Ukraine: Rechter Sektor in Schießerei verwickelt

Es gab Tote und Verletzte, der Vorfall macht die prekäre Lage deutlich

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der Ukraine geraten rechtsextremistische Angehörige der Miliz des Rechten Sektors und Sicherheitskräfte wieder einmal aneinander. Der Rechte Sektor wurde als ein Teil der "Selbstverteidigungskräfte" des Maidan bekannt. Nach dem Sturz von Janukowitsch wurde versucht, die Militanten in die neu geschaffene Nationalgarde zu integrieren. Der Rechte Sektor weigerte sich und legte auch die Waffen nicht nieder, obwohl es zu Schießereien und Toten gekommen war.

Viele Unterstützer der Maidan-Bewegung im Westen versuchten - und versuchen weiterhin -, die rechtsnationalistischen Militanten klein zu spielen. Der von Kiew erklärte Antiterrorkrieg gegen die Rebellen und später Separatisten in der Ostukraine ließ jedoch die rechten Milizen wichtig werden, weil die ukrainische Armee nicht kampffähig, aber auch nicht kampfwillig war. Die nationalistischen Ideologen waren hingegen motiviert, in den Bürgerkrieg zu ziehen, in den zunehmend auch Russland involviert war.

Selbstdarstellung des Rechten Sektors: Gewalt ist sexy

Zwar hat das Minsker Abkommen vorgesehen, dass Milizen aufgelöst werden müssen. Das geschah auf beiden Seiten zumindest pro forma auch weitgehend, nur der Rechte Sektor, auch eine Partei, geführt von Ex-Präsidentschaftskandidat Jarosch, weigerte sich, die bewaffneten Gruppen dem Militärkommando zu unterstellen, obgleich die Regierung ihn zum Berater des Generalstabs ernannte. Kritiker wiesen stets darauf hin, dass parallele Machtstrukturen, auch wenn sie bei Wahlen wenig Bedeutung haben, trotzdem großen Einfluss ausüben können. Wenn der Zentralstaat mit einigen tausend hoch motivierten und bewaffneten Extremisten konfrontiert ist, die nicht nur gegen die Separatisten kämpfen, sondern auch im von Kiew kontrollierten Gebiet in ihrem Sinn für Recht und Ordnung sorgen, ist dies Anlass zur Sorge. Zumal der Rechte Sektor nie ein Geheimnis daraus gemacht hat, dass zwar Russland der Hauptfeind ist, aber dass man sich auch nicht der EU und der Nato anschließen will.

Innenminister Awakow, seit der Übergangsregierung ein Gegner des Rechten Sektors, meldete über Facebook, dass in der Stadt Mukatschewe (Transkarpatien), also weit weg von der Front, eine kriminelle Gruppe ein Gebäude am Samstag angegriffen hätten. Dabei wären durch Granaten zwei Polizeiwagen zerstört, zwei Polizisten und vier Zivilisten verletzt worden. Präsient Poroschenko hat die Polizei und den Geheimdienst SBU aufgefordert, die Kriminellen festzunehmen. Es kam auch zu einer weiteren Schießerei. Die Angreifer, so heißt es, seien vom Rechten Sektor.

Beim Rechten Sektor gab man die Beteiligung zwar zu, deutete aber den Vorfall als Ereignis, das die Geschichte verändern könnte. Hunderte von Kriminellen, so die Version des Rechten Sektors, würden für Mykhailo Lanyo, einen Rada-Abgeordneten, der einst der Janukowitsch-Partei angehörte, ihren Geschäften nachgehen. Die Kriminellen würden auch in Polizeiuniformen auftreten. Sie hätten versucht, Angehörige des Rechten Sektors zu töten. Im Hintergrund soll auch der "Hauptfeind", der Kreml, stehen. Zwei Kämpfer des Rechten Sektors seien nach heftigen Schießereien getötet und vier verletzt worden. Insgesamt sollen mindestens 11 Personen verletzt worden sein.

Awakow sprach davon, dass die Kriminellen eingekreist worden wären, der Rechte Sektor erklärt hingegen, dass seine Kämpfer schließlich durch den "Ring der Banditen" gekommen und sich in die Berge zurückgezogen hätten. Anlass der Kämpfe war nach dem Rechten Sektor, dass die Miliz den Drogenhandel unterbinden wollte, offenbar in eigenmächtiger Initiative. Gut möglich, dass die Polizei korrupt ist, dass der Rechte Sektor aber mit Waffengewalt für Recht und Ordnung sorgen will, müsste auch im Westen die Alarmglocken schrillen lassen.

Die Lage scheint weiter konfus zu sein. Anton Gerashchenko, ein Berater des Innenministeriums, schreibt wiederum auf den Sozialen Netzwerken, die in der Ukraine zu den offiziellen Verlautbarungsmedien für Ministerien wurden, dass die Lage unter Kontrolle sei. Im Widerspruch zur Darstellung des Rechten Sektors habe es Verhandlungen zwischen dem SBU und dem Kommandeur des Rechten Sektors gegeben. Eine bewaffnete Gruppe von 15-20 Mann habe ein Gebäude angegriffen, das mit Lanyo verbunden sei. Drei der Angreifer seien getötet worden, der Rest sei einem Wald umzingelt. Jarosch, der Führer des Rechten Sektors, verlangt, die Banditen und Polizisten festzunehmen, die das Feuer eröffnet hätten. Zudem hat der Rechte Sektor die "Mobilisierung" seiner Kämpfer angeordnet.

Nach der Polizei hatten sich bewaffnete Mitglieder des Rechten Sektors mit Personen in einem Café getroffen, um die Macht zu verteilen. Die Polizei habe den Treff umstellt und sei daraufhin beschossen worden. Es sei, so wird vermutet, um den Zigarettenschmuggel gegangen. Ob nun Kiew entschlossen die Entwaffnung und Auflösung des Rechten Sektors vornehmen wird, ist fraglich. Auch wenn der Oligarch Kolomoyskyi, zeitweise Gouverneur von Dnipropetrowsk, wohin der Rechte Sektor seinen Stützpunkt verlegt hat, vom Oligarchen Poroschenko entmachtet wurde, scheint man gegen die militanten Rechtsnationalisten nicht vorgehen zu wollen.