Fotografieverbote: Rudert das Europäischen Parlament zurück?

Rechtsanwalt Christian Solmecke: Auch die derzeitige Rechtslage birgt Tücken

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Am 9. Juli 2015 soll in Straßburg über den Bericht über die Entwicklung des Urheberrechts innerhalb der EU abgestimmt werden. Im Rechtsauschuss des Europäischen Parlaments hatte man sich im Juni auf einen Text für den Bericht über die Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG geeinigt, der die beispielsweise in Deutschland bestehende sogenannte Panoramafreiheit einschränken würde - das heißt die Freiheit, Selfies und andere Fotos vor dem Hintergrund von Häusern und anderen Bauwerken aufzunehmen.

Wörtlich heißt es in dem bei den Ausnahmen und Beschränkungen unter Punkt 46 aufgeführten Änderungsantrag:

[Das Europäische Parlament] vertritt die Auffassung, dass die gewerbliche Nutzung von Fotografien, Videomaterial oder anderen Abbildungen von Werken, die dauerhaft an physischen öffentlichen Orten platziert sind, immer an die vorherige Einwilligung der Urheber oder sonstigen Bevollmächtigten geknüpft sein sollte.

Nachdem bekannt wurde, dass diese Formulierung eine Abmahnwelle für Fotos in Sozialen Netzwerken wie Facebook auslösen könnte, meldete der Spiegel unter Berufung auf Parlamentarier aus den beiden großen Fraktionen, dass das Plenum diese Forderung des Rechtsausschusses ablehnen will. Ob das tatsächlich so ist, steht erst am 9. Juli fest.

Grafik: TP. Bild "Eiffelturm": Nicolas Halftermeyer. Lizenz: CC-BY-SA-3.0.

Doch auch dann, wenn die Gesetzeslage so bleibt, wie sie ist (und dadurch auf der Ebene der Nationalstaaten entsprechend der jeweiligen historischen Entwicklung stark variiert), birgt das Urheberrecht dem Kölner Medienrechtsexperten Christian Solmecke nach Gefahren für Fotografen und Privatnutzer.

Herr Solmecke - kann jemand in Deutschland heute schon belangt werden, wenn er beispielsweise das Atomium auf seiner Seite online stellt?

Christian Solmecke: Grundsätzlich ist dies möglich, denn es gilt das Schutzlandprinzip. Das heißt, dass bei Fragen des geistigen Eigentums immer das Recht desjenigen Staates anzuwenden ist, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird. Bei einer Veröffentlichung im Netz, die in vielen verschiedenen Ländern zugänglich ist, gehen Juristen im Ergebnis davon aus, dass zur Sicherheit das Recht aller Staaten angewendet werden muss, in dem das Material abgerufen werden kann. Der Contentprovider muss somit die Urheberrechtsordnungen aller Staaten beachten.

Kann ein einschlägiges belgisches Urteil in Deutschland vollstreckt werden?

Christian Solmecke: Innerhalb der EU gilt Artikel 36 der EU Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen: "Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf". Dementsprechend können diese anerkannten Urteile auch grundsätzlich vollstreckt werden. In Artikel 39 heißt es wörtlich: "Eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, ist in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf".

Gibt es die Möglichkeit entsprechende Forderungen auch ohne Urteil in Deutschland durchzusetzen?

Christian Solmecke: Nein, Forderungen können nur mit einem vollstreckbaren Titel durchgesetzt werden.

Kann der deutsche Bildautor nach Einreise nach Belgien belangt werden?

Christian Solmecke: Die Einreise ist für die rechtliche Verfolgung einer Urheberrechtsverletzung nicht relevant. Der deutsche Bildautor riskiert unabhängig von seiner Einreise, dass er von den Rechteinhabern belangt wird.

Der französische MEP, der den Änderungsantrag für den Bericht zum Urheberrecht geschrieben hatte, will damit durchsetzen, dass Facebook für die Bildernutzung an die Rechteinhaber bezahlen. Facebook hat sich von seinen Kunden zusichern lassen, dass sie alle Rechte an den Bildern haben. Was nun?

Christian Solmecke: Facebook lässt sich von den Nutzern die Rechte einräumen. Besitzen die Nutzer die Rechte nicht, kann Facebook - gesetzt den Fall Facebook nutzt die Bilder selbst - in Anspruch genommen werden und anschließend Regress bei den Nutzern nehmen. Facebook hat hier kein Interesse daran, Geld an die Rechteinhaber zu zahlen.