Internationales Schiedsgericht als Ersatz-Goldmine

Muss El Salvador einem australischen Konzern ein Vierzehntel seines Staatshaushalts als entgangenen Gewinn zahlen, weil es aus Sorge um das Trinkwasser eine Schürflizenz verweigert?

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Befürworter wie Kritiker internationaler Handelsabkommen warten derzeit mit Spannung auf den für Ausgang einer Klage der seit 2013 zum australischen OceanaGold-Konzern gehörigen kanadischen Minengesellschaft Pacific Rim gegen den mittelamerikanischen Kleinstaat El Salvador. Von dessen Steuerzahlern will Pacific Rim 301 Millionen US-Dollar Schadensersatz, weil das Land dem Unternehmen den Goldabbau nicht gestatten will.

301 Millionen Dollar - das erscheint in Deutschland nicht wie eine besonders große Summe. Dafür könnte man hierzulande nicht einmal eine halbe Elbphilharmonie bauen. Für die Steuerzahler in El Salvador ist die Summe dagegen beachtlich: Das Bruttoinlandsprodukt des Landes beträgt nämlich nur 24,3 Milliarden Dollar - und der Staatshaushalt umfasst lediglich 4,2 Milliarden Dollar. Da schmerzen auch die sechs Millionen Dollar an Steuergeld, die El Salvador bislang alleine an Prozesskosten aufwenden musste. Zum Vergleich: In Deutschland, wo jährlich 2.737,6 Milliarden Euro erwirtschaftet werden, läge die vergleichbare Forderung bei 33,91 Milliarden Euro.

Im Boden von El Salvador werden trotz intensiver Suche der Konquistadoren noch 1,4 Millionen Unzen Gold vermutet - außerdem beachtliche Mengen an Silber und Kupfer. Allerdings könnte den Bürgern des Landes durch einen Abbau ohne entsprechende Schutzvorschriften langfristig mehr Schaden als Nutzen entstehen: Als es 2008 in San Sebastián wegen solcher Schäden zu einer "Wasserkrise" kam, stoppte der damalige Staatspräsident Antonio Saca die Vergabe neuer Genehmigungen zum Abbau von Bodenschätzen. Dieses de-facto-Moratorium erhielten seine beiden Nachfolger aufrecht.

Das durchkreuzte die Pläne der Firma Pacific Rim, die 2002 die Erlaubnis zur Erkundung der Goldvorkommen El Salvadors bekommen und 2004 eine Genehmigung zum Goldabbau in der Nordprovinz Cabañas beantragt hatte. 2009 verklagte Pacific Rim die salvadorianische Regierung vor dem International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) der Weltbank - und zwar nicht nur auf 77 Millionen Dollar Schadensersatz für die Investitionen zur Erkundung der Vorkommen, sondern zusätzlich auf 234 Millionen Dollar wegen entgangener Gewinne.

El Salvador. Karte: TUBS (Wikimedia Commons). Lizenz: CC BY-SA 3.0

Zuerst machte Pacific Rim geltend, dass die Verweigerung der Genehmigung gegen das Central American Free Trade Agreement (CAFTA) verstößt. 2012 entschied das ICSID jedoch, dass sich die kanadische Firma (deren ehemalige Muttergesellschaft bis 2007 ihren Briefkasten auf den Cayman-Inseln und danach in Nevada hatte) nicht auf CAFTA berufen kann. Danach stellte sich Pacific Rim auf den Standpunkt, dass die salvadorianische Regierung mit der Verweigerung der Genehmigung ein salvadorianisches Investitionsgesetz aus dem Jahr 1999 verletzt. El Salvador änderte dieses Investitionsgesetz darauf hin dahingehend, dass Klägerfirmen den nationalen anstatt des internationale Rechtswegs beschreiten müssen - aber da diese Änderung nicht rückwirkend gelten kann, hat sie keinen Einfluss auf den Prozess.

Die Regierung von El Salvador stützt sich stattdessen auf fehlende Umweltverträglichkeits- und Machbarkeitsstudien, die ihrer Ansicht nach die Versagung der Hauptgenehmigung rechtfertigen. Genehmigungsgegner argumentieren darüber hinaus mit Bedenken, dass der Rio Lempa vergiftet und die Trinkwasserversorgung eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt gefährdet werden könnte.

Bei Pacific Rim beklagt man dagegen, dass die katholische Kirche und andere Abbaukritiker mit dem Verweis auf den geplanten Einsatz von täglich zwei Tonnen Zyanid unbegründete Ängste schürten, weil die chemischen Verbindungen, die bei Nichtfachleuten Assoziationen an Nazigreuel weckten, nur in fester Form eingesetzt würden und sich sehr schnell abbauten. Dieser "Gräuelpropaganda" versucht OceanaGold mit Spielplätzen, Baumschulen und kostenlosen Brillen für Schulkinder in El Salvador entgegenzuwirken - bislang mit begrenztem Erfolg.

Auch außerhalb des Landes stößt die Forderung nach entgangenem Gewinn auf eher wenig Verständnis: Von der Hilfsorganisation Oxfam über die International Trade Union Confederation bis hin zum libertären Think Tank Cato Institute sprechen sich NGOs dagegen aus. Das Cato Institute argumentiert dabei, dass solche Schiedsgerichtsverfahren eigentlich Bailout-Subventionen für multinationale Konzerne sind, weil sie Risiken abmildern, die die Unternehmen selbst tragen sollten.

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