Franziskus wird zum Klimapapst

Das Vorbild: Franz von Assisi. Bild: Giotto di Bondone,1295. Gemeinfrei

Die Energie- und Klimawochenschau: Papst gegen Emissionshandel, CDU-Abgeordnete gegen Fracking und Bayern gegen Zwischenlager

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Die vergangene Woche veröffentlichte Enzyklika Laudato Si von Papst Franziskus ist nicht nur ein Plädoyer für die Sorge um unseren Planeten, sondern auch eine erstaunlich wissenschaftlich fundierte Publikation.

Anders als viele US-amerikanische Christen stimmt der Papst darin der Mehrheit der Klimaforscher zu, dass der Klimawandel stattfindet und zum größten Teil durch menschliche Aktivitäten verursacht ist.

Es besteht eine sehr starke wissenschaftliche Übereinstimmung darüber, dass wir uns in einer besorgniserregenden Erwärmung des Klimasystems befinden. (…) zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass der größte Teil der globalen Erwärmung der letzten Jahrzehnte auf die starke Konzentration von Treibhausgasen (Kohlendioxid, Methan, Stickstoffoxide und andere) zurückzuführen ist, die vor allem aufgrund des menschlichen Handelns ausgestoßen werden.

Die Päpstliche Enzyklika ist eine Aufforderung zum Handeln, zur politischen Einigung, um Umweltverschmutzung und Klimawandel zu stoppen. Die Verschwendung der Konsumgesellschaften wird angeprangert, gleichzeitig geht es um die Herstellung von Umwelt- und Klimagerechtigkeit für die Armen.

Besonders hebt der Papst dabei die Rechte der indigenen Völker und die Anerkennung von deren Lebensweisen hervor, die sich durch zahlreiche Großprojekte bedroht sehen. Rettung durch die Grüne Ökonomie wird hier nicht gepredigt, vielmehr die Rückkehr der politischen Gestaltung vor der derzeit vorherrschenden transnationalen Wirtschaft.

In diesem Kontext wird es unerlässlich, stärkere und wirkkräftig organisierte internationale Institutionen zu entwickeln, die Befugnisse haben, die durch Vereinbarung unter den nationalen Regierungen gerecht bestimmt werden, und mit der Macht ausgestattet sind, Sanktionen zu verhängen.

Den Emissionshandel sieht der Papst folglich auch als kein geeignetes Instrument, um Staaten und Unternehmen zum klimafreundlicheren Handeln zu bewegen:

Die Strategie eines An- und Verkaufs von "Emissionszertifikaten" kann Anlass zu einer neuen Form von Spekulation geben und wäre einer Reduzierung der globalen Ausstoßung von umweltschädlichen Gasen nicht dienlich. (…) Vielmehr kann es sich in einen Behelf verwandeln, der vom Eigentlichen ablenkt und erlaubt, den übermäßigen Konsum einiger Länder und Bereiche zu unterstützen.

Auf einen Ablasshandel lässt sich der Papst nicht ein, vielmehr hinterfragt er mehrfach die Macht und die Mechanismen des kapitalistischen Systems.

Andere Stimmen sehen die Wirkungslosigkeit des Emissionshandels noch immer im zu niedrigen Preis der Zertifikate begründet. Anlässlich der Vorstellung eines Sonderberichts der Internationalen Energieagentur (IEA) zu Energie- und Klimawandel kritisierte der Ökonom Ottmar Edenhofer einen viel zu niedrigen, nämlich effektiv negativen Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen.

Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) stammen etwa 11% der globalen energiebezogenen CO2 -Emissionen aus "Regionen, in denen ein Markt für CO2-Emissionen existiert (mit einem Durchschnittspreis von $7 pro Tonne CO2), während 13% der energiebezogenen CO2-Emissionen in Märkten mit Subventionen für fossile Brennstoffe auftreten (im Durchschnitt liegt die Subventionshöhe bei $115 pro Tonne CO2)". Zum Teil überschneiden sich die beiden Arten von Märkten.

Trotz des mangelhaften Emissionshandels gibt sich die IEA optimistisch und sieht Fortschritte bei der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Treibhausgasausstoß. Allerdings wird mit den bisher angegebenen Reduktionszielen der Staaten bis zum Jahr 2030 kein Scheitelpunkt der globalen Emissionen erreicht.

Die IEA prognostiziert ein globales Wirtschaftswachstum von 8,8 % im Vergleich zu einem Anstieg der energiebezogenen CO2-Emissionen um 8 %. Erneuerbare Energien würden bis 2030 zur führenden Stromquelle aufsteigen.

Ein kurzfristigerer Wendepunkt beim CO2-Ausstoß ließe sich aber durch mehr Energieeffizienz im Industrie-, Gebäude- und Transportsektor, das Abschalten wenig effizienter Kohlekraftwerke, massive Investitionen in Erneuerbare, die allmähliche Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe sowie der Reduktion von Methanemissionen in der Öl- und Gasproduktion erreichen.

Mit diesen Überbrückungsstrategien könnte das 2-Grad-Ziel noch erreicht werden. Direkte Rebound-Effekte seien in das Szenario bereits eingeflossen, heißt es in der Studie.

Moratorium für Fracking in der EU gefordert

Bekanntlich ist die Energiegewinnung nicht nur mit Auswirkungen auf das Klima, sondern auch mit anderen Umweltfolgen verbunden. So häufen sich Befürchtungen, dass die Fracking-Technologie zur Gewinnung von Schiefergas zu einer Verschmutzung der Wasserressourcen führen wird.

Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft und der Deutsche Heilbäderverband fordern die deutschen Bundestagsabgeordneten in einer gemeinsamen Erklärung auf, die Wasserressourcen besser vor zukünftigen Verunreinigungen durch Fracking zu schützen. Die beiden Verbände halten die im Fracking-Gesetz vorgesehenen Wasserschutzregelungen nicht für ausreichend:

Sie fordern größere Schutzgebiete, das Verbot des Einsatzes von wassergefährdenden Stoffen beim Fracking und strengere Vorgaben für die Entsorgung des Fracking-Abwassers.

Neben der Gefährdung des Trinkwassers rückt mit der Stellungnahme erstmals die Problematik der zahlreichen Thermal- und Heilquellen in Deutschland in den Vordergrund. "Wenn für die Heilbäder und Kurorte die natürlichen Heilmittel gefährdet werden, stehen die Arbeitsplätze von rund 400.000 Beschäftigten, die direkt und indirekt in dieser Branche arbeiten, in Frage", erklärt DHV-Geschäftsführer Rolf von Bloh. Leider lässt sich diese Zahl nur schwer überprüfen, eine Zahl von direkt Beschäftigten gibt der Branchenverband nicht an.

Ebenfalls mit dem Verlust von Arbeitsplätzen drohen an der Fracking-Technologie interessierte Unternehmen, die mit Briefen an Abgeordnete versuchen, Einfluss auf deren Entscheidung zu nehmen. Von 20.000 bis 25.000 gefährdeten Arbeitsplätzen in der Erdgasbranche ist die Rede, sollte die unkonventionelle Gasförderung in Deutschland nicht erlaubt werden.

Die Firma Schlumberger malt gleich den Teufel an die Wand, indem sie vor einem Zusammenbruch des Erdgassektors und dadurch entfallendes Expertenwissen warnt Existierende Bohrungen könnten dann nicht mehr fachgerecht stillgelegt werden, letztlich würde die Bevölkerung gefährdet.

Tatsächlich herrscht unter den Abgeordneten der Regierungskoalition noch keine Einigkeit über das Fracking-Gesetz. Die Abstimmung über das Gesetz war am 16. Juni um zwei Wochen verschoben worden. Es ist aber zu vermuten, dass es vor der parlamentarischen Sommerpause nicht mehr behandelt wird.

Über 100 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion fordern strengere Auflagen für das Fracking. Die SPD-Fraktion stört sich hingegen daran, dass eine Expertenkommission über die Genehmigung kommerzieller Frackingvorhaben entscheiden soll.

Die skeptischen Stimmen zu dem Gesetzentwurf können sich dabei auf zwei neue Studien zur Belastung des Trinkwassers mit Chemikalien aus den USA und aus Großbritannien berufen. Wissenschaftler der University of Texas untersuchten 550 Wasserquellen in der geologischen Formation Barnett Shale, einem großen Gebiet der unkonventionellen Gasförderung in Texas.

In zwei Dritteln der Proben stellten die Wissenschaftler giftige Stoffe wie Benzol, Toluol, Ehylbenzol und Xylole fest. Wenn Menschen diese Stoffe zu sich nehmen, können sie Leber und Nerven schädigen sowie Krebs verursachen. Das Lösungsmittel Dichlormethan wurde in einem Fünftel der Quellen nachgewiesen. Auch dieses Mittel gilt als erbgutschädigend und krebserregend.

Die britische Organisation Chem Trust hat soeben die Studie Fracking pollution: How toxic chemicals from fracking could affect wildlife and people in the UK and EU herausgegeben. Die Nichtregierungsorganisation fordert ein EU-weites Fracking-Moratorium bis zu einer umfassenden Regulierung der Technologie.

In dem Bericht werden 38 Frackingchemikalien benannt, die für Menschen toxisch sind und 20 weitere, die möglicherweise erbgutschädigend und krebserregend sind. Zu den Forderungen von Chem Trust gehört, dass die Unternehmen alle eingesetzten Chemikalien offen legen müssen und sich nicht hinter einem Betriebsgeheimnis verschanzen dürfen.

Atommüll soll nach Bayern

Für die Lagerung des wiederaufbereiteten Atommülls aus deutschen Kernkraftwerken hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks jetzt einen Vorschlag unterbreitet. Demnach sollen die 26 Castoren, die zwischen 2017 und 2020 aus La Hague und Sellafield zurückkehren sollen, in Zwischenlagern in Philippsburg (Baden-Württemberg), Biblis (Hessen), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Isar (Bayern) aufbewahrt werden.

Hendricks erklärte, dass diese Standorte sowohl unter technischen, rechtlichen und verfahrensbezogenen Aspekten als auch aus politischer Sicht am besten geeignet seien. Die vier Kraftwerksbetreiber EnBW. E.ON, RWE und Vattenfall haben das Konzept begrüßt und wollen die Standorte prüfen.

"Im Falle einer Einigung auf ein gemeinsames Konzept mit angemessener Kostenverteilung ist auch die Rücknahme sämtlicher Klagen einschließlich der Verfassungsbeschwerden zur alternativen Zwischenlagerung möglich", heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung der Energiekonzerne.

Abzuwarten bleibt hier, was die Konzerne unter einer angemessenen Kostenverteilung verstehen.

Der bayerischen Landesregierung gefällt die Zuteilung der Castoren gar nicht, die Hendricks bereits im Februar für den Fall, dass die Länder sich nicht einigen, angekündigt hatte. Der bayerische Staatskanzleichef Huber drohte der Bundesministerin nun damit, die Energiewende scheitern zu lassen.