Griechenland: Tsipras schlägt Referendum vor über "demütigende Forderungen"

Am 5. Juli soll eine Volksabstimmung darüber entscheiden, ob der Maßnahmenkatalog, den seine Regierung mit der EU und den Institutionen aushandeln kann, Unterstützung findet

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Heute tagt das griechische Parlament, um über einen überraschenden Vorschlag des Ministerpräsidenten Tsipras abzustimmen: Der Regierungschef kündigte in einer Fernsehansprache an, am 5.Juli ein Referendum über die Reformen abzuhalten, welche die Euro-Gruppe und die Institutionen verlangen.

Tsipras ist in der Legitimitäts-Klemme. Vorschläge zur Behebung der Schuldenkrise, die eine Chance haben, von der EU-Kommission, vom IWF und der EZB akzeptiert zu werden, gehen weiter als die Positionen, die er öffentlich vertreten hat, im Wahlkampf und in seiner Amtszeit. Im griechischen Parlament würde er damit die Regierungsmehrheit verlieren.

Eine Mehrheit für ein Entgegenkommen der Forderungen aus der Eurogruppe und den Geldgebern würde er nach Stand der Dinge nur mit Stimmen bekommen, die seine politische Basis untergraben. Dies wäre ein "zwingender Grund für Neuwahlen".

Um sich Legitimität für Konzessionen oder eben für die Ablehnung der Forderungen zu verschaffen, greift der Ministerpräsident nun auf eine Option zurück, mit der frühere Regierungschef Giorgos Papandreou im Herbst 2011 für große Aufregung und "Entsetzen" und Debatten in Europa gesorgt hat (Link auf 35802 (im Mai 2012 gab es helle Aufregung in Griechenland darüber, ob die deutsche Kanzlerin Merkel ihrerseits ein Referendum "pro oder contra Euro" vorgeschlagen habe).

Tsipras begründete seinen Vorschlag, den er nach einer mehrstündigen Kabinettssitzung bekannt gab, damit, dass seine Regierung "ultimativ aufgefordert wurde, noch mehr Sparlast zu akzeptieren". Aus seiner Sicht ist dies gleichbedeutend mit einem weiterem Schrumpfen der griechischen Wirtschaft

Manche der Institutionen und der Partner haben wohl die Absicht, ein ganzes Volk zu demütigen.

Der Maßnahmenkatalog der Verhandlungspartner, den griechische Medien in seiner Originalform, auf Englisch, veröffentlichten rief in Griechenland einiges Unverständnis hervor (vgl. Bizarre Dialoge in Brüssel um die Griechenlandfrage...)

Eine Volksabstimmung (Korrektur: hier stand zuvor "über den Grexit", das ist falsch; Einf. d.A.) würde aber nochmal andere Gewichte in Spiel bringen. Ob das Pfund, das Tsipras damit auf den Verhandlungstisch gelegt hat, auch bei den Institutionen wirkt und zu Neupositionierungen führt, ist möglicherweise der letzte Wetteinsatz, den Tsipras noch auslegen kann.