Die Lady mit dem Lampenschirm

Nazi Concentration Camps - Ohrdruf

Geschichte eines Entlastungsmythos

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A sort of walking miracle, my skin
Bright as a Nazi lampshade,
My right foot

A paperweight,
My face a featureless, fine
Jew linen.

(Sylvia Plath, "Lady Lazarus")

Wer sich für kulturgeschichtliche Zusammenhänge interessiert, hat besser keine Berührungsängste. Ein seltsames Konglomerat liegt hier vor mir: Der Buchenwald-Report; A Foreign Affair von Billy Wilder; Photos von Schrumpfköpfen und tätowierter Menschenhaut; Werke von Jorge Semprùn, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels; Bilder von jungen Frauen in Unterwäsche und Bikini; ein Porno namens Prisoner of Paradise; Eisenhowers Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg; der Film Der Vorleser, für den Kate Winslet einen Oscar bekam; die Urteilsbegründung des Augsburger Landgerichts von 1951; eine von der famosen Bundesprüfstelle indizierte Liebhaberausgabe der Ilsa-Trilogie (streng limitiert und durchnummeriert); Eugen Kogons Der SS-Staat; Joseph Comos "erotischer Roman" The Bitch of Buchenwald, der ursprünglich zwei Dollar gekostet hat und jetzt zu Phantasiepreisen gehandelt wird. Was all das verbindet? Die Antwort: Ilse Koch, die einmal als die schlimmste Frau der Welt galt. Oft geht sie verschlungene Wege, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Versuchen wir, einem davon zu folgen.

Gebaut, um zu bleiben

"Erlauben Sie mir, Ihnen zu erzählen, was Sie gesehen und gehört hätten, wenn Sie mich am Donnerstag begleitet hätten", sagt die Stimme des Reporters, der noch immer Mühe hat, seine Wut zu unterdrücken, obwohl seitdem drei Tage vergangen sind. "Es wird kein angenehmes Zuhören sein. Wenn Sie beim Mittagessen sitzen, oder wenn Sie kein Verlangen danach haben zu hören, was Deutsche getan haben, dann ist jetzt ein guter Moment, das Radio auszuschalten, denn ich habe vor, Ihnen von Buchenwald zu erzählen. Es liegt auf einem kleinen Berg, ungefähr vier Meilen außerhalb von Weimar, und es war eines der größten Konzentrationslager in Deutschland, und es wurde gebaut, um zu bleiben."

Die Stimme, die man da hören konnte, wenn man am 15. April 1945 den Sender CBS eingeschaltet hatte, war die des Reporters Edward R. Murrow (Held von George Clooneys McCarthyismus-Film Good Night, and Good Luck und Vorbild für die von Joel McCrea gespielte Titelfigur in Hitchcocks Foreign Correspondent), der aus London berichtet hatte, als dort noch deutsche Bomben einschlugen, dann selbst in Bombern (der Alliierten) gesessen hatte und inzwischen mit der U.S. Army in Deutschland unterwegs war, um über den Untergang des Dritten Reichs zu berichten. Am 11. April hatten die Amerikaner das KZ Buchenwald erreicht. Dort hatten sie Not und Elend vorgefunden, tote und halb verhungerte Menschen, Beweise für unsägliche Grausamkeiten, aber auch: 21.000 Häftlinge, die überlebt hatten. Buchenwald wurde damals zum Synonym für die Verbrechen des Nationalsozialismus wie später Auschwitz, das erst in das öffentliche Bewusstsein drang, als es Fritz Bauer gelang, wenigstens einige der Täter doch noch vor Gericht zu bringen (der Frankfurter Auschwitzprozess begann 1963).

Murrow war ein Star unter den Radioreportern, und dies zu einer Zeit, als das Radio für sehr viele Menschen noch die wichtigste Informationsquelle war. Was er sagte, hatte Gewicht und fand große Verbreitung. An diesem Sonntag also, dem 15. April, versuchte er zu beschreiben, was er am Donnerstag davor, dem 12., erlebt hatte. Man hört, dass ihm das nicht leicht fiel. Es klingt nicht nur wegen der schlechten Tonqualität, als sende er Nachrichten aus der Hölle. Ed Murrow berichtet vom unerträglichen Gestank in diesem Lager; von kleinen Kindern (offenbar solchen, die man beim Vorrücken der Roten Armee von Auschwitz nach Buchenwald geschafft hatte), die ihm die eintätowierte Nummer auf ihrem Unterarm gezeigt haben; von "lebenden Toten", abgemagert zu Skeletten, von denen viele noch an den Folgen der Unterernährung und der menschenunwürdigen Behandlung sterben werden, weil für sie jede Hilfe zu spät kommt; von Leichen, die aufgestapelt sind "wie Holzscheite"; von Kindern, die seine Hand umklammert und ihn nur angestarrt haben.

"Dauernd kamen Männer auf mich zu", sagt Murrow in seiner Reportage, "um mit mir zu sprechen und mich anzufassen, Professoren aus Polen, Ärzte aus Wien, Männer aus ganz Europa. Männer aus den Ländern, die Amerika gemacht haben." Beim Verlassen des Krankenbaus habe er seine lederne Brieftasche herausgezogen, in der Hoffnung, denen, die überleben würden, etwas Geld geben zu können, das ihnen bei der Rückkehr in ihre Heimat helfen würde: "Professor Richer von der Sorbonne sagte: ‚An Ihrer Stelle würde ich gut auf meine Brieftasche aufpassen. In diesem Lager gibt es auch Kriminelle.’ Ein kleiner Mann torkelte zu mir her und sagte: ‚Darf ich bitte das Leder anfühlen? Wissen Sie, früher, in Wien, habe ich schöne Sachen aus Leder gemacht.’" In Murrows Reportage wirkt das wie ein kurzes Aufblitzen von Normalität in einer grauenvollen, sich der Vorstellungskraft entziehenden Situation. Der Handwerker, der aus Leder Gebrauchsgegenstände herstellt, lässt sich genauso in irgendwie vertrauten Zusammenhängen verorten wie der Dieb, der auf Murrows Brieftasche schielt. Aber wer würde von sich behaupten, tatsächlich nachvollziehen zu können, was Menschen dazu brachte, Hunderttausende anderer Menschen in solche Lager zu stecken, sie zu quälen und zu demütigen und sie dann - direkt oder indirekt - zu ermorden? Ich persönlich kann Fakten nennen, Entwicklungen aufzeigen und versuchen, eine eskalierende Mordaktion nachzuzeichnen. Wirklich nachvollziehen aber kann ich nicht, was da geschehen ist.

Dass es ein Irrtum ist zu glauben, man könne sich angesichts der in den Konzentrations- und Vernichtungslagern begangenen Verbrechen in eine irgendwie geartete Form von Normalität zurückziehen, wurde schon am Tag nach Murrows Rundfunkreportage deutlich. Denn am 16. April fand im befreiten Lager Buchenwald eine Veranstaltung statt, deren Bilder uns seither begleiten. In den folgenden Wochen und Monaten wurde eine schockierte Öffentlichkeit mit Nachrichten aus Buchenwald konfrontiert, die auch eine lederne Brieftasche zum Requisit in einem Gruselstück machten. Das Leder, hieß es, habe man auf dem Ettersberg bei Weimar aus Menschenhaut hergestellt. Häftlinge seien getötet und ihre Haut gegerbt worden, um Bucheinbände, Handtaschen, Futterale und Einrichtungsgegenstände daraus zu machen. Das klingt nach einem bösen Traum oder einem Märchen, und so war es nur konsequent, dass alsbald auch der "Hexe von Buchenwald" eine Rolle in dem Stück zugewiesen wurde: einem rothaarigen Sex- und Sadismusmonster mit grünen Augen, das in kurzem Röckchen und mit durchsichtiger Bluse durch das Lager geritten sei, um die Gefangenen zu erregen und sie dann auspeitschen zu lassen.

Diese Frau, auch mal "Hündin" oder "Bestie" genannt, von der man später entdeckte, dass sie Mitglied Nummer 1.130.836 der NSDAP gewesen war, wurde zur Personifizierung der Nazibarbarei. Das war praktisch, weil es von den anderen siebeneinhalb Millionen Mitgliedern der Partei ablenkte (das Papier der sichergestellten Kartei wiegt 50 Tonnen) und all jene entlastete, die nicht wie der Oger oder die böse Hexe aus dem Märchen daherkamen. Auf diese Weise gelang es dann doch, recht flott zur Normalität überzugehen oder wenigstens so zu tun, als ob das möglich wäre. Wahrscheinlich hätte Ed Murrow im April 1945 jeden für verrückt erklärt, der ihm gesagt hätte, wie schnell man das bewerkstelligen würde.

Lager des Grauens

An dem Tag, als Murrow Buchenwald besuchte, hielt sich Dwight D. Eisenhower, später 34. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und damals Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Nordwesteuropa, ganz in der Nähe auf. "Den 12. April", schreibt er in seinem 1948 erschienenen Erinnerungsbuch Crusade in Europe, "verbrachte ich bei Patton. Was ich an diesem Tage alles sah und hörte, das prägte dieses Datum meinem Gedächtnis für immer ein." George S. Patton, das gern eigene Gedichte rezitierende und an die Wiedergeburt glaubende Enfant terrible der Amerikaner, hatte mit der 3. US-Armee Thüringen erreicht, als ihm Eisenhower und Omar N. Bradley, der Chef der 12. US-Heeresgruppe, einen Besuch abstatteten. Am Vormittag des 12. April besichtigten die Generäle die Pretiosen im Salzbergwerk von Merkers, wo die Nazis große Mengen von Gold, Geld und Kunstschätzen versteckt hatten. Es lag jedoch nicht am dort gebunkerten Gold der Reichsbank, und auch nicht an der Nachricht vom Tod Präsident Roosevelts, die am Abend des 12. April 1945 in Pattons Hauptquartier eintraf, dass Ike diesen Tag nicht mehr vergessen konnte.

"Am gleichen Tage", schreibt er, "sah ich in der Nähe von Gotha zum ersten Mal ein Lager des Grauens. Ich bin niemals imstande gewesen, die Gefühle zu schildern, die mich überkamen, als ich zum ersten Mal ein so unbestreitbares Zeugnis für die Unmenschlichkeit der Nazis und dafür vor Augen hatte, dass sie sich über die primitivsten Gebote der Menschlichkeit in skrupelloser Weise hinwegsetzten. Bisher hatte ich nur gewusst, dass es Lager dieser Art gab, alles andere kannte ich nur vom Hörensagen. Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick." Die Rede ist von Ohrdruf, im November 1944 als Außenlager von Buchenwald gegründet. In Ohrdruf brachte die SS Sklavenarbeiter aus aller Herren Länder unter, die rund um das Jonastal unter fürchterlichen Umständen unterirdische Bunker anlegen mussten, über deren Zweck bis heute eifrig debattiert wird (Bombenfabrik; Hitlers Kommandozentrale nach einer geplanten Flucht aus Berlin; oder keins von beiden?). Seriösen Schätzungen nach kamen in Ohrdruf innerhalb weniger Monate mehr als 10.000 Menschen ums Leben. Im März 1945 hatte das Lager knapp 12.000 Häftlinge. Am 2. April wurden die Gefangenen, die noch gehen konnten, nach Buchenwald getrieben. Niemand weiß, wie viele Menschen bei diesem 51 Kilometer langen Todesmarsch starben oder von den SS-Wachmannschaften ermordet wurden.

Man weiß auch nicht wirklich, kann es wahrscheinlich nicht einmal erahnen, wie es den Soldaten der 89. US-Infanteriedivision ging, als sie Ohrdruf am 4. April befreiten. Das Wort "befreien" ist dabei ein Euphemismus, denn die Amerikaner trafen nur einige wenige Überlebende an, denen es gelungen war, sich beim Abmarsch nach Buchenwald zu verstecken oder unterwegs zu fliehen. Einer von den GIs war Barack Obamas Großonkel Charles T. Payne, den der angehende US-Präsident im Mai 2008, in einer Wahlkampfrede vor Veteranen, irrtümlich zu einem der Befreier von Auschwitz erklärte. Manchen Kritikern der von ihnen konstatierten "Amerikanisierung des Holocaust" dient Obamas Fauxpas seither als Beispiel für eine bestimmte, in den USA praktizierte Form des Gedenkens an die Verbrechen der NS-Zeit, dessen Protagonisten gelegentlich über das Ziel hinausschießen. Payne stellte 2008 umgehend klar, dass er Angehöriger der 89. Infanteriedivision und in der Army gewesen war, keineswegs in der Roten Armee. Auch der Großneffe weiß es inzwischen besser und spricht in seinen Gedenkreden von Ohrdruf statt von Auschwitz, wenn es persönlich wird. Leider ist es nicht immer so einfach, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden wie in diesem Fall, und mitunter wird es zum moralischen Problem, wie man mit als falsch Erkanntem umgehen soll. Wir werden noch darauf zurückkommen müssen.

Kein Raum für Zweifel

Ohrdruf hatte kein Krematorium. Im April 1945, als die SS das Lager eilig räumte, stapelten sich dort die Leichen: Nackte Leiber in unterschiedlichen Stadien der Verwesung, verbranntes Fleisch, Tote, die man zum Sterben in Gruben geworfen hatte wie Müll, menschliche Überreste auf Scheiterhaufen. Glaubwürdigen Quellen nach sollen es mehr als 3000 Leichen gewesen sein, als die Wachmannschaften anfingen, die Körper auf offenen Feuern zu verbrennen. Das war der untaugliche Versuch der Mörder, Spuren zu verwischen. Omar Bradley berichtet in seinen Erinnerungen, A Soldier’s Story, von grässlich entstellten Leichen, von Ungeziefer und von Toten, denen die zu dem Zeitpunkt noch lebenden Häftlinge die Eingeweide herausgerissen hatten, um nicht zu verhungern. Jess Franco musste nicht viel erfinden, als er Ilsa the Wicked Warden damit enden ließ, dass die Gefangenen ihre Peinigerin in Stücke reißen und ihr Fleisch verschlingen. Das ist geschmacklos oder eine radikale Form von poetischer Gerechtigkeit (oder beides). Nicht nur in Ohrdruf fanden die Befreier Hinweise auf Kannibalismus unter den - von der SS zum Hungertod bestimmten - Häftlingen.

Nazi Concentration Camps - Ohrdruf

"Ich sah mir in dem Lager alles auf das genaueste an", schreibt Eisenhower über Ohrdruf, "weil ich es für meine Pflicht hielt, mich so eingehend darüber zu informieren, dass ich jederzeit selbst Zeugnis über diese Dinge ablegen konnte, falls man daheim glauben sollte, die Berichte über die Unmenschlichkeit der Nazis seien reine Propaganda." 1948, als sein Buch Crusade in Europe erschien, hatte Eisenhower nicht so sehr die künftigen Holocaust-Leugner im Blick als vielmehr die Zweifler, die glaubten, dass es sich mit den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs so verhielt wie beim Ersten. Damals waren wüste Schauergeschichten über die Deutschen verbreitet worden, die sich hinterher zum Großteil als Propagandalügen herausgestellt hatten. Die Deutschen hatten doch keine Menschen zu Nahrung und Gegenständen des täglichen Bedarfs verarbeitet, und ihre Offiziere hatten auch keine Säuglinge aus dem Fenster geworfen wie Erich von Stroheim im Film The Heart of Humanity (1918), wenn ihr Geschrei beim Vergewaltigen einer Krankenschwester störte. Solche Propagandalügen wirken lange nach. Werden sie dann als solche entlarvt, hat auch die Aufdeckung eine Langzeitwirkung - und dies nicht unbedingt in einem aufklärerischen Sinne. Leute stellen dann die Wahrheit in Abrede, weil es früher einmal eine Lüge gab.

Am 15. April, als Ed Murrows Reportage den CBS-Hörern den Appetit verdarb, inspizierte Patton Buchenwald. Dort sah er wieder Leichenberge, wie Zombies auf ihn wirkende Überlebende, den Schornstein des Krematoriums, die Öfen der Firma Topf & Söhne im Erdgeschoss und in einem Kellerraum die Haken zum Ermorden von Opfern, denen die Henker nach der qualvollen Strangulation mit einer Keule den Schädel eingeschlagen hatten, zur Sicherheit. Als Patton hörte, dass die Bewohner der Stadt Weimar von all dem nichts mitbekommen haben wollten, platzte ihm der Kragen. Für den folgenden Tag ordnete er an, dass tausend Weimarer Bürger, vorzugsweise Mitglieder der NSDAP, zu einer Besichtigung des befreiten Lagers antreten mussten, um mit eigenen Augen zu sehen, was ihre Landsleute angerichtet hatten.

Nazi Concentration Camps - Ohrdruf

Die Idee, deutsche Bürger zur Besichtigung der auf dem Ettersberg begangenen Verbrechen zu verpflichten, entstand wahrscheinlich, weil sich in Patton eine große Wut angestaut hatte. Aber sie war auch Teil eines Plans. Seit alliierte Truppen im September 1943 von Sizilien auf das italienische Festland übergesetzt waren und begonnen hatten, sich nach Norden vorzukämpfen, war viel Zeit vergangen. Die Italiener in den von Faschisten und deutschen Streitkräften befreiten Gebieten hatte man weitgehend sich selbst überlassen. Inzwischen hatte dort bereits die Legendenbildung über die Mussolini-Diktatur eingesetzt. In Deutschland sollte sich das nicht wiederholen. Die Amerikaner hatten deshalb Pläne für ein Umerziehungsprogramm im Gepäck. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Reeducation-Programms war es, die Deutschen (und den Rest der Welt) mit den NS-Verbrechen zu konfrontieren. Hinterher sollte keiner sagen können, dass alles halb so schlimm gewesen sei.

Patton und Eisenhower sorgten nun dafür, dass Multiplikatoren aller Art das Lager auf dem Ettersberg besuchten. Das war der Beginn eines regelrechten Buchenwald-Tourismus. Bis Ende April erschienen immer neue Politiker, Verleger, Korrespondenten, Kirchenmänner, Vertreter des Roten Kreuzes und sonstige Repräsentanten des öffentlichen Lebens, um in Augenschein zu nehmen, was die Nazis dort hinterlassen hatten. Amerikanische Kongressabgeordnete und Senatoren kamen ebenso wie britische Parlamentarier und der Erzbischof von Canterbury. Eine wichtige Rolle spielte der Film. Als sich Eisenhower von den wenigen Überlebenden in Ohrdruf die Funktionsweise des Prügelbocks erklären ließ, waren die Kameraleute des Militärs genauso mit dabei wie am 16. April, als sich die tausend ausgewählten Bürger in Weimar versammelten, um von der Adolf-Hitler-Straße aus, unter amerikanischer Bewachung, den Ettersberg hinaufzugehen und gruppenweise die Besichtigungstour durch das Lager anzutreten.

Death Mills

Beides ist in Die Todesmühlen zu sehen, einem knapp 22-minütigen, auch heute noch schwer verdaulichen Kompilationsfilm mit Bildern aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern. Das war einer der "Atrocity-Filme", mit deren Hilfe die Alliierten 1945/46 den Deutschen die Gräueltaten der Nazis vor Augen führen wollten. Der Begriff geht auf das von Roosevelt, Churchill und Stalin unterzeichnete "Statement of Atrocities" in der Moskauer Deklaration vom 1. November 1943 zurück. Darin kündigten die Alliierten an, die von Deutschen begangenen Gräueltaten (atrocities) als Kriegsverbrechen zu ahnden, sobald man der Täter habhaft werden konnte. Unter dem Titel Death Mills (Todesfabriken) und mit geändertem Off-Kommentar wurde Die Todesmühlen auch amerikanischen GIs gezeigt, zur Vorbereitung auf ihre Stationierung in Deutschland. Am Schluss sieht man in Doppelbelichtung die Hitler zujubelnden Massen und die Bürger aus Weimar, die bei der Besichtigung des Lagers behaupteten, von nichts gewusst zu haben.

Death Mills

An Die Todesmühlen beteiligt war ein Emigrant namens Billy Wilder, der damals noch hoffte, seine (im Lager Plaszow ermordete) Mutter zu finden. Wilders Tätigkeit für die Psychological Warfare Division war nie wirklich ein Geheimnis (siehe Ed Sikovs Biographie On Sunset Boulevard), wurde von Holocaust-Leugnern aber trotzdem als ein solches gelüftet und muss seitdem als Beweis dafür herhalten, dass die in den Lagern begangenen Verbrechen eine Propagandalüge der Amerikaner sind. In dokumentarischem, im April 1945 in Buchenwald gedrehtem Material sieht man zum Skelett abgemagerte Überlebende und einen Herrn mit Baskenmütze, der ins Bild läuft. "Denier Bud" glaubt, den Mann als Billy Wilder identifizieren zu können und zeigt ihn - als Beleg für üble Machenschaften - am Beginn seines Opus Buchenwald - A Dumb Dumb Portrayal of Evil.

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