Die Yank Barry-Show

GVCF Klingelschild. Bild: Frank Stier

Rekonstruktion einer Recherche nach der Sofioter ProPectin-Fabrik des "jüdischen Schindlers"

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Nur wenige Meter entfernt vom Platz "Journalist" im Zentrum der bulgarischen Hauptstadt Sofia liegt das Haus in der Tzanko Tzerkovski-Straße Nr. 26, ein unscheinbarer viergeschossiger Wohn- und Büroblock aus Bulgariens sozialistischer Nachkriegszeit. Nichts deutet darauf hin, dass er den Unternehmenssitz eines Weltmarktführers für Soja-Produkte und die Schaltzentrale einer global agierenden Wohltätigkeitsorganisation beherbergen könnte.

Anfang Februar 2015 stehe ich vor seiner Tür und sehe, dass in der ersten Etage der Rechtsanwalt Kiril Gorianov seine Kanzlei hat, in der zweiten die "Global Village Champions Foundation" (GVCF) sitzt und in der dritten die Familie Gorianovi wohnt. Zusätzlich weist ein Schild auf den "International Arbitration Court" (IAC) hin, ein auf den Briefkasten geklebter Papierzettel in kyrillischen Buchstaben nennt schließlich das Unternehmen VitaPro International.

Als ich klingle, bedauert eine Frauenstimme durch die Sprechanlage, weder Advokat Gorianov noch sonst ein Repräsentant von GVCF, IAC oder VitaPro seien anwesend. Die Sekretärin ist so freundlich, mich zu ihr in die erste Etage vorzulassen, um meine Visitenkarte entgegenzunehmen. Man werde sich bei mir melden, verspricht sie mir auf den Weg.

Es kontaktiert mich aber nicht Rechtsanwalt Gorianov und auch sonst kein anderer Sofioter Vertreter der GVCF, von VitaPro oder dem IAC. Stattdessen erhalte ich eine e-mail aus Tampa, Florida. "Frank, wir werden nicht länger mit Dir kooperieren bei dem 'Artikel', den Du zu schreiben versuchst", teilt mir Glenn Selig, Präsident der PR-Agentur The Publicity Agency, mit.

Mein Handeln vor und nach unserem ausführlichen Skype-Gespräch einige Wochen zuvor habe gezeigt, dass ich nicht "fair sein" wolle, sondern eine "Story" fabrizieren, sei sie "auf Fakten aufgebaut oder nicht". "Meinerseits frage ich Dich nicht länger nach der Adresse und Telefonnummer der ProPectin-Superfabrik in Sofia", antworte ich ihm.

Zwei Tage später verbreitet Seligs PR-Agentur eine Presseerklärung, die "Global Village Champions Foundation" lehne es ab, mit dem Freelance-Reporter Frank Stier zu arbeiten, weil dieser "offensichtlich religiöse oder politische Absichten" verfolge.

Indem mich Glenn Selig an den Pranger der Weltöffentlichkeit stellt, zieht er mich in eine Geschichte hinein, die ich eigentlich als außenstehender Beobachter berichten wollte. Anfang Oktober 2014 habe ich über Seligs "The Publicity Agency" den Kontakt zu Yank Barry gesucht, den Eigentümer des Unternehmens für Soja-Trockennahrung VitaPro und Gründer der GVCF. In einem persönlichen Gespräch wollte ich ihn zu seinen geschäftlichen und wohltätigen Unternehmungen in Bulgarien befragen, speziell auch zu seiner Aussage in einer Pressekonferenz Anfang September 2014 in Sofia:

Es war unser Ziel, Oskar Schindler zu übertreffen, der im Zweiten Weltrieg 1.200 Juden gerettet hat, und ihn dadurch zu ehren. Wir haben nun 1.218 Flüchtlinge gerettet, vor allem Syrer, Iraner und Afghanen. Warum 1.218? - 18 steht im Hebräischen für Leben, das bedeutet Leben für 1.218 Flüchtlinge.

Noch bevor ich meine recherchierten Erkenntnisse über Yank Barrys Aktivitäten in Bulgarien publizieren kann, holt die ihm dienende PR-Agentur zum publizistischen Präventivschlag aus. Selig verlinkt in seiner Presseerklärung zu seiner an mich gesandten e-mail, in der er mir "drohende und fordernde e-mails" und "unangekündigte Besuche" vorwirft und meine "Reputation ernsthaft in Frage" stellt.

Selbstlos habe Yank Barry unzählige Stunden und Millionen Dollar eigenes Geld investiert, das Leben von Flüchtlingen zu retten und jedem einzelnen von ihnen zu helfen, es wieder aufzubauen, schreibt Selig. Er sei es Barry und den Flüchtlingen schuldig, seine Zeit für "legitime, von glaubwürdigen Nachrichtenorganisationen wie CNN, "Jerusalem Post", "Globe and Mail" und NBC unter Vertrag genommene Reporter und Korrespondenten aufzuwenden, die eine wahrheitsgemäße Berichterstattung anstreben".

Es hatte etwas vom Besuch des reichen Onkels aus Amerika, als Yank Barry im November 2013 in Bulgarien auftauchte, von den bulgarischen Medien als Popstar und Selfmade-Milliardär portraitiert. Als Leadsänger der legendären Rock'n-Roll-Band "The Kingsmen", berühmt für ihren Hit "Louie, Louie", sei Barry zu Ruhm und mit fleischersetzenden Sojaprodukten zu Vermögen gekommen, berichteten sie.

Fast noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit als Barry erregte der ihn begleitende Evander Holyfield, vierfacher Box-Weltmeister im Schwergewicht und zweifacher Mike Tyson-Bezwinger. Holyfield ist nach Muhammad Ali der bedeutendste "Champ" der "Global Village Champions Foundation".

Flüchtlingslager Voenna Rampa (außen). Bild: Frank Stier

Seit dem Sommer 2013 hatte sich der Zustrom vor allem syrischer Kriegsflüchtlinge über die Grenze der Türkei nach Bulgarien verstärkt und zu katastrophalen Lebensbedingungen in den überfüllten Flüchtlingslagern geführt. Nun versprachen Yank Barry und Evander Holyfield dem armen Balkanland Hilfe. Von TV-Kameras begleitet gingen sie in Flüchtlingslager in Sofia und im südostbulgarischen Harmanli, führten einige Flüchtlinge aus ihnen heraus, um sie in einem verwaisten Vier-Sterne-Hotel in Bankia an Sofias äußerstem Stadtrand unterzubringen.

Er werde leerstehende Häuser in entvölkerten Dörfern der bulgarischen Provinz aufkaufen, um in ihnen Flüchtlinge anzusiedeln, versprach Barry und zog sich damit wütenden Protest bulgarischer Nationalisten zu.

"Warum tun Sie das?", fragte ihn der Interviewer der bulgarischen Tageszeitung Trud am 10. November 2013. "Das ist eine lange Geschichte", antwortete Yank Barry und erzählte von seinen jüdischen, von den Faschisten verfolgten und vertriebenen Vorfahren aus Weißrussland.

Zwei meiner Cousins konnten sich nach Bulgarien flüchten. Die Bulgaren haben viel Gutes getan, in dem sie ihre Juden retteten. Sie wissen, was Schindler getan hat, nicht wahr? Nun, ich halte mich nicht für Schindler, aber ich helfe den Leuten

Yank Barry zu Trud

Wie ihre renommierten Kollegen von CNN, "Jerusalem Post", "Globe and Mail", NBC und "Fox TV" stützen die bulgarischen Journalisten ihre Berichterstattung über Leben und Werk Yank Barrys zumeist unhinterfragt auf die offizielle Yank Barry-Legende. Sie wird maßgeblich von Glenn Seligs "The Publicity Agency" verbreitet und könnte überschrieben sein mit "Von Louie, Louie zum Nobelpreis".

Ihr zufolge ist Yank Barry 1948 im kanadischen Montreal als Gerald Barry Falovitch zur Welt und 1968 als "Louie, Louie"-Sänger zu Ruhm gekommen. Als er Mitte der 1980er Jahre wegen Erpressung eines Geschäftspartners eine Haftstrafe antreten muss, erlebt er seine Läuterung vom Delinquenten zum Philanthropen, wird schließlich dreimal für den Friedensnobelpreis nominiert.

Mit seiner 1995 erklärtermaßen zusammen mit Boxlegende Muhammad Ali gegründeten Stiftung "Global Village Champions Foundation" will Yank Barry zum "unbestrittenen Führer auf der Welt bei der privaten, humanitären Nahrungslieferung an bedürftige Menschen auf dem Globus werden" und "helfen, den Hunger von der Weltkarte auszuradieren".

Den Großteil seiner Gewinne aus dem Verkauf der Soja-Produkte VitaPro und des aus Apfelpektin hergestellten Nahrungsergänzungsmittels ProPectin wende er für die wohltätige Arbeit seiner "Global Village Champions Foundation" auf, sagt er. Wieviel genau, verrät er nicht. "Mein Unternehmen ist schrecklich privat in einer Reihe von Ländern", zitiert ihn der Philippine Daily Inquirer am 21. August 2011:

Ich bin Bewohner der Bahamas und zahle keine Steuern. Ich bin kein Amerikaner. Sagen wir, wir erwirtschaften mit unserem Geschäft eine Milliarde. Wie viel ich verdiene, geht mich was an. Ich gebe es den Kids. Ich habe mit Gott einen Deal gemacht; alles was ich an Steuern spare, gebe ich den Kids.

Mitte Januar 2015 haben Yank Barry und seine Frau Ivette im Rahmen einer Armenspeisung in Phoenix/Arizona den "Meilenstein" von einer Milliarde ausgeteilter Essensportionen gefeiert. "Glenn", sage ich Ende Januar 2015 zu Selig via Skype, "eine Milliarde Mahlzeiten in zwanzig Jahren bedeutet durchschnittlich knapp 137.000 Essensportionen pro Tag." "Es ist alles dokumentiert", antwortet er und schickt mir im Nachgang zu unserem Gesprächs per e-mail den Link zur "Global Relief Timeline" auf der GVCF-Website.

Die dort einsehbaren Quittungen dokumentierten das Ausmaß der geleisteten Hilfe, meint er. Tatsächlich aber sind sie weit davon entfernt, die Auslieferung einer solch gigantischen Menge an Essensportionen, belegen zu können, stelle ich zuvor bereits bei ihrer Durchsicht fest.

Voenna Rampa: Flüchtlingsenährung. Bild: Frank Stier

Über Wochen hinweg bemühe ich mich, Vasil Danov, Pressesprecher der bulgarischen "Staatlichen Agentur für Flüchtlinge" (DAB), zur Beantwortung meiner Fragen zur Sofioter Pressekonferenz vom Anfang September 2014 zu bewegen. In ihr hatte DAB-Direktor Nikolai Tschirpanliev Yank Barry für seine Unterstützung Bulgariens in der Flüchtlingskrise gedankt und angekündigt, ein neu unterzeichneter Kooperationsvertrag werde den Umfang der Zusammenarbeit ausweiten.

Seinerseits erklärte Yank Barry, 1.218 Flüchtlinge gerettet zu haben. Ich möchte nun von DAB-Pressesprecher Danov wissen, in welchem Umfang Barrys GVCF bisher Unterstützung geleistet hat und wie diese durch den neuen Kooperationsvertrag ausgeweitet wird?

Auch frage ich ihn nach den konkreten Umständen der Rettung der 1.218 Flüchtlinge bitte ihn, die von "The Publicity Agency" in einer Presseerklärung verbreitete Behauptung, "Barry und seine wohltätige Organisation stellen die tägliche Nahrung für über fünftausend Flüchtlinge in sieben bulgarischen Lagern bereit", zu bestätigen oder zu dementieren. Schließlich interessiert mich, wie vielen Flüchtlingen Yank Barry und seine Mitarbeiter zur Weiterreise in westeuropäische Länder wie Deutschland und die Niederlande verholfen haben?

"Die gewünschten Informationen beziehen sich auf die 'Global Village Champions Foundation'. Sie sollten sich an sie wenden, um sie zu erhalten", beschied mir Danov Ende Januar 2015 trocken und beendete grußlos unser Telefongespräch. Noch am Abend desselben Tages erreichte mich eine e-mail aus Tampa, Florida: "Frank", würdest Du mich bitte kontaktieren? Vielen Dank, Glenn".

Zwei Monate zuvor hatte Glenns Mitarbeiter Nathan meine Bitte nach einem Gespräch mit Yank Barry ins Leere laufen lassen, nun wollte mich der Präsident der "The Publicity Agency" persönlich sprechen. "Gerne rufe ich Dich an, nachdem Du mir Antworten zu meinen Fragen an die Flüchtlingsagentur hast zukommen lassen", antwortete ich ihm und bat ihn zusätzlich um die Adresse und Telefonnummer der von VitaPro angeblich in Sofia betriebenen Produktionsstätte für ProPectin. Von dem Nahrungsergänzungsmittel behauptet Yank Barry, es habe seine Diabetes kuriert und schütze vor krebserregenden Schadstoffen und der radioaktiven Strahlung von Fukuschima.

Ein kurzer e-mail-Schlagabtausch zwischen Selig und mir ergibt keine belastbaren Antworten auf meine Fragen. Weder kann mir Selig erklären, wo sich die 1.218 geretteten Flüchtlinge aufhalten, noch wie vielen Flüchtlingen Barrys Stiftung zur Weiterreise nach Westeuropa verholfen hat. Selbst die Nennung der Adresse und Telefonnummer der Sofioter ProPectin-Fabrik ist ihm nicht möglich, weil - wie ich bereits weiß - VitaPro eine solche Produktionsstätte in Sofia gar nicht betreibt.

Gleichermaßen fruchtlos verläuft schließlich unser einstündiges Skype-Gespräch. "Glenn", sage ich zu ihm, "in Eurer Presseerklärung vom 9. September 2014 schreibt Ihr, Barrys Stiftung liefere die tägliche Nahrung für 5.000 Flüchtlinge in bulgarischen Lagern. Anfang September 2014 waren in ihnen aber nurmehr rund 2.600 Menschen untergebracht." "Oh, wirklich?", antwortet Glenn.

Flüchtlingslager Voenna Rampa (innen). Bild: Frank Stier

Yank Barry hat einige Dutzend Flüchtlinge in zwei Hotels untergebracht hat; eines liegt in dem Viertel Bankia am äußersten Stadtrand Sofias, das andere in dem Rhodopendorf Naretschen. Vom November 2013 bis zum September 2014 haben in diesen beiden Hotels sicherlich keine 1.218 Menschen Unterkunft gefunden.

Die Frage, was Barry damit meint, 1.218 Flüchtlinge aus bulgarischen Lagern gerettet zu haben und damit mehr Menschen als auf Oskar Schindlers Liste standen, bleibt trotz einer Fülle ausgesandter Presseerklärungen und erschienener Artikel über den "jüdischen Schindler" ungeklärt, auch DAB-Pressesprecher Danov und Barrys PR-Mann Selig können sie auf meine Nachfrage nicht beantworten.

Relativ leicht identifizieren lässt sich dagegen der Ursprung der von englischsprachigen Medien häufig verwendeten Ehrenbezeichnung "jüdischer Schindler". Drei Tage nachdem Yank Barry gegenüber der Tageszeitung Trud über Schindler gesprochen hat, schildert er der "Jerusalem Post" sein Engagement in Bulgarien. "Sie nennen mich Schindler", erzählt er. "Jüdischer Schindler und Ex-Boxer tun sich zusammen, um syrischen Flüchtlingen zu helfen", überschreibt daraufhin die "Jerusalem Post" ihren Artikel. In der Folge verbreitet sich der Ehrentitel mit Unterstützung von Seligs "The Publicity Agency" rasch in den englischsprachigen Medien. In bulgarischen Medien findet er spät und vereinzelt Verwendung.

Zu Beginn dieses Jahres hat Nikola Kasakov Nikolai Tschirpanliev als Chef der bulgarischen Flüchtlingsagentur abgelöst. Er ist damit auf einen Posten zurückgekehrt, den er bereits von 2010 bis zum Oktober 2013 innehatte. In seinem Direktorenzimmer in der Flüchtlingsagentur frage ich ihn, ob Barrys Stiftung die täglichen Mahlzeiten für die Flüchtlinge in den bulgarischen Lagern bereitstellt?

"Nein", sagt Kasakov, "die Versorgung der Flüchtlinge ist Aufgabe unserer Agentur". Wahr sei, dass GVCF Spenden geleistet habe, in welcher Art und Umfang könne er aber nicht sagen. Als er Ende Januar 2015 eine Kooperationsvereinbarung mit zwölf Nichtregierungsorganisationen unterzeichnet, ist die Global Village Champions Foundation nicht darunter. Warum? "Ich habe Abkommen nur mit den Nichtregierungsorganisationen geschlossen, die mir ihr Interesse an einer Zusammenarbeit erklärt haben", sagt Kasakov.

GVCF Sofia. Bild: Frank Stier

"Hi, ich bin Yank Barry, Gründer und Vorstandsvorsitzender von VitaPro International. Sie sehen unsere ProPectin-Superfabrik in Sofia, wo das einzige originale ProPectin hergestellt wird", spricht Yank Barry in einem Videoclip mit dem Titel "ProPectin factory tour with Yank Barry". Die GVCF hat ihn Anfang Januar auf YouTube hochgeladen.

Barry steht vor einem modernen Fabrikgebäude, an dessen Außenwand die Logos von VitaPro und ProPectin prangen, er führt den Zuschauer ins Innere des menschenleeren Produktionsgebäudes und zeigt ihm Warenlager und Produktionsanlage. Für Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten ruhe der Produktionsbetrieb turnusmäßig von Mitte Dezember bis Mitte Januar, erklärt Barry das völlige Fehlen von Arbeitern. Dann zeigt Yank Barry ein Büro, dessen Wände tapeziert sind mit Dankesschreiben und Photographien berühmter Persönlichkeiten wie Muhammad Ali, Celine Dion und Michael Jordan sowie einer Kollektion Goldener Schallplatten.

Es mag gute Gründe geben für einen Unternehmer, einen dreiminütigen Videofilm über seine Produktionsgebäude zu produzieren, Reklame ist einer davon. Im Falle von Yank Barrys Fabrikführung könnte ihre Machart auf andere Beweggründe hindeuten. Er will möglicherweise den Verdacht entkräften, VitaPro, angeblich Weltmarktführer für Soja-Trockennahrungsprodukte und Apfelpektin-Nahrungsergänzungsmittel, verfüge über gar keine Produktionskapazitäten. Zusätzlich möchte er auch den Eindruck erwecken, er helfe in Bulgarien nicht nur den Flüchtlingen, sondern auch den Bulgaren, in dem er Arbeitsplätze schaffe.

Im November 2014 hat der frühere Wall Street Journal-Journalist Mark Mitchell in dem Onlinemedium "Deep Capture" eine umfassende und detailierte Darstellung Yank Barrys künstlerischer und unternehmerischer Biographie vorgelegt.

Er beschreibt darin, wie er Barry im Telefongespräch entgegen früherer Behauptungen zum Eingeständnis bringt, dass VitaPro die unter seinem Namen vertriebenen Soja-Fleischersatzprodukte fremdfertigen lässt. Vergleicht man das auf der VitaPro-Website abgebildete angebliche VitaPro-Gebäude mit der Produktionsstätte des für VitaPro produzierenden Nahrungsmittelherstellers Aliments Ed Foods im kanadischen Montreal, stellt man fest, dass es sich um ein und dasselbe Gebäude handelt.

Es wurde lediglich das Logo von Aliments Ed Foods durch das Logo von VitaPro ersetzt. In ähnlicher Weise scheint nun ein Sofioter Fabrikgebäude für Filmaufnahmen mit den Logos von VitaPro und ProPectin verziert worden zu sein, um die Existenz einer ProPectin-Produktion in Sofia zu beweisen. Produzierte aber VitaPro in der bulgarischen Hauptstadt tatsächlich ProPectin, sollte es Glenn Selig eigentlich leicht fallen, meiner drängenden Nachfrage nach der Adresse und Telefonnummer der Sofioter ProPectin-Fabrik zu entsprechen.

Bei einem Gespräch mit Vertretern der Bulgarischen Industrie- und Handelskammer (BPTK) in Sofia hat Yank Barry im Januer 2013 die Absicht geäußert, eventuell in der Stadt Trojan im bulgarischen Balkangebirge Pektin-Produktionskapazitäten zu erwerben. Seitdem findet sich in online zugänglichen bulgarischen Medien keine Zeile darüber, dass er an irgendeinem Ort in Bulgarien irgendeine Produktion eröffnet hätte, geschweige denn eine "ProPectin-Superfabrik" in Sofia.

"Die Produktion eines Nahrungsergänzungsmittel ProPectin durch VitaPro in Bulgarien ist uns nicht bekannt", teilt mir die Pressestelle der "Bulgarischen Agentur für Nahrungsmittelsicherheit" (BFSA) mit, die die Herstellung von Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmitteln zu überwachen hat.

Mark Mitchell hat seinen Deep Capture-Artikel mit "Der größte Gauner der Welt" überschrieben; er gibt darin eine schockierende Darstellung von Barry Geschäftspraktiken über die Jahrzehnte hinweg. Er schildert Barrys 1982 erfolgte Verurteilung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren wegen Erpressung eines Geschäftspartner um 82 000 $ und die gegen ihn erhobene Anklage wegen Bestechung eines Gefängnisdirektors in Texas Ende der 1990er Jahre, die nach jahrelangen Berufungsverfahren schließlich mit seinem Freispruch endete.

Mitchell beschreibt auch Barrys Rolle in der die Kunstwelt vor einigen Jahren verstörenden Affäre um angeblich authentische Skulpturen von Edgar Degas. Für einen kompletten Satz aus vierundsiebzig Skulpturen, angeblich aus nach Degas' Tod aufgefundenen Gußformen hergestellt, will Yank Barry "zwischen sieben und zwanzig Mio $" bezahlt haben. Er wird aber vom Verkäufer der Skulpturen verklagt, weil er nur einen winzigen Bruchteil dieser Summe gezahlt haben soll. Schließlich einigen sich beide außergerichtlich. Er habe aus der Versteigerung der Degas-Skulpturen zwischen 500 und 600 Mio $ für wohltätige Zwecke erzielen wollen, hat Barry erklärt. Doch nachdem Degas-Experten die Authenzität der Skulpturen angezweifelt hätten, habe er die Sache abgeblasen und bereits eingenommene Gelder zurückerstattet.

Affirmative Berichterstattung über das Phänomen Yank Barry ist häufig und findet sich außer in der "Sarasota Herald Tribune" auch in renommierten Medien wie CNN, "Jerusalem Post", "Globe and Mail", NBC und "Fox TV". Selten hinterfragen Journalisten die offizielle Version seines Lebens und Wirkens und konterkarieren sie mit seinem Image abträglichen Fakten.

Geschieht dies aber, greift Barry schnell zu rechtlichen Mitteln. Zuletzt verklagt er im Juni 2014 vier Wikipedia-Autoren wegen Verleumdung auf zehn Millionen Dollar, weil sie u. a. seiner Wikipedia-Biographie die Tatsache eingefügt haben, dass er nicht der Leadsänger der legendären Band "The Kingsmen" war, die 1963 den Welthit "Louie, Louie" aufgenommen hat. Barry ist lediglich von 1968 bis 1969 mit einer Kingsmen-Coverband die us-amerikanische Ostküste rauf- und runter getingelt.

In einem taktischen Zug, habe Barry die ursprüngliche Klage zurückgezogen, um sie ausgeweitet erneut vorzubringen, informierte "The Publicity Angency" im Juli 2014.

"Was ist mit der Klage gegen die Wikipedia-Autoren?", frage ich Glenn Selig während unserer Skype-Konferenz Ende Januar 2015. Er will mir keine Erklärung dafür geben, warum sie nicht, wie angekündigt, erneut erhoben wurde. Stattdessen erzählt er mir, "wir verklagen die National Post". Die kanadische Tageszeitung hatte im April 2012 in einem Artikel u. a. die Seriosität von Yank Barrys erster Nominierung für den Friedens-Nobelpreis aus dem selben Jahr problematisiert, war diese doch ausgerechnet von dem bulgarischen Anwalt Kiril Gorianov in Oslo eingereicht worden, dem Sofioter Repräsentanten von VitaPro und "Global Village Champions Foundation". "Halte mich auf dem Laufenden über das 'National Post'-Verfahren", bitte ich Glenn Selig, schließlich arbeite ich hin und wieder auch zu Medienthemen.