Kommt nun die Zwangsabgabe für griechische Sparer?

Es gibt Hinweise, dass es noch härter als in Zypern kommen dürfte und Einlagen über 8.000 Euro könnten um mindestens 30% enteignet werden

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Es wird viel über Milliardensummen für Griechenland gesprochen, längst ist klar, dass es mehr als 86 Milliarden Euro kosten wird, die meist als Summe gehandelt wurden ("Verrückte Forderungsliste" für einen "Staatsstreich"). Neue Zahlen kursieren und es wird schon von 100 Milliarden gesprochen.

Bail-in

Dass schon beim Ursprungsrahmen des benötigten Geldes 25 Milliarden Euro für die nächsten Bankenrettungen vorgesehen waren, sollte Sparer in Griechenland angesichts des exemplarischen Ablaufes der "Zypernrettung" zittern lassen. Dort war geplant, alle Einlagen an der Rettung der Banken mit einer Zwangsabgabe von 10% zu belegen. Auffällig war, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gerade Zypern für die "Stabilisierung des Finanzsektors" gelobt hat. Längst sind Berichte im Umlauf, wonach griechische Sparer am "Bail-in" mit einer Zwangsabgabe von mindestens 30% belegt werden sollen.

Das dicke Ende für die Griechen steht noch bevor. Denn nun beginnen die Verhandlungen über das dritte Hilfspaket, nachdem auch der Bundestag mit großer Mehrheit, gegen die Stimmen der Linken, der Aufnahme von Verhandlungen über ein sogenanntes 3. "Rettungspaket" zugestimmt hat (Bundestag genehmigt Griechenlandpolitik der Regierung). Nach Angaben des gerade im Amt bestätigten Eurogruppenchefs Jeroen Dijsselbloem dürften die Verhandlungen etwa vier Wochen dauern, während andere Quellen längere Zeiträume nennen.

Banken in Griechenland sollen geöffnet werden - kein Grund zur Beruhigung

Um etwas Entspannung für Griechenland zu signalisieren, sollen am Montag offenbar die Banken wieder geöffnet werden. Die langen Schlangen vor Geldautomaten soll es fortan nicht mehr geben. Doch kann man vermuten, dass damit die Bevölkerung nur etwas vorgegaukelt werden soll. Denn eines muss klar sein: Die eingeführten Kapitalkontrollen werden nicht aufgehoben, denn es soll mit allen Mitteln verhindert werden, dass die Spareinlagen abgezogen werden.

Man beachte, dass im Fall Zypern die Kapitalkontrollen sogar mehr als zwei Jahre aufrechterhalten wurden. Erst seit April dieses Jahres können die Sparer dort wieder komplett über ihr Geld verfügen, was ihnen nach der Zwangsabgabe noch verblieben ist.

Somit haben wir einen ungefähren Zeitrahmen dafür, wie es auch in Griechenland in etwa weitergehen wird. Die Griechen sollen weiterhin nur wenig Geld abheben und das Geld nicht ins Ausland überweisen dürfen. Was mit den Einlagen der Sparer passieren wird, ist aber alles andere als ausgemacht. Das Geld der griechischen Sparer wird einstweilen als Faustpfand für einen möglichen "Bail-in" gehalten, also der Beteiligung der Eigentümer und Gläubiger an der Sanierung oder Abwicklung von Banken, wie sie nun in Europa vorgesehen ist (Steuerzahler haftet trotz Bankenunion).

Die BRRD-Richtlinie

Mehr als auffällig ist, "dass in der erzielten Einigung vom vergangenen Montag Griechenland vorgeschrieben wird, bis zum 22. Juli die EU-Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD) umzusetzen". Darauf verwies gerade die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Und für sie ist das ein Hinweis, dass eben dieser Bail-in unter Beteiligung von Aktionären und Sparern geplant sein dürfte. Denn diese Richtlinie sieht genau das vor, bevor Steuermittel zum Einsatz kommen.

Doch auch die sind nicht ausgeschlossen, denn die Beteiligung von Aktionären und Sparern soll nur bis zu 8% der Bilanzsumme der angeschlagenen Banken möglich sein. Dann kommt zunächst der sich gerade im Aufbau befindliche Bankenabwicklungsfonds an die Reihe. In den sollen die Banken allerdings erst bis 2025 lächerliche 55 Milliarden Euro einzahlen. Der Fall Griechenland bestätigt schon jetzt, dass damit nicht einmal viel zu stemmen ist, wenn er in zehn Jahren tatsächlich diese Summe erreichen sollte, mit der die Banken etwas zur Bankenrettung beitragen.

So gibt es reichlich Zeichen dafür, dass sich griechische Sparer auf eine Zwangsabgabe einstellen dürfen: zum Beispiel die Äußerungen des EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu Zypern, wo die Sparer bekanntlich mit einer Zwangsabgabe für die Banken belegt wurden. Juncker erklärte beim Besuch der Insel am vergangenen Donnerstag:

Zypern war 2013 in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Aber das Zypern, das ich heute besuche, ist sehr anders. Die Wirtschaft beginnt zu wachsen, der Finanzsektor ist stabilisiert, und Sie sind wieder bereit, die Zukunftschancen zu ergreifen.

Mit einem klaren Blick in Richtung Griechenlands fügte er an.

Harte Entscheidungen und Verpflichtungen haben sich in Zypern ausgezahlt.

Er hoffe, dass "andere das zur Kenntnis nehmen."

Klingt das vielleicht noch etwas weit hergeholt (wobei solche Vorbereitungsmaßnahmen bei Juncker bekannt sind), kann man das auch noch klarer haben: Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret nennt das Kind direkt beim Namen. Er spricht eindeutig die Beteiligung von Aktionären, Anleihebesitzern und Sparern an.

Dombret forderte, dass Griechenland die BRRD-Richtlinie noch schneller als geplant in nationales Recht umsetzen müsse, damit es eine geordnete Sanierung oder Abwicklung von Banken geben kann.

Aus meiner Sicht sollte dieses Instrument in Griechenland so rasch wie möglich zur Verfügung stehen und nicht erst ab dem Pflichttermin 1. Januar 2016.

Denn er geht offenbar auch davon aus, dass die im neuen Rettungsplan für die Bankenrekapitalisierung vorläufig veranschlagten 25 Milliarden Euro nicht ausreichen werden. "An dieser Zahl sollten wir uns orientieren, ihr aber einen gründlichen Bilanzcheck zu Grunde legen. Sollte der Bedarf wider Erwarten höher ausfallen, muss es die Möglichkeit geben, nachzubessern", sagte er. Dombret äußerte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der großen Banken, die neben den Kapitalabflüssen unter einer enormen Last und steigenden an faulen Krediten leiden.

FT: "Haircut" bei den Sparern in Griechenland

Wer es noch genauer will, der kann sich von einem Artikel der Financial Times (FT) weiter aufklären lassen. Schon vor dem Abkommen am vergangen Montag wies die meist gut informierte Wirtschaftszeitung darauf hin, dass es statt zu einem Schuldenschnitt für die Gläubiger Griechenlands, einen heftigen "Haircut" bei den Sparern in Griechenland zur Sanierung der Banken geben soll. Die Zeitung berief sich auf Banker und Geschäftsleute, die in die Vorgänge eingeweiht seien.

Demnach sei eine Zwangsabgabe von mindestens 30% auf alle Einlagen von mehr als 8.000 Euro geplant, so die FT. Der Haircut sei ein Teil der Restrukturierung des Bankensektors und es sei kein Vorgang, der sofort umgesetzt werde, berichteten die Quellen gegenüber der Zeitung.

It [the haircut] would take place in the context of an overall restructuring of the bank sector once Greece is back in a bailout programme. This is not something that is going to happen immediately.

Das sei als Szenario für mindestens eine der vier Großbanken vorgesehen, so die FT. Gegen diese Vorstellungen war die von Juncker gelobte Zwangsabgabe in Zypern tatsächlich nur ein Witz. Denn angesichts des massiven Widerstands wurde sie letztlich nur auf Einlagen über 100.000 Euro erhoben und nicht auf alle Gelder, wie zunächst geplant, die sich auf Konten befanden, also z.B. die Rente alter Leute, die noch nicht abgehoben werden konnte, oder ähnliches (Reale Bankenunion mindestens zehn Jahre verschoben).

Das Griechenland-Labor

Man mag nun einwenden, dass nach der schon angesprochenen BRRD-Richtlinie nur Einlagen über 100.000 Euro herangezogen werden dürfen. Doch kann dem entgegnet werden, dass dies ohnehin nur die nachgeschobene Rechtfertigung für die Zypern-Enteignung von Sparern war. Die wurde ohne die Richtlinie durchgezogen und geplant war gewesen, darüber hinauszugehen. Das war ein Tabubruch, der nicht vorgesehen war.

Es war in der Krise bisher immer so, dass Richtlinien und Beschlüsse meist nicht einmal das Papier wert waren, auf denen sie geschrieben standen. So war zum Beispiel der Fiskalpakt schon wieder Makulatur, als über ihn im Bundestag abgestimmt wurde (Was wird im Bundestag zur Spanien-Rettung real beschlossen?). Da ist ein Rettungsschirm ESM, den es nie geben sollte, Verstaatlichungen von Banken und vieles mehr. Klar ist auch, dass es in der EU längst auch weitgehende Überlegungen gibt, um Sparer zur Kasse zu bitten (Wochenend-Enteignung für 9,3 Billionen Bank-Schulden?).

Vergessen sollte man auch nicht, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) die Debatte und die Planungen vorantreibt. Der IWF fordert längst verschiedene Formen "finanzieller Repression". Er brachte neben den "Kapitalkontrollen" (die in Griechenland schon bestehen), eine "verdeckte Steuer für Sparer" ins Spiel, die mit Schuldenschnitten und höherer Inflation kombiniert werden müssten. Dazu gehört auch, wertlose Anleihen und Aktien bei Pensionsfonds und Versicherungen abzuladen, die per Gesetz eine geringere Verzinsung als zuvor versprochen per Regulierung aufgezwungen bekommen (IWF drängt auf Enteignung der Sparer). Man darf gespannt sein, was im Griechenland-Labor unter IWF-Mithilfe nun ausgetüftelt wird.

Ohnehin ist die FT nicht die einzige Quelle. Auch die Nachrichtenagentur Reuters hatte mit Bezug auf Verhandlungskreise berichtet, dass an einen "Haircut" für Sparer zur Stärkung der Kapitaldecke der Banken nachgedacht werde.

Auch Reuters bezog sich auf einen "Insider", der dieses Szenario beschrieb, falls ein neues sogenanntes Rettungspaket geschnürt werde. Und dann, wie es jetzt der Fall ist, müsse schnell gehandelt werden. "Zypern könnte ein Vorbild sein", wird die Quelle zitiert. Sparer würden demnach zur Abwicklung von zwei Banken und zur Sanierung der übrigen beiden Großbanken herangezogen.

Die Bankenaufsicht und die faulen Kredite der griechischen Banken

Wie gefordert, wird die Bankenaufsicht, die ja bemerkenswerterweise bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt ist (Reale Bankenunion mindestens zehn Jahre verschoben), die griechischen Banken nun erneut prüfen. Bei letzten dem "Stresstest", der erneut nur wieder eine Beruhigungspille) war, wurde den vier großen Banken des Landes ein Eigenkapital von knapp 29 Milliarden Euro bescheinigt.

Doch knapp die Hälfte des angeblichen Eigenkapitals bei der National Bank of Greece, Piräus Bank, Alpha Bank und Eurobank beruht auf einem Trick. Es sind Steuerrückforderungen aus Verlustvorträgen, also Forderungen an einen praktisch zahlungsunfähigen Staat, die eigentlich gar nichts wert sind.

Ohnehin untersucht die EU-Kommission diese zweifelhafte Praxis längst, weil sie darin unzulässige Bankenhilfen sieht. Ist es eigentlich noch verwunderlich, dass diese Praxis auch in den Krisenländern Portugal, Spanien, Italien virulent ist?

Und man muss sich bei all den Überlegungen zur Zwangsabgabe das Ausmaß der faulen Kredite in Griechenland vor Augen halten. Sogar beim "Stresstest" war im vergangenen Herbst festgestellt worden, dass rund 30% der Kredite von griechischen Finanzinstituten als notleidend galten. Da sich die Lage weiter zugespitzt hat, machten nach Angaben der Ratingagentur Fitch die notleidenden Darlehen schon Ende März 36% des gesamten Kreditbestands aus.

Die Bankschließungen und Kapitalverkehrskontrollen haben dazu geführt, dass weitere Unternehmen und Haushalte ihre Kredite nicht mehr bedienen können, die damit faul wurden oder werden. Der Anteil der faulen Kredite dürfte die Marke von 40% längst überstiegen haben. Die Ratingagentur Moody’s geht zum Beispiel von der Erwartung aus, dass sich der Anteil der faulen Kredite in Bankbilanzen sogar schon auf 45% erhöht haben könnte.

Die Royal Bank of Scotland (RBS) schätzt, dass die faulen Kredite inzwischen ein Vielfaches des um die Steuerforderungen bereinigten Eigenkapitals ausmachen. Die bisherigen Rückstellungen dürften angesichts der Entwicklungen, dass viel Kapital weiter abgeflossen ist und immer mehr Kredite faul werden, bei weitem nicht ausreichen. Das dürfte auch für die 25 Milliarden Euro gelten, die bisher für die Kapitalisierung der Banken genannt werden. Es wird also sehr bald spannend werden, ob die Griechen so zahm wie die Nachbarn in Zypern auf die Enteignung reagieren.