MH17: US-Geheimdienste sollen endlich liefern

Ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter fordern die US-Regierung auf, die gesicherten Kenntnisse über den Absturz auf den Tisch zu legen

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Der Abschlussbericht des internationalen Teams, das unter der Führung des Dutch Safety Board den Absturz von MH17 untersucht hat, wird am 10. August einem internationalen Expertenkreis vorgelegt werden - allerdings hinter verschlossenen Türen, wie Interfax berichtet. Der Bericht, der nach Maßgabe der International Civil Aviation Organization (ICAO ) eigentlich ein Jahr nach einem Absturz vorgelegt werden muss, wurde den beteiligten Ländern bereits am 2. Juni vorgelegt.

Untersucht wurde hier allerdings nur die technische Ursache. Allerdings können aus der Absturzursache, also ob die Maschine von einer Buk- oder einer Luft-Luft-Rakete abgeschossen wurde, bereits Hinweise auf die Täter abgeleitet werden. Sollte es sich um eine Buk-Rakete handeln, bliebe allerdings umstritten, ob sie von Separatisten, ukrainischen Soldaten oder gar von russischen Soldaten abgefeuert wurde. Untersucht wurde aber auch, ob in einem solchen Fall über einem Kriegsgebiet, in dem bereits hoch fliegende Flugzeuge abgeschossen wurden, nicht die Pflicht für Kiew bestanden hätte, den Luftraum zu schließen. Und Malaysia Airlines hätte vermutlich keine Maschinen über dem Gebiet fliegen lassen dürfen.

Die Suche nach den Schuldigen wird von einem weiteren internationalen Team von Experten aus Australien, Belgien, Malaysia, den Niederlanden und der Ukraine unter Leitung der niederländischen Staatsanwaltschaft betrieben. Auch hier liegt noch kein Abschlussbericht vor, der niederländische Staatsanwalt Westerbeke hatte kürzlich erklärt, man konzentriere sich auf eine Gruppe von Tätern, Medien wollen wissen, dass das Team von einer Buk-Rakete ausgeht, die von einem von Sepratisten kontrollierten Gebiet abgeschossen worden sei.

Screenshot aus dem BBC-Video.<

Um eine Bestrafung der ermittelten Schuldigen zu erreichen, haben die beteiligten Staaten unter Führung Malaysias dem UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf überreicht, in dem die Bildung eines UN-Tribunals gefordert wird. Moskau hat gleich einmal abgewinkt, es müsse erst einmal der Abschlussbericht des Dutch Saftey Board vorgelegt werden. Vitaly Tschurkin, der russische UN-Botschafter, erklärte, es sei nicht die Aufgabe der UN, Strafgerichtshöfe einzuführen, sondern es gehe darum, die Ermittlungen zu unterstützen. In diesem Sinn wurde von Russland ein alternativer Resolutionsentwurf vorgelegt. Zu erwarten ist, dass es im UN-Sicherheitsrat keine Einigung darüber geben wird.

Zwei Abschüsse?

Vor kurzem hatte News Corp Australia ein bislang unbekanntes Video und eine vollständige Abschrift der Gespräche vorgelegt. Zu sehen und zu hören sind Separatisten, die angeblich unmittelbar nach Absturz von MH17 zur Unglücksstelle kamen und diese zu sichern, die Brände zu löschen versuchten. Zivilisten sollten fern bleiben, ein Kommandeur befiehlt, nach den Flugschreibern zu suchen. Überdies hört man Stimmen, nach denen noch eine weitere Maschine abgestürzt sein soll, eine ukrainische Sukhoi-Kampfmaschine. Die Separatisten wunderten sich, dass es einer Passagiermaschine erlaubt wurde, das Kriegsgebiet zu überfliegen.

Erstaunlich - was seltsam wenig Aufmerksamkeit gefunden hat - ist eben, dass ein Mann in dem Video, das allerdings nicht in voller Länge veröffentlicht wurde, gesagt haben soll: "Es sind zwei Flugzeuge abgeschossen worden." Ein anderer Mann soll nach dem Transkript gesagt haben: "Der Kampfjet schoss diese (MH17) ab, und unsere Leute haben den Kampfjet abgeschossen. Sie (die Ukrainer) haben entschieden, dies so zu machen, damit es so aussieht, als hätten wir das Flugzeug abgeschossen." Das wird mehrmals wiederholt, auch in einem Anruf: "Eine Passagiermaschine wurde abgeschossen. Sie schossen die Passagiermaschine ab und wir den Kampfjet. Wir sind an der Absturzstelle" Die Rede ist auch von Fallschirmspringern, die in der Nähe gelandet seien, darunter auch der Pilot. Ein Kommandeur soll befohlen haben, diesen sofort festzunehmen.

Möglicherweise waren die Separatisten aber auch selbst verwirrt. Nach News Corp sei wohl eine Gruppe, die den Rauch entdeckte, zur Unglücksstelle geeilt, um nach den Piloten zu suchen. Der Abschrift könnte man entnehmen, dass sie zunächst dachten, es handele sich um den Kampfjet, um dann zu entdecken, dass es eine Passagiermaschine war. So fragte ein Mann: "Wo ist die Sukhoi dann?" Eine andere Stimme: "Es ist verwirrend. Keine Ahnung, wo die Sukhoi ist, es brennt hier und dort und Teile liegen überall herum." Hatten sich die Separatisten also schon schnell eine Story überlegt, um den irrtümlichen Abschuss der Passagiermaschine den Ukrainern in die Schuhe zu schieben? Schließlich wurde bislang nie, auch nicht von den Separatisten, davon gesprochen, dass sie nach dem Abschuss der MH17 selbst noch einen Kampfjet abgeschossen haben. Allerdings gibt es da die von Russen verbreitete Theorie, die MH17 sei von einem Kampfjet aus abgeschossen worden, aber auch die Russen haben nie vom fast gleichzeitigen Abschuss zweier Flugzeuge gesprochen. Und die Frage bliebe, warum keine Teile des Kampfjets gefunden wurden, wo die angeblich Abgesprungenen geblieben sind und mit was der Kampfjet abgeschossen worden sein soll.

Seltsam bleibt es jedenfalls, das Joint Investigation Team (JIT) hat das Video erhalten und will untersuchen, ob es authentisch ist. Man untersuche verschiedene Theorien, darunter auch die, dass MH17 von einer Luft-Luft-Rakete abgeschossen worden ist. Teile des Videos habe man bereits gesehen, sagte ein Sprecher. Angeblich stammt das Video auch gar nicht von den Separatisten, sondern von der BBC.

Die Konfusion ist jedenfalls groß. Russland und die USA haben jeweils Hinweise veröffentlicht, die im eigenen Interesse Kiew oder die Separatisten für den Abschuss verantwortlich machen. Aber man sollte vermuten, dass zumindest Moskau und Washington mit ihren Satelliten und Überwachungsprogrammen Genaueres wissen sollten. Allerdings ist gut möglich, dass man die Überwachungskapazitäten überschätzt, es fällt denn auch immer wieder auf, wie wenig die Geheimdienste wirklich über Konfliktgebiete zu wissen scheinen.