Es war eine Buk-M1 - oder eine Luft-Luft-Rakete

Am Jahrestag des Abschusses von MH17 werden wieder neue Hinweise auf die Täter von Medien geliefert

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Noch eine Theorie zum Abschuss der Passagiermaschine MH17 wird nun von russischer Seite geliefert. Bislang vertritt man dort zwei Szenarien: Entweder hat ein ukrainisches Kampfflugzeug die Maschine abgeschossen oder eine BUK-Rakete, die von einem von Kiew kontrolliertem Gebiet abgeschossen wurde. Zur ersten Version wird nun eine Analyse von russischen Experten hinzugefügt, die zu belegen sucht, dass MH17 von einer vermutlich israelischen Luft-Luft-Rakete aus der Luft geholt wurde. Der Sprengkopf könne nur zwischen 10-40 kg schwer gewesen sein, was russische Raketen ausschließe. Weil die Rakete in unmittelbarer Nähe des Cockpits explodierte, müsse es sich zudem um einen Infrarot-Suchkopf handeln.

Der Bericht des internationalen Untersuchungsteams unter der Leitung des Dutch Safety Board soll von einer BUK-Rakete ausgehen, ansonsten vertritt man im Westen weitgehend die Annahme, dass MH17 von einer BUK abgeschossen wurde, die entweder von Separatisten oder Russen bedient wurde. Der Spiegel berichtet heute, das "Gemeinsame Ermittlerteam", das den Absturz strafrechtlich aufklären soll, gehe nun davon aus, dass MH17 mit einer Buk-M1 abgeschossen worden sei. Vor wenigen Tagen hatte Fred Westerbeke, der das Team leitet, bereits darauf hingewiesen, aber gleichzeitig erklärt, man sei noch nicht so weit, Täter identifizieren zu können.

Bild aus dem inoffiziellen Bericht der russischen Experten

Nach dem Spiegel hätten die Untersuchungen ergeben, dass die im Wrack gefundenen Splitter "eindeutig" zu einer Buk-M1 gehören, die Separatisten hätten, so der Spiegel, gleich mehrere Buk-M1-Geschütze in der Region zur Verfügung gehabt. Es sei aber unklar, ob das Buk-System von den Russen kam oder von den Separatisten erbeutet wurde. Man wird sich daran erinnern, dass von Kiew seinerzeit abgestritten wurde, dass die Separatisten überhaupt eines besaßen bzw. eines erbeutet hatten. Der Spiegel apodiktisch: "Damit sind insbesondere von russischen Medien geäußerte Spekulationen, ein ukrainischer Kampfjet könne MH17 abgeschossen haben, hinfällig." Die Ermittler würden auch die vom ukrainischen Geheimdienst abgehörten und veröffentlichten Telefongespräche als authentisch betrachten, darunter auch das, in dem ein Sepataristenführer sagt: "Wir haben ein Flugzeug abgeschossen."

Angehörige von 18 Opfern haben nun den russischen Separatistenführer Igor Girkin (Strelkow), der zeitweise "Verteidigungsminister" der "Volksrepublik Donezk" war, beschuldigt, den Abschuss befohlen, unterstützt oder begünstigt oder sich mit Separatisten verschworen zu haben, die die Maschine abschossen. Zudem soll Girkin dazu die Billigung der russischen Regierung gehabt haben, die Rakete sei aus Russland gekommen. Auf seinem vk.com-Account war kurz nach dem Abschuss eine Meldung erschienen, dass eine ukrainische Militärmaschine abgeschossen worden sei. Die Meldung war darauf schnell wieder gelöscht worden. Darauf stützt sich der Verdacht, dass Separatisten unter der Führung von Girkin versehentlich die Passagiermaschine abgeschossen haben könnte, weil sie diese mit einer Militärmaschine verwechselt hatten. Der Vorwurf war stets abgestritten worden.

In der von US-Anwalt Floyd Wisner stammenden Anklage, die in Chicago eingereicht wurde, wird Girkin auf der Grundlage des Torture Victim Protection Act, nachdem auch Ausländer, die im Auftrag einer Regierung Folter oder extralegale Tötung begangen haben, in den USA zivilrechtlich angeklagt werden können. Wisner verklagt Girkin auf einen Schadensersatz von 900 Millionen US-Dollar, machte aber klar, es gehe den Klägern - und ihm - angeblich im Unterschied zur Klage gegen die Malaysian Airlines und zu der gegen die Ukraine (MH17: Kiew gerät zunehmend in Kritik) nicht um Geld, man wolle angesichts der schleppend vorankommenden Aufklärung Antworten von Girkin haben und Druck auf die russische Regierung ausüben, um das geforderte UN-Tribunal einzurichten, so Wisner in einem Interviw.

Auch wenn der Abschlussbericht erst im Oktober abgeschlossen sein wird, sei es nicht zu früh für die Klage, denn, so Wisner, die "internationale Diplomatie" habe die Antwort auf die Frage nach den Verantwortlichen "innerhalb von Tagen nach dem Abschuss" gewusst. Sowohl Russland als auch die USA wüssten dies seit langem. Leider wurde er nicht danach gefragt, wer davon profitiert, wenn die Wahrheit von allen Seiten unter Verschluss gehalten wird.

Klar ist allerdings, dass die Klage wohl eine Luftnummer bleibt. Wenn Girkin nicht vor Gericht erscheint, wozu er nicht gezwungen werden kann, lässt sich zwar ein Versäumnisurteil erwirken, wenn das Gericht die Beweise gegen Girkin anerkennt, aber das war es auch schon. Die Beweise würden aus öffentlichen Quellen stammen, es würden noch mehr Informationen aufkommen, er hofft auch, weitere Hinweise im Rahmen des Gerichtsverfahrens zu erhalten. Daraus kann man entnehmen, dass die Klage bislang nichts in der Hand hat, was nicht schon bekannt - und umstritten - ist. Und dann gibt es noch die ominösen Auftraggeber der Wirtschaftsfahnder Wifka, die angeblich Millionen ausgezahlt haben, weil sie verlässliche Informationen erhalten hätten (Niederländische Staatsanwaltschaft stellt MH17-Untersuchung ein).