Ein mit Öl geschmiertes Atomabkommen

Nur eine Woche nach Abschluss der Atomverhandlungen mit Iran plant Wirtschaftsminister Gabriel die deutsch-iranische Energiezukunft. Und das Ende der russischen

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Manchmal sagt ein Bild tatsächlich mehr als tausend Worte. Kaum war die Regierungsmaschine aus Berlin am Sonntag auf dem Teheraner Flughafen gelandet, standen die beiden schon nebeneinander: links Sigmar Gabriel, neben ihm der Vize-Öl-Minister des Iran Amir Hossein Zamaninia. Wenige Stunden später, andere Szenerie, gleiches Symbol: Ölminister Bijan Namdar Zangeneh und Gabriel plaudern im Sessel.

Eine Woche erst ist es her, als der seit 13 Jahren andauernde Streit um das iranische Atomprogramm zu einem Abschluss kam, da stand der deutsche Bundeswirtschaftsminister und seine Delegation von Wirtschaftsvertretern schon in den Büros ihrer - wie Gabriel sagt - iranischen "Freunde". Die wirtschaftlichen Erwartungen, die beide Seiten zusammentrieben, sind riesig: "Mit der erzielten Einigung ist die Basis für eine Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Iran gelegt", sagte Gabriel.

Von einem "Signal der Ermutigung" schwärmte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (IHK). Binnen vier Jahren sollen sich die Exporte in den Iran auf zehn Milliarden Euro vervierfachen, hofft der IHK. Iran erhofft sich Investitionen in seine marode Industrie und vor allem eines: eine Rückkehr seiner Öl- und Gasexporte auf die asiatischen und europäischen Absatzmärkte. Die gemeinsame Hoffnung: Bessere Geschäfte durch weniger Sanktionen. Doch der eigentliche Zusammenhang könnte auch andersherum sein.

Atomverhandlungen um Öl und Gas

"Wie Irans Gasversorgung den Verlauf der Atomverhandlungen verändern kann", lautete im April dieses Jahres der Titel eines Aufsatzes im "Harvard International Review". Geschrieben hatte ihn Tara Shirvani, Expertin für Transport und Klimawandel bei der Weltbank: "Irans Gasförderung ist mehr als vielversprechend. (...) In der Zukunft könnten es diese leicht mit Gazproms Exportvolumen von 140 Milliarden Kubikmeter in die EU aufnehmen." Shirvanis These: Europa sei durch die Aussicht, durch iranisches Gas unabhängig von Russland zu werden, "wahrscheinlich nun eher zu Kompromissen im Rahmen der Atomverhandlungen bereit."

Ähnlich sieht das auch Shayan Arkian. Der Gründer des Magazins IranAnders beschäftigt sich seit Jahren mit den Aussichten iranisch-europäischer Wirtschaftsbeziehungen. Seine Bewertung: Der Wunsch von russischer Energielieferung unabhängiger zu werden "war sicherlich nicht der wichtigste Grund, warum die Verhandlungen Erfolg hatten, aber es war ein Aspekt."

Schaut man sich die bloßen Zahlen an, kann es Iran in Energiefragen tatsächlich leicht mit Russland aufnehmen. Das Land hat die viertgrößten Erdölvorkommen der Welt. Mit 34 Billionen Kubikmeter liegt es bei den Gasreserven sogar auf Platz eins. "Iran wird in Europa Kopf-an-Kopf mit Russland konkurrieren", sagte Ed Morse, Vorsitzender der Forschungs-Abteilung von Rohstoffe der Citigroup gegenüber der amerikanischen Nachrichtenagentur Bloomberg.

Die Praxis ist freilich noch eine andere: Nach einer Studie des Europäischen Parlaments stammen 43 Prozent der Gas- und 31 Prozent der Ölimporte ser Europäischen Union aus Russland. Mehr als die Hälfte der russischen Staatseinnahmen hängt von Öl und Gas ab. Doch seitdem Russland und die EU in der Ukraine um die Vormachtstellung kämpfen, ist die Loslösung vom russischen Energiemarkt erklärtes Ziel der Bundesregierung. Nur, wie das umzusetzen sein soll, wusste man bisher nicht.

Zwar waren Kanada und die USA als mögliche Lieferanten immer wieder im Gespräch, doch wurde der notwenige Bau eines Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven, welches amerikanische Gaslieferungen hätte annehmen können, aus Kostengründen gestoppt. Zum russischen Gas gebe es "keine vernünftige Alternative", sagte Sigmar Gabriel deshalb noch im März dieses Jahres.

Völlig anders klingt das hingegen in einem internen EU-Papier, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters im September letzten Jahres Auszüge veröffentlicht hat. Ein dreiviertel Jahr vor dem Abschluss der Atomverhandlungen ist dort davon die Rede, dass das "hohe Potenzial iranischer Gasproduktion (…) und die anhaltende Normalisierung seiner Beziehungen zum Westen Iran zu einer zuverlässigen Alternative zu Russland machen".