Britische Regierung: Fettleibigen droht Streichung von Sozialleistungen

Eine Untersuchung soll die Kosten von Adipositas, Alkohol- und Drogensucht ermitteln und Vorschläge machen, wie sich diese behandelbaren "Bedingungen" durch Druck verringern lassen

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Die konservative britische Regierung, fest in der Hand von Neoliberalen, denkt ökonomisch, was heißt, sie will die staatlichen Ausgaben senken. Jetzt denkt man über die Möglichkeit nach, Menschen, die Sozialhilfe erhalten, zu Verhaltensänderungen zu zwingen, weil die Kosten, die durch Fettleibigkeit, Drogensucht und Alkoholiker entstehen, gesenkt werden sollen. Noch weiß man die Höhe der Kosten für die Gesellschaft nicht, daher wird der britische Regierungschef Cameron heute eine Untersuchung ankündigen, die bis Ende des Jahres genaue Zahlen vorlegen soll.

Besonders in den angloamerikanischen Ländern spricht man gerne von einer Adipositas-Epidemie. Allerdings gab es auch schon früher extrem Dicke wie den Briten Daniel Lempert, hier gemalt im Jahr 1806. Bild: Jappalang/gemeinfrei

Wie das in Großbritannien üblich ist, werden Ankündigungen schon vor der Ankündigung und Reden, bevor sie gehalten werden, in Auszügen der Presse weitergegeben. So auch dieses Mal. Cameron erweist sich wieder einmal als Rhetoriker, der nur das Beste für die Menschen will, die staatliche Zuwendungen erhalten: "Unser Ansatz der Einen Nation ist es, jedem die Möglichkeit zu geben, sein Leben zu verbessern. Für einige bedeutet dies, zuerst und vor allem sich mit zugrundeliegenden gesundheitlichen Problemen zu beschäftigen."

Aber man will da nicht nur fördern, sondern auch fordern, allerdings nur von denjenigen, die staatliche Unterstützung erhalten, alle anderen mit ähnlichen Problemen belasten zwar auch die Gesellschaft finanziell, aber da will und kann man nicht hin: "Wir müssen schauen, was wir tun, wenn Leute einfach nein danke sagen und diese Hilfe ablehnen, aber von den Steuerzahlern erwarten, ihre Sozialleistungen weiter zu zahlen."

Cameron will es schaffen, dass in seiner Regierungszeit mehr Menschen vom Krankengeld wegkommen und wieder arbeiten. Man könnte die Sozialleistungen etwa um 100 Pfund wöchentlich kürzen oder ganz streichen, wenn Dicke oder Süchtige sich nicht behandeln lassen. Dafür soll "erstmals" das genaue Ausmaß der Kosten erfasst werden, Prof. Dr. Carol Black, die Vorsitzende des Nuffield Trust, wird mit der Untersuchung beauftragt, entsprechende Vorschläge zu machen und zu erkunden, wie dies in anderen Ländern gehandhabt wird.

Natürlich behauptet man, dass man die Menschen nicht bestrafen oder zwingen will, alles soll selbstverständlich zu ihrem Besten geschehen. Der Guardian zitiert aus dem Auftrag für den Bericht, in dem es heißt, man überlege nur, "wie man am besten diejenigen unterstützen kann, die unter langfristigen, aber behandelbaren Bedingungen leiden, wieder in die Arbeit zu bringen oder in der Arbeit zu halten". Untersucht werden sollen die Rolle solcher behandelbaren Bedingungen bei der Verursachung von Arbeitslosigkeit und die Kosten für die Wirtschaft und die Staatsfinanzen. Nach Black können Drogen- und Alkoholabhängigkeit und Fettleibigkeit, die damit in eine Reihe gestellt werden, "die Möglichkeiten, eine sinnvolle Beschäftigung aufzunehmen, tiefgreifend verhindern". Man werde die Sozialleistungen, die Menschen mit solchen "Bedingungen" gewährt werden, überprüfen und der Regierung eine genaue Analyse der möglichen Optionen vorlegen.

Es soll um die 90.000 Briten geben, die Krankengeld beziehen, obwohl ihre Krankheit primär die Drogen- oder Alkoholsucht ist. 25 Prozent der Alkoholiker und 80 Prozent der Heroin- und Crack-Konsumenten beanspruchen nach Angaben der Regierung Sozialleistungen. Um die 280.000 Empfänger von Sozialleistungen im arbeitsfähigen Alter sollen Drogenabhängige und 170.000 Alkoholiker sein. Bei den Fettleibigen sind es allerdings nur 1.800, die aufgrund der Fettleibigkeit Krankengeld beziehen, über 7.000 sollen Wohngeld, 1.500 Arbeitslosenunterstützung beziehen. Fettleibig sollen ein Viertel aller Erwachsenen und 15 Prozent der Kinder sein.

Nach Angaben des britischen Gesundheitsministeriums liegen die Kosten für Fettleibigkeit bei 5 Milliarden Pfund jährlich und bei 27 Milliarden für die Wirtschaft. Auch die Kosten, die durch Alkohol entstehen, sind hoch und sollen jährlich bei mehr 21 Milliarden liegen, mit 3,5 Milliarden an Kosten für die NHS, 11 Milliarden aufgrund von Kriminalität und 7 Milliarden für die Wirtschaft. Drogensucht wird auf 15,4 Milliarden Pfund veranschlagt. Nicht gesagt wird, welche Einsparungen tatsächlich gemacht werden können, wenn Sozialleistungen gekürzt oder gestrichen werden, bzw. wie hoch der Anteil derjenigen sein wird, die aufgrund des finanziellen Drucks abnehmen und weniger trinken und dafür wieder arbeiten, sofern sie Arbeit finden.