soll in Luxemburg der Prozess gemacht werden - Journalistenverbände protestieren

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Bereits 2012 hatte der französische Journalist Edouard Perrin über "steuerschonende" Praktiken in Luxemburg berichtet. Seine Dokumentation über Steueroasen wurde im französischen Fernsehen ausgestrahlt. Durch Perrins Arbeit kam erstmals etwas Licht in die komplizierten Konstruktionen internationaler Konzerne, welche über Luxemburg Steuerzahlungen in Milliardenhöhe vermeiden konnten.

Mit vertraulichen Dokumenten der Beraterfirma PricewaterhouseCoopers, die der Journalistenvereinigung "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) zugespielt worden waren, konnten schließlich die "Steuervermeidungsschemata" (Prem Sicca) dargestellt werden. Insgesamt waren rund 80 Journalisten aus über zwanzig Ländern mit der Sichtung und Auswertung des Materials beschäftigt. 2014 wurde die Causa unter dem Namen LuxLeaks publik und beschäftigt heute noch die EU-Behörden. Seit 1. Mai soll Amazon, vermutlich als Reaktion, die deutschen Verkäufe nicht mehr in Luxemburg, sondern in Deutschland versteuern.

Der damalige Hinweisgeber, ein ehemaliger Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers, gibt an, aus Gewissensgründen gehandelt zu haben, und wartet derzeit in Luxemburg auf seinen Prozess. Nun soll auch der investigative Journalist Edouard Perrin, der 2012 bereits einige Hinweise aus Luxemburg hatte, auf die Anklagebank. Die Luxemburger Justiz geht dabei scharf vor. Perrin werden die Verletzung von Betriebsgeheimnissen ebenso wie Diebstahl vorgeworfen. Die französische Sektion der Vereinigung Europäischer Journalisten (AEJ) zitiert in ein einer Mitteilung die Vorwürfe der Luxemburger Justitz:

Domestic theft, violation of professional secrecy, violation of business secrets, laundering and fraudulent access to a system of automatic data treatment.

Die AEJ kritisiert das Vorgehen des Luxemburger Ermittlungsrichters und sieht die Pressefreiheit gefährdet. Wie viele Skandale würden ohne derartige journalistische Aufdeckungsarbeit im Verborgenen bleiben, fragen sich die Verbände? Auch der ICIJ bemängelt das Vorgehen gegen Perrin und berichtet, dass sich der frühere Luxemburger Premier und heutige Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker durch die LUXLeaks-Affäre geschwächt gefühlt hätte.

EU-Richtlinie mit Haken

Das Vorgehen der Justiz gegen Perrin gibt auch einer seit Monaten schwelenden Diskussion über eine geplante EU-Regelung zum Schutz von Betriebsgeheimnissen Auftrieb. Diese könnte es Hinweisgebern und investigativen Journalisten in Zukunft noch schwerer machen, fragwürdige Praktiken publik zu machen.

Wie Telepolis berichtete (Whistleblower und investigative Journalisten bald im Abseits?), wird auf EU-Ebene aktuell eine Richtlinie vorbereitet, die den Schutz von Firmengeheimnissen besser gewährleisten soll und unterschiedliche Länderregelungen harmonisieren will. Der Haken dabei ist, dass nahezu alles unterhalb der ohnehin geschützten Patente, Muster, etc. als "Geschäftsgeheimnis" interpretiert werden könnte. Journalisten, die manchmal hunderte oder tausende Seiten Material zugespielt bekommen, kämen mit der Richtlinie unter starke Bedrängnis, so die Befürchtung in der Branche. Man müsse vorab alle rechtlichen Fragen klären und dürfe wohl vieles gar nicht mehr aufgreifen. Die Richtlinie sei völlig praxisfremd.

Staatliche Willkür gegen missliebige Journalisten?

Otmar Lahodynsky, Präsident der AJE, führte in einer offiziellen Protestnote die Bedenken der Journalisten aus. Befürchtet wird unter anderem, dass nationalen Gerichten zu viel Spielraum gegen Journalisten eingeräumt wird:

We consider that recent amendments of the regulation in European Parliament related to media freedom and freedom of expression and the protection of journalistic sources are not sufficient. Some provisions leave open too much room for national courts which may allow prosecutions or even convictions of journalists and whistleblowers for unlawful disclosure of 'trade secrets'.

Auf EU-Ebene betont man, dass die Pressefreiheit und der Schutz von Hinweisgebern, die im Sinne des öffentlichen Interesses handeln würden, nicht durch die geplante Richtlinie gefährdet wären. Ein im Zuge der Skandale SwissLeaks und LuxLeaks versprochenes EU-Gesetz zum besseren Schutz von Hinweisgebern lässt allerdings nach wie vor auf sich warten. Die geplante Richtlinie zum Schutz von Firmengeheimnissen wird dahingegen mit großer Eile vorangetrieben.