Ukraine-Reformencheck

Ukrainische Regierung feiert den Beginn einer neuen Polizeitruppe am 4. Juli 2015. Bild: Presidential Administration of Ukraine

Korruption, Dezentralisierung, Gesundheit, Steuer - es geht nur langsam voran

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Insgesamt 62 Reformen kündigte die aktuelle ukrainische Regierung von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk Ende vergangenen Jahres an. Acht Monate später zieht Telepolis eine erste Zwischenbilanz.

Von der neuen ukrainischen Regierung, die seit Dezember 2014 im Amt ist, wurde nach der zweiten Maidan-Revolution vor allem die Durchführung großer und weitgehender Reformen erwartet. Die Hoffnungen waren sehr groß und zugegeben auch teilweise recht übertrieben. Trotzdem war die enorme Erwartungshaltung verständlich. Die ersten Massenproteste im Winter 2004 - die Orangene Revolution - waren zwar erfolgreich, bewirkten langfristig jedoch keine systematischen Veränderungen. Das sollte jetzt unbedingt vermieden werden.

Doch die rosigen Worte, die die amtierende Regierung von Arsenij Jazenjuk immer so gerne der Öffentlichkeit verkauft, haben mit der Realität oft nicht viel gemein. Gleichzeitig irren sich die schärfsten Kritiker, wenn sie sagen, dass der angebliche Reformprozess gar nicht stattfindet. Um eine am Ende doch eher durchwachsene Bilanz zu ziehen, nahm Telepolis sieben der acht wichtigsten Reformen, die im Regierungsprogramm einen besonderen Prioritätsstatus erhielten, unter die Lupe.

Antikorruptionsreform

Die Ukraine ist zweifellos eines der korruptesten Länder der Welt. Im aktuellen Ranking von Transparency International, belegt sie den 142. Platz. Dies ist natürlich alles andere als ein Ruhmesblatt. Deswegen ist aus der Korruptionsbekämpfung nicht nur ein Dauerwahlversprechen, sondern auch eine der wichtigsten Forderungen der Maidan-Revolution geworden, die dann oft für Populismus-Zwecke benutzt wurde.

"Die Antikorruptionsreform soll sofort durchgeführt und bis September beendet werden", versprach Dmytro Schymkiw, stellvertretender Administrationschef von Präsident Poroschenko, noch im Juli 2014.

Das Nationale Antikorruptionsbüro als Flaggschiff der ganzen Reform gedacht, wurde aber erst im April dieses Jahres gegründet - nach dem Vorbild ähnlicher Behörden in den USA, Polen und Georgien. Aus dem letztgenannten Land kommen auch viele Experten, die in Kiew an dieser Reform mitarbeiten. Darunter auch der in Tiflis umstrittene stellvertretende Generalstaatsanwalt Dawid Sakweralidse, der im Februar direkt von Petro Poroschenko beauftragt wurde. Seine Idee war es, eine Sonderstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Korruption zu gründen.

Auf den ersten Blick macht das Sinn, doch es bleibt ein weiterer Streitpunkt. Denn der neue Staatsanwalt für Korruption wird immer noch dem Generalstaatsanwalt unterstellt, womit viele Maidan-Aktivisten nicht zufrieden sind. Denn die notwendige Unabhängigkeit der Behörde ist damit nicht vorhanden. "Der Staatsanwalt für Korruption wird vor allem im Antikorruptionsbüro seine Zeit verbringen und nicht im Büro der Generalstaatsanwaltschaft. Das ist kein Problem", erwiderte Sakweralidse.

Außerdem kann man nicht damit rechnen, dass das neue Antikorruptionsbüro mit seiner Arbeit noch in diesem Jahr beginnen wird. Der Direktor, der durch eine offizielle Ausschreibung bestimmt wurde, steht zwar schon fest - Artjom Sytnik, auch ein früherer Staatsanwalt, gewann den Kampf um diesen Posten. Das restliche Personal wird aber erst jetzt frisch rekrutiert. Ein Vorgang, der Zeit braucht.