Folter und die Herrschaft des Rechts

Ein Beitrag zum Internationalen Tag zur Unterstützung der Folteropfer - Teil 1

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am 26. Juni finden weltweit Aktionen von Amnesty International gegen die Folter statt. Amnesty klagt an, dass der Albtraum Folter weltweit für unzählige Menschen Realität sei. Allein in den letzten 5 Jahren sei in 141 Ländern gefoltert und misshandelt worden: "Trotz absolutem Verbot foltern Regierungen im Verborgenen oder liefern Menschen in Länder aus, wo in Folter droht."

Der im Dezember des letzten Jahres veröffentlichte Bericht des Geheimdienstausschusses des US-Senats über CIA-Foltermethoden an Gefangenen, die des Terrorismus verdächtigt wurden, beweist, dass auch die USA zu den "Schurkenstaaten" zählen, die sich barbarischer Foltermethoden bedient haben, um Aussagen zu erpressen.

Der römische Rechtsgelehrte Ulpian wusste schon im 3. Jahrhundert, dass "Aussagen, die man auf diese Weise erhält, schwach und gefährlich und der Wahrheitsfindung abträglich sind. Denn die meisten Menschen verachten, sei es aufgrund ihres Widerstandsvermögens, sei es aufgrund der Heftigkeit ihrer Folterung, das Leiden so sehr, dass es gänzlich unmöglich ist, Ihnen die Wahrheit abzupressen. Andere sind so wenig in der Lage, Schmerzen zu ertragen, dass sie lieber lügen, als sich dem Verhör auszusetzen."

Der Folterreport des Geheimdienstausschusses belegt die Richtigkeit dieser Einschätzung: Er kommt zu dem Schluss, dass die Foltermethoden "kein wirksames Mittel" gewesen seien, "um geheimdienstliche Informationen zu gewinnen oder die Inhaftierten zur Kooperation zu bewegen" und dass sich die Rechtfertigung der CIA für die Anwendung dieser Methoden auf "unzutreffende Behauptungen über ihre Wirksamkeit" gestützt habe.

Der Bericht des US-Senats über hat weltweit für Empörung und Entsetzen gesorgt. Er offenbart schockierende Grausamkeiten. Der Report zeigt, zu welchen moralischen Schandtaten und gravierenden Rechtsbrüchen die USA im Kampf gegen Terrorismus bereit waren. Die USA, die Präsident Ronald Reagan einst "eine leuchtende Stadt auf einem Hügel" genannt hatte, versinken im Sumpf ihrer eigenen moralischen und politischen Ansprüche.

Ist das die "westliche Wertegemeinschaft", von der insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder fabuliert, wenn sie zum Beispiel gegenüber Russland den moralischen Zeigefinger erhebt? Wo bleibt die so oft von Frau Merkel in diesem Zusammenhang beschworene "Herrschaft des Rechts", wenn die USA in ihrem Kampf gegen den Terrorismus ungerügt und ungerührt das Recht ignorieren, indem sie Menschenrechte und das Völkerrecht verletzen?

Wolfgang Nešković. Foto: Katja Julia Fischer.

Der Folterbericht belegt, dass die USA im Kampf gegen den Terrorismus jedes rechtsstaatliche Maß verloren haben. Mit den dabei angewandten Foltermethoden verlassen sie einen identitätsstiftenden Kernwert rechtsstaatlichen Denkens: Zur Bekämpfung des Terrorismus haben die Vereinigten Staaten terroristische Mittel angewandt. Die von ihnen bekämpften Terroristen können triumphieren: Sie haben die USA dazu gebracht, sich als Pharisäer zu entlarven. Im Namen der "nationalen Sicherheit" haben sie das Recht gebrochen und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen. Nur im Reich von Terroristen kann der Zweck die Mittel heiligen - nicht jedoch im Reich des Rechtsstaats. Der Rechtsstaat kann nur mit den Mitteln des Rechtsstaats verteidigt werden, jedoch nicht mit den Mitteln des Terrorismus.

Die Publikation des Folterberichts eröffnet aber auch die Möglichkeit, den Gesamtzusammenhang, in dem die Folterpraktiken der CIA stehen, in den Blick zu nehmen. In ihrem "Krieg gegen den Terror" entziehen sich die Vereinigten Staaten nicht nur dem nationalen und dem internationalen Recht, sondern ihr Krieg ist auch schrankenlos und umfassend: Menschen wurden weltweit entführt, in Geheimgefängnissen gefangen gehalten und gnadenlos gefoltert. Mit Drohnen werden bis heute in unterschiedlichsten Ländern tatsächliche und vermeintliche Terroristen hingerichtet. Dass dabei auch Frauen und Kinder, die sich im Wirkungskreis der Bomben aufhalten, ermordet werden, wird in Kauf genommen und zynisch als "Kollateralschaden" abgetan. Solche Angriffe geschehen im rechtsfreien Raum. Das Völkerrecht enthält keine Rechtsgrundlage für die Tötung vermeintlicher Terroristen außerhalb einer Gefechtssituation.

Mithilfe der National Security Agency (NSA) streben die USA mit perfiden Überwachungsmethoden eine möglichst vollständige Kontrolle des Kommunikationsverhaltens und der Inhalte technischer Kommunikation zwischen Menschen an.

Es ist an der Zeit, dass die zivilisierte Welt ihre Stimme gegen diese Art der Kriegsführung erhebt und dafür sorgt, dass die "Herrschaft des Rechts" sich aus der "Herrschaft der bloßen politischen Rhetorik" befreit und Teil der erlebbaren Wirklichkeit wird.

Die Verbindlichkeit des Rechts wird nur dadurch gesichert, dass bei Verstößen die vorgesehenen Sanktionen auch durchgesetzt werden. Da die Gleichheit vor dem Gesetz ein Kernelement des Rechtsstaats ist, muss das Recht nicht nur für diejenigen gelten, die unmittelbar gefoltert haben, sondern auch für diejenigen, die hierfür die Verantwortung tragen - unabhängig davon, ob sie Präsident oder Minister sind beziehungsweise waren. Den Glaubwürdigkeitstest besteht das Recht aber nicht nur dann, wenn der Gleichheitsgrundsatz beachtet bleibt, sondern auch dann, wenn es sich in der Krise durchsetzt. Nur wenn das Recht auch in schwierigen und extremen Situationen geachtet wird und gewahrt bleibt, kann es seine regulierende Kraft und friedensstiftende Funktion dauerhaft entfalten. Die "Herrschaft des Rechts ist keine "Schönwetterveranstaltung", die suspendiert werden kann, wenn die Verhältnisse stürmisch werden.

Konkret bedeutet das: Das Recht muss die zu seiner Durchsetzung vorgesehenen Sanktionen nicht nur gegenüber den Schwachen, sondern auch gegenüber den Mächtigen durchsetzen. Für die Bundesrepublik Deutschland heißt das, wir alle müssen dafür sorgen, dass die durch den CIA-Folterreport belegten Folterungen dazu führen, dass die Folterer und ihre Hintermänner zumindest in der Bundesrepublik strafrechtliche Konsequenzen fürchten müssen.

Der zweite Teil von Wolfgang Neškovićs Beitrag zum Internationalen Tag zur Unterstützung der Folteropfer erscheint morgen. Mehr zum Thema finden Sie im offiziellen Bericht des US-Senats zum Internierungs- und Verhörprogramm der CIA, den der ehemalige Bundestagsabgeordnete und BGH-Richter im Ruhestand für den Westend-Verlag auf deutsch kommentiert und herausgegeben hat.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.