Die Avengers im Kampf gegen das Automatische Subjekt

Avengers 2 - Age of Ultron. Bild: © Marvel Studios

Was uns Kassenschlager wie "Avengers: Age of Ultron" über die Gesellschaft erzählen, die sie hervorbringt. Kulturindustrie und Krise - Teil 1

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I've got no strings to hold me down
to make me fret, or make me frown
I had strings, but now I'm free
There are no strings on me!

Ultron

Wieso können Hollywood-Blockbuster wie The Avengers auch im 21. Jahrhundert immer noch ein Millionenpublikum fesseln? Jedes aufwendige Videospiel bietet inzwischen bessere - und zudem interaktive - Action als die ohnehin größtenteils am Computer entstandenen Spektakel der spätkapitalistischen Filmindustrie, deren Ästhetik sich immer mehr den zur dominanten kulturindustriellen Medium aufsteigenden Videospielen annähert (Spielend in die Apokalypse). Die Story kann es ja wohl auch nicht sein, die in ihrer simplen und vorhersehbaren Struktur zumeist hinter jedes im Bahnhofsbuchhandel erhältliche Groschenheftchen zurückfällt.

Und dennoch lohnt die Auseinandersetzung mit diesem scheinbar unkomplizierten Popcorn-Kino, da dessen Produkte - gerade in den Sparten der Science Fiction oder der Fantasy - viel mehr über den Spätkapitalismus aussagen, als es deren Macher und Finanziers oftmals intendieren. In diesem zumeist unbewusst eingewobenen Subtext kommen die absurden und unmenschlichen gesellschaftlichen Zustände der Jetztzeit in codierter Form zum Ausdruck, die der stromlinienförmige Betrieb der Kulturindustrie für gewöhnlich zu legitimieren versucht - und sei es durch die Leugnung jedweder Alternativen. Es sind somit oftmals diejenigen Werke der Kulturindustrie, die vorgeblich in die Zukunft oder in die Vergangenheit blicken, in denen das zum Vorschein kommt, was im öffentlichen Diskurs, in der veröffentlichten Meinung kaum offen diskutiert wird.

Die spätkapitalistische Kulturindustrie schwitzt die Tabus, das kollektive Unbewusste der Gesellschaft in ihren Machwerken in einer "codierten", unbewusst - und unreflektiert! - vom Publikum aufgenommen Form wieder aus. Und es ist genau dieser in die aufwendigsten Produkte der Kulturindustrie unbewusst eingewobene Subtext, der ihre Faszination und Anziehungskraft auf ein Massenpublikum ausmacht. Hier kommt selbstverständlich nur die massenpsychologische Funktion der Kulturindustrie und ihrer Massenmedien als eine Art umgekehrter Psychoanalyse (Leo Löwenthal) zum Ausdruck. Während die Psychoanalyse bemüht ist, unbewusste psychische Vorgänge der bewussten Reflexion zuzuführen, verhält es sich bei den Machwerken der Kulturindustrie genau umgekehrt: Sie drängt Erkenntnisse und Einsichten über Mensch wie Gesellschaft zurück auf die Ebene des Unbewussten und Irrationalen, die entsprechend - oftmals vermittels einer Personifizierung - "codiert" werden.

Hierbei wird etwas Inneres, was (widersprüchlicher) Teil der Persönlichkeit oder der Gesellschaft ist, nach außen projiziert. Das, was durch solche Projektionen "abgesondert" wird, soll somit nicht mehr als Teil dessen verstanden, was man ist, sondern es wird als ein äußerer Gegensatz imaginiert, um sich selber oder die Gesellschaft als etwas im Prinzip Harmonisches und Widerspruchsfreies vorstellen zu können. Zumeist verdichten sich diese durch Projektionen abgestoßenen inneren Widersprüche vermittels der besagten Personifizierung in entsprechenden fiktiven Charakteren, wie eben Ultron im jüngsten Avengers-Film oder dem Joker in dem Klassiker The Dark Knight. Und selbstverständlich bestehen hier sehr enge Parallelen zwischen der unbewussten Projektionsleistung der Kulturindustrie, die solche Bösewichter wie Ultron und den Joker hervorbringt, und der Personifizierung von Krisenursachen durch die Krisenideologie der extremen Rechten, die ja die Ursachen der kriegsbedingten Verwerfungen gerne auf bestimmte Menschen- oder Bevölkerungsgruppen projiziert (Ausländer, Muslime, Juden, etc.). Auch bei der faschistischen Ideologie handelt es sich somit um eine umgekehrte, negative Psychoanalyse, die den gestiegen Abstieg ihrer Anhänger in irrationale Wahngebilde forciert.

The Dark Knight. Bild: © 2008 Warner Bros.

Gesellschaftliches in bestimmten Charakterdarstellungen zu artikulieren, ist keine neuartige Kulturtechnik. Die unbewussten Personifizierungen gesellschaftlicher Widersprüche in bestimmten Charakteren der Kulturindustrie haben ihre kulturellen Vorläufer in der bewussten allegorischen Darstellung, die - anknüpfend an die Antike - bereits im frühneuzeitlichen Europa populär wird. Justitia als Symbolfigur der Rechtsprechung, die Muse als Personifizierung der Kulturleistungen oder die mit dem Nationalismus im 19. Jahrhundert aufkommenden Frauengestalten wie die Germania oder Marianne, die die entsprechenden Nationen personifizieren sollen, sind allgemein bekannt.

Bedürfnis nach allmächtigen Heilsfiguren

Auch in den USA finden sich solche Personifikationen des Nationalen, etwa in Lady Liberty oder Uncle Sam. Den "missing link" zwischen nationaler und kulturindustrieller Personifikation stellt zweifelsohne die Marvel-Figur Captain America dar, die während des Zweiten Weltkrieges zu Agitationszwecken als Verkörperung der amerikanischen Werte ersonnen wurde, um hiernach ein Eigenleben als kulturindustrielle Figur und Marke auf den Medienmarkt zu führen. In vielen Modifikationen dieser Figur bemühte sich Marvel, den Wandel des Selbstverständnisses Amerikas zu entsprechen.

Captain Amerika wurde so zu einer Symbolfigur einer gesellschaftlichen Tendenz - des Wandels der US-Identität. Bereits 2014 kündigte Marvel beispielsweise an, dass künftig ein Afroamerikaner - Falcon - in die Rolle des Captain America schlüpfen werde. Hierin spiegeln sich selbstverständlich die demographischen Verschiebungen in den Vereinigten Staaten wieder, wo die Nachkommen der europäischen Einwanderer nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit stellen.

Ähnliches lässt sich für viele weitere Figuren aus dem Superhelden-Genre konstatieren: Spiderman ist die Verkörperung der Adoleszenz und der Mühen des Erwachsenwerdens. Hulk befindet sich im ewigen Kampf um die Sublimierung oder Verdrängung seiner Triebregungen, wie er in Freunds "Das Unbehagen in der Kultur" als ein tragischer Zug des - bisherigen - Zivilisationsprozesses dargelegt wurde. Je dichter die kapitalistische Vergesellschaftung, je größer die Triebversagung, zu der sie die Menschen zwingt, desto stärker staut sich die quasi animalische Wut an gegen den Zivilisationsprozess an - bis dann der kleinste Funke zur Eruption des Hasses führt.

Die klassische DC-Figur Superman stellt hingegen einen Ausfluss der Säkularisierung des Göttlichen im Spätkapitalismus dar, die generell das Superhelden-Genre charakterisiert: Die jenseitige Allmacht Gottes, die jahrtausendelang für das Elend der Welt entschädigen sollte, weicht der kommerziellen Verkörperung diesseitiger Omnipräsenz. Auf den allmächtigen Angestellten Clark Kent können frustrierte Angestellte ihre infantilen Allmachtsphantasien projizieren, um so die eigene Ohnmacht im heteronomen Arbeitsalltag erträglicher zu gestalten.

Mit anderen Worten: Viele populäre Schöpfungen der Kulturindustrie konnten ihren Siegeszug auf dem Medienmarkt gerade deswegen antreten, weil sie die Widersprüche, Verwerfungen und das Leiden unterm Kapital unbewusst reflektieren, die für gewöhnlich im öffentlichen Diskurs kaum thematisiert werden. Deswegen erlebt das Gerne der allmächtigen Superhelden gerade in den gegenwärtigen Krisenzeiten, da den Menschen ihre Ohnmacht gegenüber der gesamtgesellschaftlichen Eigendynamik des Kapitalverhältnisses nur zu bewusst wird, diesen großen Popularitätsschub. Je stärker Gefühle der Heteronomie und Ohnmacht um sich greifen, desto größer das irrationale Bedürfnis nach allmächtigen Heilsfiguren.

Das Marvel-Imperium bemühte sich zudem immer wieder, in seinen Produkten auch bewusst gesellschaftliche Prozesse und Probleme zu thematisieren. Die X-Men stellen selbstverständlich auch eine Auseinandersetzung mit dem allgegenwärtigen Rassismus in der amerikanischen Einwanderungsgesellschaft dar, die in dem Film Days of Future Past in der Warnung vor einer faschistischen Hightech-Dystopie gipfelte, in der alles von der Norm Abweichende gnadenlos ausgelöscht wird. Freiheit gegen Sicherheit: Dieser Scheinkampf, der in den Zentren des kapitalistischen Weltsystems seit der Ausrufung des "War on Terror" geführt wird, ist Thema des Comic-Epos "Civil War" (wird gerade verfilmt, Kinostart Mai 2016), in dessen Verlauf Captain America, der gegen den Milliardär und Sicherheitsfanatiker Ironman die Sache der bürgerlichen "Freiheit" vertritt, zu Tode kommt, um dann von Falcon beerbt zu werden.

Ohnmacht gegenüber einer blindwütig rasenden technischen Revolution

Welche spätkapitalistischen Widersprüche werden nun in Avengers: Age of Ultron thematisiert? Und was personifiziert der Bösewicht Ultron, die künstliche Intelligenz, die unter dem Vorwand des Herstellens von "Law and Order" die Menschheit auszulöschen trachtet? Zuerst steht Ultron für eine außer Kontrolle geratene Technik, die sich gegen die Menschen richtet, die sie hervorbringen.

Avengers 2 - Age of Ultron. Bild: © Marvel Studios

Der Menschheit ergeht es unterm Kapital wie dem berühmten Zauberlehrling, der die Geister nicht mehr kontrollieren konnte, die er herbeirief. Sind sie erst einmal im Prozess der Kapitalverwertung voll inkorporiert, scheinen sich seine größten Errungenschaften und Erfindungen gegen den Menschen zu wenden, zu einer feindlichen und unüberwindlichen Macht anzuwachsen, die durch marktvermittelte objektive "Sachzwänge" allen Lohnabhängigen das Leben zur Hölle machen und die Vernichtung der ökologischen und sozialen Grundlagen der menschlichen Zivilisation forcieren.

Die Technik - insbesondere die Sicherheitstechnik - scheint längst von einem bösartigen Eigenleben beseelt, sie scheint bereits eine abstrakt-reale "künstliche" Vernichtungsintelligenz ausgebildet zu haben, die die Menschen zu getriebenen "Marionetten" einer Dynamik macht, die kaum noch kontrollierbar scheint. Der von allen Fesseln befreite Ultron ist keine Zukunftsvision, er ist längst Realität. Dieses nur zu berechtigte Gefühl der Ohnmacht gegenüber einer blindwütig rasenden technischen Revolution - es bildete die Grundlage für unzählige Werke der Kulturindustrie: von Terminator bis Matrix.

Schon Adorno beobachtete in dem Verhältnis der kapitalistischen Gesellschaft zur Technik etwas "Übertriebenes, Irrationales, Pathogenes", wie es in seiner berühmten Schrift "Erziehung nach Auschwitz" heißt:

Das hängt zusammen mit dem "technologischen Schleier". Die Menschen sind geneigt, die Technik für die Sache selbst, für Selbstzweck, für eine Kraft eigenen Wesens zu halten und darüber zu vergessen, dass sie der verlängerte Arm der Menschen ist. Die Mittel - und Technik ist ein Inbegriff von Mitteln zur Selbsterhaltung der Gattung Mensch - werden fetischisiert, weil die Zwecke - ein menschenwürdiges Leben - verdeckt und vom Bewusstsein der Menschen abgeschnitten sind.

Adorno

Der technikgläubige Charakter kann also stundenlang über das Unibody-Aliminumgehäuse des neusten Macbooks fachsimpeln, weil das, was er beruflich mit dem Apple-Rechner anstellt (es wird wohl etwas mit Medien oder Werbung zu tun haben), sich seinem Willen entzieht und sicherlich nicht dazu beiträgt, ein menschenwürdiges Leben zu realisieren.

Dabei ist der Fetischismus, den Adorno hier anspricht, mehr als ein bloßer "Schleier", sondern bittere Realität: Die Insassen der kapitalistische Tretmühle halten die Technik deswegen für einen Selbstzweck, für eine "Kraft eigenen Wesens", weil sie ihnen als eine äußere, von einer destruktiven, selbstzweckhaften Eigendynamik beseelte Kraft entgegen tritt, die sich der rationellen Kontrolle der Gesellschaftsmitglieder entzieht. Ultron herrscht längst über uns, er kommt alltäglich seinem Ziel der Menschheitsvernichtung ein Stückchen näher. Die Fäden, die er zu zerreißen vorgibt: Wir hängen an ihnen.

Es ist die für den Kapitalismus charakteristische engste Verzahnung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts mit der konkurrenzermittelten Warenproduktion, die der Technik ein subjekthaftes Eigenleben zu verschaffen scheint. Die Technik, die ja laut Adorno "der verlängerte Arm der Menschen" sei, gerinnt zu einer solch destruktiven äußeren Macht, weil sie das treibende Moment bei der uferlosen Akkumulationsbewegung des Kapitals bildet, die den Wesenskern der kapitalistischen Produktionsweise nun mal bildet. Mittels technischer Innovationen setzten sich Produzenten auf den Märkten gegen ihre Konkurrenten durch, neue Technologien eröffnen neue Märkte und Verwertungsfelder, sie ermöglichen die Steigerung der Umsätze und des Absatzes, wie auch die permanente Umwälzung der gesamten Produktionsbasis.

Der (zivile) technische Fortschritt innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise dient somit vor allem dem selbstzweckhaften Ziel der Kapitalverwertung: Aus Geld mehr Geld machen. Nahezu alle technologischen Innovationen, die von Marktsubjekten in ihrer Konkurrenzsituation umgesetzt werden, dienen letztendlich dem Ziel der Maximierung der Profite. Und es sind eben diese der Verwertungslogik unterworfenen Innovationen der voneinander isolierten Marktakteure, die auf gesamtgesellschaftlicher Ebene eben jene Eigendynamik der Technik entfachen, die zu einem Subjekt zu gerinnen scheint, das den uferlosen und selbstzweckhaften Automatismus der höchstmöglichen Kapitalverwertung exekutiert - ohne Rücksicht auf Mensch und Natur (Die äußere Schranke des Kapitals).

Die Technik mag der "verlängerte Arm" des Menschen sein, wie Adorno bemerkte, doch in der absurden fetischistischen Vergesellschaftungsform des Spätkapitalismus, in der die von dem Verwertungszwang des Kapitals getriebene Technik über die Menschen zu herrschen scheint, entfaltet dieser verlängerte Arm ein schizophrenes Eigenleben: Seine Bewegung gehorcht nur noch dem Willen des auf uferlose Selbstvermehrung abzielenden Kapitalverhältnisses, das gesamtgesellschaftlich als ein automatisches Subjekt agiert. Mensch und Natur spielen innerhalb dieser Verwertungsbewegung keine Rolle. Deswegen verbreiten Erfindungen, die die Arbeitszeit verkürzen oder mühevolle Arbeiten überflüssig machen, unter den Lohnabhängigen Angst und Schrecken. Deswegen führen alle Produktivitätsfortschritte nicht zur Schonung der natürlichen Ressourcen, sondern zu deren beschleunigter Vernichtung.

Im Endeffekt befinden sich die Avengers in ihrem neusten Film in einem Kampf gegen das Automatische Subjekt - und Ultron verkörpert gerade diese durch Technologie immer weiter beschleunigte Verwertungsbewegung und Widerspruchsentfaltung des Kapitalverhältnisses als gesamtgesellschaftliches Automatisches Subjekt. Mit diesem absurd scheinenden Begriff versuchte Marx die Absurdität und Widersprüchlichkeit der kapitalistischen Produktionsweise auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zu fassen.

Zum einen nimmt der Automatismus der höchstmöglichen Kapitalakkumulation marktvermittelt eine "subjektartige" Eigendynamik auf gesamtgesellschaftlicher Ebene an; zum anderen sind alle Aktionen der Marktsubjekte, all ihre Innovationsfreude und Erfindungsgabe nur darauf gerichtet, diesen Automatismus der Kapitalverwertung zu optimieren. Letztendlich kann unterm Kapital nur derjenige als Subjekt sich imaginieren, der den öden Automatismus der Kapitalverwertung aufrecht erhält. Der einzelne Kapitalist funktioniert laut Marx nur als "personifiziertes, mit Willen und Bewußtsein begabtes Kapital".

Marx hat diesen gespenstisch "okkulten" Zustand der Fremdbestimmung der Menschen durch das mit einem Eigenleben versehene Kapital in einer berühmten Passage des Kapitals auf den Punkt gebracht:

Die selbständigen Formen, die Geldformen, welche der Wert der Waren in der einfachen Zirkulation annimmt, vermitteln nur den Warenaustausch und verschwinden im Endresultat der Bewegung. In der Zirkulation G - W - G funktionieren dagegen beide, Ware und Geld, nur als verschiedne Existenzweisen des Werts selbst, das Geld seine allgemeine, die Ware seine besondre, sozusagen nur verkleidete Existenzweise. Er geht beständig aus der einen Form in die andre über, ohne sich in dieser Bewegung zu verlieren, und verwandelt sich so in ein automatisches Subjekt. Fixiert man die besondren Erscheinungsformen, welche der sich verwertenden Wert im Kreislauf seines Lebens abwechselnd annimmt, so erhält man die Erklärungen: Kapital ist Geld, Kapital ist Ware. In der Tat aber wird der Wert hier das Subjekt eines Prozesses, worin er unter dem beständigen Wechsel der Formen von Geld und Ware seine Größe selbst verändert, sich als Mehrwert von sich selbst als ursprünglichem Wert abstößt, sich selbst verwertet. Denn die Bewegung, worin er Mehrwert zusetzt, ist seine eigne Bewegung, seine Verwertung also Selbstverwertung. Er hat die okkulte Qualität erhalten, Wert zu setzen, weil er Wert ist. Er wirft lebendige Junge oder legt wenigstens goldne Eier.

Marx

Entscheidend ist hierbei, dass das Automatische Subjekt kein statischer Zustand, kein "Ding", sondern uferlose Bewegung ist. Es ist permanenter Formwandel, ein gesellschaftlichen Verhältnis, das durch das Agieren der Marktsubjekte unbewusst hervorgebracht wird, sich "hinter dem Rücken der Produzenten" konstituiert (Marx) und ihnen somit als die destruktive Eigendynamik gegenübertritt, die solche Figuren der Kulturindustrie wie Ultron oder den Joker (Batman, The Dark Knight) hervorbringt.

Wir leben im Kapitalismus, doch niemand hat das Kapital je gesehen, es handelt sich beim Automatischen Subjekt auch um eine Realabstraktion. Waren und Geld sind folglich nur dann Kapital, wenn sie von dieser "okkulten" Verwertungsbewegung des Automatischen Subjekts erfasst werden. Nicht der Mensch, sondern der Wert ist "hier das Subjekt eines Prozesses", in dem die Menschen nur als Charaktermasken ihrer jeweiligen ökonomischen Funktion fungieren.

Die Insassen der spätkapitalistischen Tretmühle, die sich so gerne als selbstherrliche Subjekte imaginieren, sind folglich gar nicht "Herr im eigenen Haus": Der Automatismus der Verwertungsbewegung des Kapitals unterwirft die Gesellschaft seiner "subjektlosen Herrschaft" (Robert Kurz). Der absurde fetischistische Gesellschaftszustand, bei dem eine unbewusst und markvermittelt von den Marktsubjekten hervorgebrachte Verwertungsdynamik über diese in Form des Automatischen Subjekts herrscht, lässt erst die Absurditäten der Kulturindustrie aufkommen, bei denen letztendlich dieser reale gesellschaftliche Fetischismus personifiziert wird: Sobald die Technik von der Verwertungsdynamik erfasst wird, scheint sie somit sich gegen den Menschen zu wenden - und genau diese reelle Tendenz bringt Ultron zum Ausdruck.

Ultron ist somit nur ein Produkt der besagten negativen oder umgekehrten Psychoanalyse der Kulturindustrie, bei der Widersprüche kapitalistischer Vergesellschaftung ins Unbewusste verschoben, personifiziert und hierdurch auf ein "Außen" projiziert werden, um die Gesellschaft weiterhin als potenziell widerspruchsfrei darstellen zu können. Eine unbewusst von den Menschen hervorgebrachte gesellschaftliche Dynamik, die über sie herrscht, wird so sichtbar gemacht.

Die Parallelen zwischen Filmhandlung und Realität lassen sich aber auch auf der konkreten Handlungsebene finden. Dem größenwahnsinnigen Vorhaben des Milliardärs Ironman, der an einer künstlichen Intelligenz für seinen Militärisch-Industriellen-Komplex herumdoktert, entspricht die Google-Religion des "Transhumanismus" (2014: Drei Schritte zum "Transhumanismus"), deren Anhängerschaft die Niederkunft einer "Singularität" getauften KI herbeisehnt - und ihr tatkräftig vorarbeitet. Das Automatische Subjekt würde sich so zu einem expliziten Bewusstsein, zu einer künstlichen "Intelligenz", verdichten.

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