Chinas Aktienmärkte weiter auf Absturzkurs

Zunächst wurde die Talfahrt einer platzenden chinesischen Blase gestoppt, doch nun kam es zum Schwarzen Montag und dem größten Absturz seit 2007

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Auch die Finanzkrise, die mit dem Absturz der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 weltweit auf die Tagesordnung gesetzt wurde, hatte Börsen Chinas nicht so stark abstürzen lassen, wie es an diesem Schwarzen Montag geschehen ist. Die Kurse rauschten in Shanghai und Shenzhen in den Keller und verzeichneten das größte Tagesminus seit Februar 2007, weil die sie jeweils um etwa 8,5% einbrachen.

Zwar hat sich heute der Absturz abgeschwächt, doch der Composite Index in Shanghai eröffnete am Dienstag mit einem Minus von 4% und ähnlich sah es auch beim Component Index in Shenzhen aus. Die Verluste wurden zwar im Lauf des Handels reduziert, doch sie stehen weiter mit etwa 2% im Minus. Eine technische Erholung, dass Käufer wegen niedriger Kurse wieder einsteigen, ist also nicht zu beobachten. Allein die Zusagen der Regierung, die Kapitalmärkte erneut zu stützen, haben den Absturz gebremst.

Börse Shenzhen. Bild: Norro/CC-BY-SA-3.0

An den Aktienmärkten in China hat sich eine enorme Blase gebildet, gefördert von der Regierung hatten auch viele Privatanleger mitgespielt. Der Composite war innerhalb nur eines Jahres um über 150% in die Höhe geschossen (China: Der namenlose Aktiencrash). Im Juni begannen dann aber die Kurse einzubrechen. In nur 18 Handelstagen gingen sie um 32% in die Knie. Die chinesischen Planer griffen mit massiven Maßnahmen ein und konnten die Kurse zunächst stabilisieren.

So wurde der Handel von mehr als der Hälfte der Aktien komplett ausgesetzt. Großanleger, die mehr als 5% der Anteile an Unternehmen halten, dürfen sie unter Androhung harter Strafen ein halbes Jahr nicht verkaufen. Börsengänge wurden von den Behörden gestoppt. Staatliche Unternehmen und deren Angestellte wurden angewiesen, Aktien zu kaufen. Und nun sollen die Kurse auch mit "risikoreicheren Investments" der Pensionsfonds gestützt werden.

Völlig absurd ist, und das zeigt eine gewisse Panik bei chinesischen Verantwortlichen, dass die Möglichkeiten für chinesische Privatanleger, Aktien auch auf Kredit zu kaufen, sogar noch weiter gelockert wurden. Das hatten diese schon zuvor in großem Stil getan und damit die Blase zusätzlich aufgebläht, weil viele an angeblich hohen Gewinnen wegen steigender Kurse teilhaben wollten. Die einfache Rechnung dahinter, dass die Kredite leicht über die Gewinne zurückbezahlt werden können, geht meist schief. Tatsächlich endet ein solches Vorgehen meist desaströs für viele Kleinanleger. Sie verlieren bei abstürzenden Kursen also nicht nur Ersparnisse, sondern bleiben zudem auf Krediten sitzen.

Nach Angaben von Bloomberg können Chinesen nun sogar ihre Häuser beleihen, um weiter Aktien kaufen zu können. Dabei sinkt deren Wert ohnehin, weil die Immobilienblase geplatzt ist und die Preise fallen. Auch auf China kommt zu, dass bald viele Hypotheken "unter Wasser" sind - wie in den USA ab 2008, Spanien, den Niederlanden…, weil die Kreditsumme den Wert der Immobilie übersteigt. Die auch noch für Aktienkäufe beleihen zu können, verschärft die desaströsen Auswirkungen noch deutlich, weil die Gefahren noch stärker steigen, dass Betroffenen auch noch ihre Wohnungen verlieren. Dann stehen massive Zwangsräumungen an, dazu kommen Löcher in Bankbilanzen und Bankenrettungen, weil die Zahl ausfallender Kredite steil ansteigt, was angesichts der platzenden Immobilienblase ohnehin schon zu erwarten ist. Spanien kann von all diesen Vorgängen ein Lied singen.

Diese Vorgänge stehen im krassen Gegensatz zu offiziellen chinesischen Zahlen. Denn nach denen soll die Wirtschaft des Landes im ersten Semester angeblich um 7% gewachsen sein soll. Das hat fast alle erstaunt, da nur mit einem Wachstum von 6,8% gerechnet wurde. Die angeblich bessere Situation widerspricht aber noch stärker dem allgemeinen Eindruck, dass sich die Lage in China relativ schlecht entwickelt. Das hat Befürchtungen befeuert hat, dass die Planer in Peking die Wachstumszahlen aufhübschen.

Als am Montag dann mitgeteilt werden musste, dass die Gewinne großer Industriefirmen im Juni verglichen mit dem Vorjahresmonat um 0,3% gesunken sind, wurde das als Bestätigung für diese Befürchtungen gewertet und sorgte für die massiven Turbulenzen an den Börsen. Denn schon am Freitag hatte ein Frühindikator für den Produktionssektor deutlich negative Geschäftserwartungen gezeigt und damit massive Zweifel an der Stabilität Chinas genährt.

"Anzeichen der Ermüdung"

Es ist angesichts der spanischen Erfahrungen in den letzten Jahren kein Wunder, wenn ausgerechnet Zeitungen dieses Landes die Entwicklungen in China mit großer Sorge kommentieren. "Die ganze Welt schaut heute auf China, ein Gigant, der Anzeichen der Ermüdung zeigt", titelt die Tageszeitung "El Mundo". Sie verweist, darauf dass es nach langen Jahren mit Wachstumsraten von etwa 10% nun "beunruhigende Anzeichen von Schwäche" gäbe: "Wir könnten den Anfang einer Krise erleben." Sie spricht dabei auch an, dass schon beim Stocken des bisherigen Aufwärtstrends Proteste drohen und Peking vor große Probleme gestellt wird. "Bedenkt man, welches Kopfzerbrechen ein kleines Land wie Griechenland den Europäern bereitet, möchte man sich ein solches Szenario in China gar nicht erst vorstellen müssen."

Große Sorgen macht man sich längst in Ländern wie Australien, die schon deutlich zu spüren bekommen, dass China die beiden zentralen Rohstoffe nicht mehr wie bisher abnimmt, von denen die Wirtschaft des südlichen Kontinents abhängt (Australien auf dem griechischen Weg?). Die Frage ist nun, ob auch die chinesische Regierung zu Maßnahmen zur Stützung ihrer Wirtschaft greift, wie es die australische Notenbank und auch die Europäische Zentralbank (EZB) massiv tun. Um außerhalb des eigenen Währungsraums die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, also um die Exportwirtschaft zu stützen, wird über das Fluten der Geldmärkte die Währung massiv geschwächt, um Exporte billiger zu machen.

Steigt China auch in diesen Währungskrieg ein, dann wird der massive Abwertungswettlauf beschleunigt. Immer wieder wird in diesem Rahmen auf die dramatischen Erfahrungen der Großen Depression in den 1930er Jahren hingewiesen. "Die Abwertungswettläufe zwischen den Weltkriegen waren der Sargnagel für die Weltwirtschaft!" Das sagte unlängst der ehemalige Wirtschaftsweise Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).