Grexit, die Nato und die Geopolitik

Nato-Generalsekretär Stoltenberg drängt die Griechen, trotz der Krise die vergleichsweise hohen Verteidigungsausgaben nicht zu senken

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Die Zahlungsunfähigkeit des Nato-Mitgliedlands Griechenlands könnte nicht nur finanzielle, wirtschaftliche und politische Folgen haben, sondern auch militärstrategische. Griechenland könnte etwa die vergleichsweise hohen Rüstungsausgaben senken, vielleicht auch aus der Nato aussteigen, wird bereits gefürchtet. In die mögliche Schwachstelle im Südosten Europas könnten Russland und China einsteigen, daher geht es beim Grexit auch um Geopolitik.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg fordert während Besuch in Berlin, dass Griechenland die Verteidigungsausgaben nicht kürzt. Bild: Nato

Während weiterhin der Nahe Osten im Aufruhr bleibt und die Kämpfe im Irak, in Syrien und Libyen anhalten, wird Griechenland auch ein Magnet für Flüchtlinge bleiben. Der Verteidigungsminister Kammenos von den rechten "Unabhängigen Griechen" hatte schon im Streit um die Sparauflagen angedroht, den Flüchtlingen die Türen in die EU zu öffnen, darunter könnten auch Mitglieder des Islamischen Staates sein.

Die griechische Regierung will am Mittwoch neue Vorschläge einreichen, um über ein neues, ein drittes Hilfsprogramm in Höhe von 29 Milliarden Euro zu verhandeln. Das zweite Hilfsprogramm wurde nicht verlängert, damit verfallen die noch ausstehenden Milliarden. Verhandeln will man mit Griechenland erst nach dem Referendum. Sollte eine Mehrheit der Griechen für die Annahme des Sparpakets stimmen, müsste die Regierung Tsipras eigentlich zurücktreten und den Weg für Neuwahlen freimachen. Oder die Regierung verzichtet doch noch auf das Referendum, was kaum vorstellbar erscheint, nachdem man den Vorschlag den Bürgern gemacht hat.

Die griechische Regierung scheint darauf zu setzen, dass sie bei einem Nein weiter an der Macht bleibt und bei einem Ja zwar zurücktritt, aber mit einem dritten Rettungsprogramm die Wahlen erneut gewinnen könnte, weil sie sich, wie bei den Wahlen versprochen, den mit dem zweiten Programm verbundenen Forderungen nicht gebeugt hat.

Die Lage Griechenlands im Südosten Europas angesichts der Krisen im Nahen Osten und in der Ukraine bzw. mit Russland stimmt manche bedenklich, sollte Griechenland in den Grexit gehen. Es-US-Admiral James Stavridis, ein früherer Nato-Kommandeur, sieht Europa und auch die USA in Gefahr, sollte Griechenland ins Chaos abgleiten: Es geht in dieser Krise um mehr als Geld und die Finanzmärkte."

Das hat nun auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in einem Interview mit dem ZDF klar gemacht. Er warnte Griechenland davor, die Ausgaben für den Militärhaushalt zu senken, auch wenn das Pleiteland bislang mehr als die von der Nato geforderten 2 Prozent des BIP für die Verteidigung ausgibt. Letztes Jahr hatte die Nato erneut auf Druck der USA im Kontext des Konflikts mit Russland beschlossen, dass alle Mitgliedsländer mindesten 2 Prozent des nationalen BIP in die Rüstung investieren müssen, was kaum ein Mitgliedsland macht. Griechenland habe im Rahmen der Nato im West-Balkan für Stabilität und Frieden gesorgt: "Ich erwarte, dass es diese stabilisierende Rolle auch künftig einnehmen kann. Alle 28 NATO-Mitglieder sind da in der Pflicht, so auch Griechenland."

Es ist schon ein wenig seltsam, wenn nun der Nato-Generalsekretär eine Regierung, die überall sparen soll, dazu auffordert, nur ja nicht an die Verteidigungsausgaben zu gehen. Stoltenberg und die USA haben vermutlich Angst, dass eine Kürzung der Verteidigungsausgaben in Griechenland anstecken könnte. Bei seinem Besuch in Berlin anlässlich des 60-jährigen Nato-Beitritts Deutschlands betonte er denn auch die Mitwirkung Deutschlands an Missionen außerhalb des Nato-Gebiets und an die führende Rolle bei der Aufrüstung gegen Russland. Das war Stoltenberg besonders wichtig, der erklärte, dass wir in "gefährlichen Zeiten" leben und deshalb die Nato und eine "starke Führung" brauchen würden: "Und ich vertraue Deutschland wirklich, diese Führung zu demonstrieren und ein Beispiel für die fiskalische Disziplin zu setzen, aber auch die Rüstungsausgaben zu erhöhen". Verteidigungsministerin von der Leyen stimmte jedenfalls brav zu: "Sicherheit braucht auch Investitionen. Die Ausgaben müssen gerade in Hinsicht auf die Durchhaltefähigkeit von Material und Personal angehoben und Strukturen entsprechend angepasst werden."

Die Nato erwartet, so ein Bericht vom 22. Juni 2015 (!), dass zwar Deutschland 2015 kaum mehr für Rüstung ausgeben wird, wohl aber Griechenland. Die Verteidigungsausgaben sollen von 3,939 Milliarden Euro 2014 auf 4,265 Milliarden ansteigen, während diese selbst in den USA und Großbritannien leicht sinken. Ansonsten wird mit einem starken Anstieg im Verhältnis zum BIP in den baltischen Staaten und Polen ausgegangen. Die Griechen haben 2014 noch 2,2 Prozent der BIP für die Verteidigung ausgegeben, 2015 sollen es sogar 2,4 Prozent sein. Deutschland, einer der größten Waffenexporteure nach Griechenland, bleibt weiter bei 1,2 Prozent. Nur Estland, Stoltenbergs Norwegen, Polen, Großbritannien und natürlich die USA geben 2 Prozent und mehr für die Verteidigung aus.

Griechenland also soll weiter 2,4 Prozent des BIP für die Verteidigung ausgeben, während die Menschen gerade noch 60 Euro täglich abheben dürfen, die Wirtschaft schrumpft und die Schulden auf 175 Prozent des BIP angestiegen sind. Das meiste Geld geht in die Personalkosten, für die griechische Regierung sind die Verteidigungsausgaben daher auch ein Mittel, den Anstieg der Arbeitslosigkeit ein wenig zu dämpfen, immerhin sollen 2,7 Prozent der Bevölkerung im Arbeitsalter beim Militär beschäftigt sein. Es könnte aber auch gut sein, dass die deutsche Regierung die griechische Linksregierung zwar zum Sparen auffordert, aber nicht in der Rüstung. Vor wenigen Tagen verkündete Yiannis Bournous von Syriza, dass man gerne die Verteidigungsausgaben um mehr als die bereits angekündigten 200 Millionen Euro kürzen wolle. Angeblich hatte der IWF zuvor einen Vorschlag abgelehnt, die geforderten Kürzungen bei den Renten durch Kürzungen bei den Verteidigungsausgaben zu kompensieren.