"Es ist eine Privatisierung und Re-Oligarchisierung der Politik zu beobachten"

Der Sozialwissenschaftler Björn Wendt über die Bilderberg-Konferenz, ein Elite-Zirkel der besonderen Art - Teil 1

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Vom 10-14. Juni kommen sie wieder zu einem verschwiegenen Treffen zusammen: Hochrangige Politiker, Spitzenmanager, Wissenschaftler und andere gewichtige Funktionsträger der westlichen Welt nehmen auch in diesem Jahr an der Bilderberg-Konferenz teil. Für die Zusammenkunft haben sich "die Bilderberger", wie die Mitglieder des Elite-Zirkels bezeichnet werden, einen idyllischen Ort ausgewählt: das Hotel Interalpen in der Nähe von Buchen in Tirol.

In einem zweiteiligen Interview beleuchtet der Soziologe Björn Wendt das Treffen der Mächtigen für Telepolis. Wendt ist Autor der Studie "Die Bilderberg-Gruppe - Wissen über die Macht gesellschaftlicher Eliten". Im ersten Teil des Interviews beschreibt der Sozialwissenschaftler, worauf er das Augenmerk bei seiner Auseinandersetzung mit Bilderberg gelegt hat. Fest steht für ihn: Sowohl die Wissenschaft in Deutschland als auch die Medien haben sich mit dem Elite-Zirkel bisher nur sehr unzureichend auseinandergesetzt.

Herr Wendt, warum haben Sie sich in Ihrer Studie mit der Bilderberg-Gruppe auseinandergesetzt?

Björn Wendt: Weil die Soziologie und die Politikwissenschaft, also genau die Disziplinen, mit denen ich mich im Studium auseinandergesetzt haben, seit nun über 60 Jahren einen großen Bogen um die Bilderberg-Gruppe machen. Das gilt zumindest für die Wissenschaft in Deutschland.

Aber Sozialwissenschaftler waren bei den Konferenzen eingeladen.

Björn Wendt: Das stimmt. Ralf Dahrendorf, Daniel Bell, Zbigniew Brzezinski oder Joseph Nye waren etwa bei Bilderberg, um nur vier prominente Beispiele zu nennen. Dieses Involviert-Sein der Sozialwissenschaften auf der einen Seite und ihr Desinteresse an der wissenschaftlichen Thematisierung der Bilderberg-Konferenz im öffentlichen Raum auf der anderen Seite, erschien mir erklärungsbedürftig. Auch für die an der Bilderberg-Konferenz teilnehmenden Journalisten und Politiker lässt sich dieser Zusammenhang von Involviert-Sein und Nicht-Thematisierung nachzeichnen. Die Summe dieser Nicht-Thematisierungen erzeugt ein Vakuum im öffentlichen Diskurs zur Thematik, das seit den 1970er Jahren vermehrt durch verschwörungstheoretische Deutungsversuche gefüllt wurde. Diesen verschwörungstheoretischen Ansätzen standen kaum adäquate Gegenerzählungen gegenüber. Also: Warum Bilderberg?

Nachdem ich durch die Lektüre von Bernt Engelmanns Roman "Hotel Bilderberg" auf das Thema aufmerksam wurde, konnten mir die Sozialwissenschaften zunächst nicht weiterhelfen. Weil fast nur verschwörungstheoretische Bücher und Artikel zum Thema existierten, dachte ich, es wäre ein sinnvolles Unterfangen, die Quellenlage zur Bilderberg-Konferenz breiter aufzuarbeiten, als es bisher geschehen war.

Sie haben den Fokus in Ihrer Arbeit auch darauf gerichtet herauszufinden, welche Wissensbestände zu Bilderberg überhaupt verfügbar sind und wie in einzelnen gesellschaftlichen Feldern mit dem vorhandenen Wissen umgegangen wird. Auf welche Felder haben Sie sich konzentriert?

Björn Wendt: Auf das massenmediale, politische, verschwörungstheoretische und wissenschaftliche Feld bzw., um es vielleicht etwas genauer auszudrücken: Ich habe mich auf die Wissensbestände, die in diesen Feldern vorhanden sind, konzentriert. Primär ging es mir aber nicht darum, im Stile eines Wissenstests zu prüfen, ob die jeweiligen Deutungsversuche der Journalisten, Politiker, Verschwörungstheoretiker, Wissenschaftler und Bilderberg-Teilnehmer im Sinne von "richtig" oder "falsch" einzustufen sind. Vielmehr war es das Ziel, die verschiedenen Wissensbestände, Deutungsmuster und möglichen Zugänge zum Thema zunächst einmal sichtbar zu machen.

Das heißt was?

Björn Wendt: Das heißt Grundlagenforschung zu betreiben, indem zunächst die subjektiven Überzeugungen derjenigen Akteure untersucht werden, die den Diskurs zur Bilderberg-Konferenz erzeugen und die Diskussion über das Thema bis in die Gegenwart prägen.

Wie wird Bilderberg im verschwörungstheoretischen Feld wahrgenommen?

Björn Wendt: Bilderberg wird als Teil einer nahezu allmächtigen totalitären Schattenregierung beschrieben, die einen Orwellschen Kontrollstaat im globalen Maßstab errichtet.

Also ein Plan, der seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten umgesetzt werden müsste.

Björn Wendt: Auf jeden Fall über einen sehr langen Zeitraum. Und für die Umsetzung dieses Plans, so die Verschwörungstheorie, gehen die Verschwörer über Leichen. Das Ziel soll demnach darin bestehen, dass die Verschwörer die eigene Herrschaft auf Dauer sichern wollen. Bilderberg ist aus Sicht derjenigen, die an eine Verschwörung glauben, ein Ort der Verkündung von Entscheidungen, wie diese Sicherung der eigenen Machtpositionen am besten zu bewerkstelligen ist.

Dem Führungspersonal in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Militär, so ließe sich die typische verschwörungstheoretische Erzählung in kurzer Form wiedergegeben, werden auf den Bilderberg-Konferenzen von den wirklich Mächtigen (den Superreichen und dem Hochadel) die World-Management-Hausaufgaben für das nächste Jahr übergeben.

In Ihrem Buch schreiben Sie aber, dass diese verschwörungstheoretischen Deutungen in die Irre führen.

Björn Wendt: Ja, weil sie jahrzehntelange gesellschaftliche Entwicklungen auf monokausale Top-Town-Befehle weniger herrschsüchtiger und skrupelloser Verschwörer reduzieren. Hinzu kommt, dass dieses Deutungsmuster historisch eng mit antisemitischen Ressentiments und dem Weltbild der anti-kommunistischen Rechten in den USA verbunden war und ist.

Wie wird denn die Bilderberg-Konferenz im politischen Feld wahrgenommen?

Björn Wendt: Das kommt darauf an, wo man im politischen Feld genau hinguckt. Ich habe vor allem Äußerungen von Bundestagsabgeordneten bei Abgeordnetenwatch.de untersucht, die nicht an den Konferenzen teilgenommen haben. Das ist schon eine sehr große Einschränkung der Reichweite, da es zunächst um Fremdwahrnehmungen ging.

Zunächst argumentieren die Politiker gegen die Verschwörungshypothese. Gemeinsam ist den Antwortenden darüber hinaus, dass sie der Veranstaltung zusprechen, legal zu sein, dass es also nicht verboten ist, dass sich Spitzenpolitikern mit Milliardären, Königinnen und Wirtschaftsbossen für drei oder vier Tage in einem Hotel einschließen, um über Politik zu diskutieren. Darüber hinaus wird oft betont, es sei ganz normal, dass sich Führungskräfte in geschützten Räumen frei austauschen. Die eine Hauptbotschaft lautet also: Alles gar nicht so wild!

Andererseits ist im politischen Feld auch Kritik zu finden, insbesondere mit Blick auf die demokratische Transparenzregel bzw. die Verschwiegenheit der Teilnehmer und Journalisten. Besonders in der Linken geht die Kritik mitunter auch deutlich weiter, was auch damit zusammenhängen könnte, dass sie als einzige Fraktion des Deutschen Bundestags noch nicht auf der Konferenz vertreten war: Hier fallen dann Begriffe wie Lobbying und Wirtschaftsinteressen.

Zudem gibt es ja auch noch jene deutschen Spitzenpolitiker, die selbst auf den Konferenzen waren. Diese schweigen in der Regel oder reden die Bedeutung klein. Ein ganz kleiner Teil ehemaliger Teilnehmer gibt jedoch auch ausgewählte Einblicke, die verdeutlichen, dass die Bilderberg-Konferenz aus guten Gründen im öffentlichen Fokus stehen könnte, beispielsweise da sich einige Politiker die Reisekosten zu dieser Privatkonferenz aus öffentlichen Mitteln finanzieren lassen.

Bleibt das massenmediale Feld, mit dem Sie sich intensiv auseinandergesetzt haben.

Björn Wendt: Intensiv ist etwas zu hoch gegriffen. Ich habe mich auf die Onlineberichterstattung einiger größerer Medienanstalten in Deutschland konzentriert. Spannend war hierbei zunächst, dass bei vielen öffentlichen und privaten Medienanstalten überhaupt kein Material zu Bilderberg im Netz zugänglich war.

Die zugänglich gemachten Berichte, die das Thema erwähnten, lassen sich grob in drei Kategorien einteilen. Etwa ein Drittel der Berichte entstand durch das bloße Kopieren und mitunter leichte Modifizieren von Presseagenturmeldungen. Ein zweites Drittel benannte die Konferenz lediglich kurz als Beispiel. Bliebe das letzte Drittel, in dessen Rahmen einige Berichte eine gewisse informative Dichte und Tiefe erreichen, indem Experten und Hintergrundinformationen zu Rate gezogen wurden.

Wo genau liegen denn die Schwachstellen in der Berichterstattung?

Björn Wendt: Die Berichterstattung zur Bilderberg-Konferenz ist zu oberflächlich und unkritisch. Es wird wenig und gewissermaßen monokulturell berichtet. Eine ernsthafte Abwägung der verschiedenen Positionen bleibt aus. Stattdessen wird das Thema strukturell mit dem Begriff "Verschwörungstheorie" markiert und zum Spekulationsobjekt stilisiert.

Die "Leistung" besteht dann häufig lediglich in der Kritik und Dekonstruktion der verschwörungstheoretischen Machthypothese. Das erscheint mir ein bisschen wenig. Es gibt darüber hinaus keine ernsthaften Versuche das Thema investigativ aufzuklären.

Gruppen- und Systemzusammenhänge prägt das Wissen und Handeln der einzelnen Akteure

Wie erklären Sie sich, dass sich die großen Medien über viele Jahre so schwer mit einer Berichterstattung über die Bilderberg-Konferenz getan haben?

Björn Wendt: Das kommt darauf an, welche Journalisten man genau betrachtet. Allgemein tun sich die Medien schwer, weil die PR der Bilderberg-Gruppe über Jahrzehnte auf Nicht-Thematisierung ausgerichtet war. Ich denke es ist nicht allzu gewagt zu behaupten, dass die meisten Journalisten einfach nicht wussten, dass es die Bilderberg-Konferenzen gibt.

Anders verhält es sich mit jenen Journalisten, die von den Treffen wissen. Hier lassen sich zwei Untergruppen unterscheiden. Die erste Gruppe besteht aus jenen Journalisten, die nie auf einer Bilderberg-Konferenz waren, die zweite aus jenen, die mindestens einmal selbst teilgenommen haben. Letztere tun sich schwer damit über die Konferenzen zu berichten, weil sie hiermit gegen die Norm der Verschwiegenheit verstoßen würden. Diese Verschwiegenheit ist nun aber eine Voraussetzung, die bei der Auswahl der Konferenzteilnehmer eine wichtige Rolle spielt. Würden Journalisten, vielleicht sogar kritisch, berichten, so wäre ihnen zukünftig das soziale, kulturelle und symbolische Kapital, das mit der Gruppenzugehörigkeit auf sie abstrahlt, versperrt.

Die zweite Untergruppe, jene Journalisten, die von den Konferenzen wissen und nie auf einer Bilderberg-Konferenz zugegen waren, tun sich unter anderem schwer mit der Berichterstattung, da in der Vergangenheit von Repressionen gegen einzelne Journalisten berichtet wurde, die berichten wollten, sei es seitens der eigenen Redaktion oder sogar Sicherheitskräften. Nichtsdestotrotz gab es immer wieder punktuelle Berichte, was zeigt, dass hier durchaus Freiräume bestanden, die von einigen Journalisten genutzt wurden.

Seit einigen Jahren gibt es nun aber vermehrt Berichte zur Bilderberg-Konferenz.

Björn Wendt: Das ist richtig. Die Medien haben in der Geschichte zwar immer wieder punktuell von den Treffen berichtet, inzwischen scheinen sie sich aber immer mehr auf das Thema eingespielt zu haben, so dass die Bilderberg-Konferenzen in Zukunft wohl erst einmal nicht so schnell vom Radar des Mediensystems verschwinden werden und daher mit einer Berichterstattung zu rechnen ist, die zyklisch jedes Jahr auf die Konferenzen hinweist. Das ist, wenn man die Geschichte der Bilderberg-Konferenzen betrachtet, keine Selbstverständlichkeit.

Sie schreiben, dass alle vier Felder, also sowohl das verschwörungstheoretische, das politische, das wissenschaftliche und das mediale Feld "strukturelle Blindheiten und Verzerrungen" im Hinblick auf Bilderberg aufweisen. Wie meinen Sie das?

Björn Wendt: Das bedeutet, dass die Journalisten, Politiker, Verschwörungstheoretiker, aber auch die Wissenschaftler und Bilderberg-Teilnehmer, stets nur einen begrenzten Ausschnitt der Wirklichkeit sehen können. Die Wissenssoziologie lehrt, dass das, was wir von der Welt wissen, von der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen und der Eingebundenheit in soziale Systeme geprägt wird.

Um erfolgreich in einem System agieren zu können, muss das Individuum sich etwa das notwendige Grundwissen über einige Grundregeln des jeweiligen Feldes aneignen. Es muss also wissen, was es in einem spezifischen Zusammenhang tun und sagen kann, ohne Sanktionen von anderen Akteuren im Feld fürchten zu müssen oder um Anerkennung zu ernten. Es entstehen also Grenzen legitimer Denk- und Handlungsweisen, die für den Einzelnen zwingend sind.

Ein Politiker, Journalist oder Wissenschaftler, der in seiner beruflichen Karriere noch etwas erreichen will, kann und wird etwa nicht sagen: "Bilderberg, das ist eine geheime Verschwörung, eine Art Schattenregierung." Andersherum, muss ein Verschwörungstheoretiker genau das sagen. Würde er hingegen stets behaupten, dass die Macht der Bilderberg-Konferenz und anderer privater Diskussionsrunden deutlich überschätzt wird, würde er im verschwörungstheoretischen Feld keine Anerkennung finden. Jeder dieser Gruppen- und Systemzusammenhänge prägt das Wissen und Handeln der einzelnen Akteure.

Die Journalisten orientieren sich bei ihrer Berichterstattung nicht an der Wirklichkeit des betrachteten Phänomens selbst, sondern in erster Linie selbstreferenziell an den Wissensbeständen im Mediensystem über Bilderberg. Da spielen dann zum Beispiel Meldungen der Presseagenturen zu Bilderberg eine Rolle. Wenn die Presseagenturen nichts zum Thema bringen, wird die Konferenz auch von vielen Medien nicht wahrgenommen.

Auch das wissenschaftliche Feld ist strukturell korrupt

Sie verwenden ja den Begriff der strukturellen Korruptheit. Was meinen Sie damit genau?

Björn Wendt: Der Begriff stammt von dem Soziologen Pierre Bourdieu. Strukturelle Korruptheit meint bei ihm eigentlich, dass das Fernsehen paradoxerweise verstecken kann, indem es zeigt. Journalisten sehen und präsentieren Informationen also in einer Weise, die nicht unbedingt jene Bilder und Informationen sichtbar macht, die gezeigt werden müssten, wenn es um eine informative und kritische Berichterstattung gehen würde.

In meinen Zusammenhang meint der Begriff aber in erster Linie, den oben beschriebenen Zusammenhang, dass wir alle in den engen Grenzen unserer eingeübten Denk- und Handlungsroutinen gefangen sind, die uns durch jene gesellschaftlichen Apparaturen und Milieus antrainiert werden, in denen wir uns bewegen.

Gehen wir noch auf das wissenschaftliche Feld ein, das Sie in Ihrer Arbeit auch beleuchten. Wie geht die Wissenschaft mit Bilderberg um?

Björn Wendt: Zunächst einmal muss zur Kenntnis genommen werden, dass auch das wissenschaftliche Feld, samt seinen Bewohnern, strukturell korrupt ist. Auch hier können per Definition nur bestimmte Ausschnitte der Wirklichkeit betrachtet werden und je nach Fragestellung, theoretischer Ausgangsposition, empirischer Datenbasis und methodischem Zugang, können recht unterschiedliche wissenschaftliche Wirklichkeitskonstruktionen entstehen.

Aber um Ihre Frage zu beantworten: Es gibt kaum wissenschaftliche Untersuchungen zur Thematik. Das Desinteresse der Wissenschaftler ist insbesondere deshalb bedauernswert, weil mittlerweile ersichtlich ist, dass es neben den anwachsenden massenmedialen, politischen, verschwörungstheoretischen Dokumenten zum Thema eine ganze Reihe an Selbstdarstellungen der Bilderberg-Gruppe und der Konferenz-Teilnehmer gibt, die recht interessante Einblicke liefern, wenn sie systematisch ausgewertet werden würden.

Im englischsprachigen Diskurs wurden seit etwa zehn Jahren immerhin einige Untersuchungen veröffentlicht, die solide Basisinformationen zur Geschichte, zur Intention, zur Organisation, zur Rekrutierung und zur Funktion der Bilderberg-Konferenz aufarbeiten, die jedoch im nicht-wissenschaftlichen Diskurs und auch im deutschsprachigen wissenschaftlichen Diskurs bisher nicht zur Kenntnis genommen werden. In Bezug auf die grundlegende Einordnung der Bilderberg-Konferenzen würde ich mich eher jener Forschungstradition anschließen, die davon ausgeht, dass wir es bei den Bilderberg-Konferenzen im weiten Sinne mit gesellschaftlichen Machtstrukturen zu tun haben, über die Machteliten und Superreiche über ihre privaten Netzwerke in die Weltpolitik hineinwirken.

Von einer Privatisierung von Politik ist die Rede.

Björn Wendt: Ja, eine Art von Privatisierung und Re-Oligarchisierung der Politik ist zu beobachten, bei der Formate wie Bilderberg verdeutlichen, dass Superreiche und Manager, über ganz unterschiedliche, in der Regel relativ intransparente, Kanäle Zugang zur Spitzenpolitik und den Wissenseliten suchen und finden.

Sie wollten auch wissen, wie sich die Bilderberg-Gruppe in ihrer Selbstwahrnehmung definiert. Können Sie uns dazu etwas sagen?

Björn Wendt: Auch hier gibt es wieder eine gewisse Varianz. Einerseits wird stets der informelle und private Charakter der Konferenz als offenes und informelles Diskussionsforum betont. Die Konferenzen seien nicht geheim, sie seien privat und würden vor allem das gegenseitige Verständnis zwischen den Eliten Europas und Amerikas fördern. Anderseits verweisen nicht wenige Äußerungen darauf, dass die Bilderberg-Konferenzen die Funktion haben, aufsteigende politische Führungskräfte zu rekrutieren und sie mit "ihresgleichen" bekanntzumachen.

Dieses Klassenbewusstsein und die Betonung der Konferenzen für die Steigerung des eigenen Machtpotenzials werden wiederholt in den Selbstbildern der Mitglieder der Bilderberg-Gruppe sichtbar, also jenem relativ kleinen Kreis, der die Bilderberg-Konferenzen organisiert und finanziert. Die Mitglieder dieser Gruppe wollen nicht nur unverbindlich diskutieren. Sie wollen die Welt nach ihren eigenen Vorstellungen ordnen, wie es jeder Politiker letztlich ebenfalls will. Bilderberg erscheint ihnen also nicht nur als eine Möglichkeit der Steigerung des eigenen Machtpotenzials, sondern ebenfalls als eine Arena in der direkt und auf höchster Ebene in den gesellschaftspolitischen Diskurs der herrschenden Eliten des transatlantischen Raumes hinein gewirkt werden kann.

Dieser Gestaltungswille von oben wird als quasi-natürlich und legitime Gesetzmäßigkeit gesetzt: Es werde Verantwortung übernommen, so funktioniere die Welt nun einmal und das sei auch gut so. Letztlich ist dies die Grundannahme der klassischen Elitetheorie, die davon ausgeht, dass es zwei Klassen in jeder Gesellschaft gibt, die Minderheit der Herrschenden (Elite) und die Mehrheit der Beherrschten (Masse). Einige Mitglieder der Bilderberg-Gruppe sehen sich und die ausgewählten Konferenzteilnehmer als einen Teil dieser elitären Minderheit.

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