Nach Österreich untersucht nun auch Belgien BND-Abhöraktionen

Der österreichische grüne Abgeordnete Pilz hat mit der Veröffentlichung einer Mail eines Telekom-Mitarbeiters an den BND die europaweite Bespitzelei bekannt gemacht

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Abhören unter Freunden geht gar nicht. Bundeskanzlerin Merkel steckt im Schlamassel, nachdem bekannt wurde, dass die Amerikaner keineswegs Gespräche über ein No-Spy-Abkommen angeboten hatten, wie sie erklärte. Dazu kommt, dass der BND offenbar in enger Zusammenarbeit mit der NSA auch selbst europäische Unternehmen und europäische Politiker abgehört hat. Die Aufdeckung der Zusammenarbeit und der Lauschziele durch die Übergabe der Selektoren an das Parlamentarische Kontrollgremium will die Kanzlerin trotz einiger, mittlerweile leiser werdender Forderungen aus der SPD zumindest hinauszögern. Vermutlich wäre es ein brisantes Thema für das G7-Treffen, das praktischerweise in der Nähe der Lauschstation in Bad Aibling stattfindet und an dem neben den USA mit dem britischen und kanadischen Regierungschef auch gleich 3 der "five eyes" teilnehmen.

Bislang war bekannt geworden, dass französische und österreichische Politiker ausgeschnüffelt worden sein sollen. Während die Franzosen lieber keine große Sache daraus machen wollen, wohl weil deren Geheimdienste auch ziemlich ungehemmt unterwegs sind und man keinen Ärger mit Berlin will, hat Österreich schon einmal einen Strafantrag gegen Unbekannt gestellt. "Volle Aufklärung" verlangte die österreichische Innenministerin darüber, ob der BND der NSA bei Industriespionage geholfen hat (Österreich klagt wegen BND-Ausspähung).

Jetzt schaltet sich auch Belgien ein. Der für Telekommunikation zuständige Minister Alexander De Croo hat das Institut für Postdienste und Telekommunikation (BIPT) mit der Untersuchung beauftragt, ob der BND auch in Belgien abgehört hat. Die belgische Regierung ist darüber von anderer Seite in Kenntnis gesetzt worden, dass der BND Internetleitungen in Belgien angezapft haben soll. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse würden "entsprechende Maßnahmen" ergriffen. An welche De Croo dabei denkt, verriet er allerdings nicht.

"Besonders pikant" sei, dass der deutsche Geheimdienst mitgemischt haben soll, sagte De Croo, habe sie doch von US-Präsident Obama Aufklärung gefordert, als bekannt wurde, dass ihr Handy von der NSA abgehört worden war. Er kündigte an, Merkel müsse Erklärungen liefern, sollte der BND auch in Belgien Ziele ausgespäht haben.

In Gang gebracht hatte die Sache der österreichische Abgeordnete der Grünen, Peter Pilz. Er hat gestern zusammen mit belgischen und niederländischen Kollegen im EU-Parlament über die Lauschaktionen des BND in Kooperation mit der NSA berichtet und stützt sich dabei auf eine Mail eines Telekom-Mitarbeiters vom 3.2.2005 an den BND. Daraus geht hervor, dass die Telekom den Zugriff auf weitere Transitleitungen aufgrund einer "Prioritätenliste" eingeräumt hat. Die Mail hatte er schon zuvor bekannt gemacht und im Rahmen einer Veranstaltung mit den deutschen Grünen in Berlin eine Strafanzeige gegen drei Telekom- und einen BND-Mitarbeiter wegen des Ausspähens mehrere Leitungen der Telekom Austria gestellt.

Der BND erhielt Räumlichkeiten bei der Deutschen Telekom AG in Frankfurt. Dort wurden mittels Splitter die Daten ausgesuchter Transitleitungen nach Pullach abgeleitet. Von dort gingen die Daten an die Joint Signal Activity JSA in Bad Aibling, wo die NSA direkten Zugriff auf alle abgeleiteten Daten hatte.

Pilz

Auf dieser Prioritätenliste aus dem Jahr 2005 befanden sich 255 Transitleistungen von 31 europäischen und 33 außereuropäischen Ländern, ausgespart wurden die "five-eyes"-Länder USA, Kanada und Großbritannien. Besonders im Visier standen die Niederlande mit 71 Transitleitungen und Belgien mit 21 Transitleitungen.

Zu diesem Zeitpunkt lief die "Große Umschaltaktion" - von deutschen Zielen auf Ziele von "Freunden" wie Österreich, Belgien und den Niederlanden. Im Jahr 2002 vereinbarten BND und NSA in einem Memorandum of Agreement (MoA) das gemeinsame Absaugen von Telekom-Leitungen. Dazu schloss der BND am 1. März 2004 den "Geschäftsbesorgungsvertrag Transit" mit der Deutschen Telekom ab.

Für Pilze ist der Verdacht "ausreichend begründet, dass die Daten von Belgacom und KPN Netherlands am Knoten Frankfurt über das BND-Büro in der Deutschen Telekom AG ausgeleitet, dupliziert, nach Pullach in die BND-Zentrale weitergeleitet und von der Technischen Aufklärung (TA) des BND in Bad Aibling der NSA für den automatisierten Zugriff mittels Selektoren (Namen von Personen oder Unternehmen, Handy-Nummern, Kreditkartennummern etc.) online zugänglich gemacht wurden".

Die SPD wird wohl mit der Kritik am BND und mit Aufklärungsforderungen in Zukunft eher zurückhalten, denn betroffen wäre sie damit auch selbst, schließlich war der jetzige Außenminister Frank-Walter Steinmeier bis 2004 Chef des Bundeskanzleramts und damit für die Geheimdienste zuständig, ab Ende 2005 war er Außenminister in der schwarz-roten Koalition.

"Vieles deutet darauf hin, dass die Hauptziele der NSA Internationale Organisationen, Regierungen und Unternehmen mit wertvollen technischen Entwicklungen waren", so Pilz. "Nur gegen eine Gruppe ging es mit Sicherheit nicht: gegen Terroristen."