Baltikum: Vorbehalte gegen verschuldete Griechen und Flüchtlinge

Fehlende Solidarität mit Griechenland und Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge in Solidarität mit anderen EU-Ländern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Aus der griechisch-baltischen Freundschaft wird es wohl für lange Zeit nichts und auch die Befürworter einer großzügigen Flüchtlingspolitik innerhalb der EU werden derzeit mit den Balten nicht warm. Die drei kleinen EU-Länder fahren zu diesen Themen außenpolitisch eine harte Linie - denn der Druck im Inneren ist groß.

Litauens Staatspräsidentin Dalai Grybauskaite, bekannt für einen autoritären Führungsstil, hielt ihren Unmut über die Griechen und ihr Verhandlungsverhalten nie hinter dem Berg. Doch nach innen muss sie die EU-Vorgaben, die "brüderliche und schwesterliche Hilfe" an das EU-Land im Südosten, verteidigen. Dabei erfährt sie Gegenwind. Die Parlamentspräsidentin Loreta Graužinienė sprach wohl mit "Volkes Stimme" als sie erklärte, dass die Litauer nicht für die Schulden der Griechen aufzukommen haben.

Die litauische Regierung drücke sich um konkrete Antworten, kritisiert der konservative Oppositionspolitker Gabrielius Landsbergis. Niemand wisse, ob die 300 Millionen Euro, die voraussichtlich von Litauen an Griechenland gehen, dort auch sinnvoll eingesetzt würden.

Auch in Lettland, das sich vermutlich mit 240 Millionen Euro beteiligen wird, gibt es Druck aus dem Parlament. Am deutlichsten äußerte sich Andris Vilks, bis 2014 Finanzminister des Landes und einflussreicher Ökonom, sieht einen positiven Effekt für den Euroraum, wenn Griechenland aus der Gemeinschaftswährung austreten würde.

Um gegen die Verweigerungsstimmung anzugehen, die auch in der konservativen Regierungspartei IRL herrscht, hat Taavi Roivas, Premierminister Estlands, in einer langen Rede seine Landsleute auf Anleihen nach Griechenland eingeschworen. Sie wurden vom Parlament in einer bislang unbekannten Höhe grundsätzlich beschlossen.

Roivas argeumentiert vor allem auf der NATO-Ebene, nicht auf der EU-Ebene. Demnach hätte ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone eine politische Destabilisierung Europas zur Folge, die finanzielle wie sicherheitspolitische Konsequenzen für Estland nach sich ziehen würde. Schließlich sei Griechenland ein NATO-Mitglied, sollte man einem solchen den Rücken zudrehen, könnte dies auch als nächstes Estland passieren. Eine Anspielung auf den russischen Nachbarn, von dem sich die baltischen Länder seit der Ukraine-Krise wieder bedroht fühlen. http://poliitika.postimees.ee/3262557/roivas-kreeka-euroalast-lahkumine-oleks-oht-eesti-julgeolekule

Russland ist ein Faktor, der jedoch auch manche Befürworter eines Grexits anführen, denn die Annäherung des linken griechischen Premiers Alexis Tsipras an Wladimir Putin wird gerade von den Konservativen mit Misstrauen beobachtet.

Um für Griechenland in Litauen für mehr Verständnis zu werben, nimmt ein konservativer litauischer Politiker allerdings Bezug auf Russland, beziehungsweise die Sowjetunion. Durch die langjährige Herrschaft der Osmanen seien die Griechen in einer ähnlichen Situation wie die Balten unter der Sowjetzeit, so Egidijus Vareiki, Abgeordneter des Vaterlandsverbunds in der auflagenstarken Zeitung "delfi". Man hasste das Regime, übernahm jedoch auch dessen Unarten, darunter das Denken in Interessengruppen, den "Klientelismus", der damals unter den Türken noch oppositionelle Züge gehabt habe. Der Konservative betonte auch die geostrategische Lage Griechenlands und den Wunsch der Sowjetunion nach einem Zugang zum Mittelmeer, das heutige Russland unterscheide sich nicht in diesem Denken, darum dürfe Griechenland "nicht amputiert" werden.

Allgemein lässt die Nachricht, dass die griechischen Rentner die Bezüge auf 1.300 oder weniger Euro gekürzt werden, in Lettland und wohl auch anderen baltischen Ländern wenig Mitleid aufkommen. Dort müssen sich Rentner mit 300 bis 400 Euro abfinden, so zumindest die Reaktionen auf der Straße. Gleichzeitig setzten die baltischen Staaten durch die baltischen Länder, der kleine Volkswirtschaften von Krisen stärker getroffen werden, nach der Weltfinanzkrise 2008 ein strenges Sparprogramm um. Die daraus entsehenden sozialen Härten kommen bei der allgemeinen Berichterstattung westlicher Medien eher am Rande vor.