Wird Spanien Gentech-Fliegen freisetzen?

Genehmigt man in Spanien den Antrag der britischen Oxitec, steht der erste Freisetzungsversuch mit Gentech-Tieren der EU bevor

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Nun liegt der Ball auf dem Dach der Biodiversitätskommission, denn sie trifft eine Vorentscheidung, ob gentechnisch manipulierte Olivenfliegen in Spanien freigesetzt werden. Die Kommission soll Risiken des Versuchs abschätzen. Lässt sie ihn zu, "wäre es der erste Freilandversuch mit gentechnisch veränderten Tieren in der Europäischen Union", hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace gewarnt.

Konkret sollen, so berichtet die Organisation, wöchentlich 5.000 Olivenfliegen (bis zu 260.000) in der katalanischen Provinz Tarragona nahe der gleichnamigen Küstenstadt vom britischen Unternehmen Oxitec freigesetzt werden. Mit Bezug auf Wissenschaftler, Landwirte und Umweltschützer warnt Greenpeace. "Die Freisetzung von genetisch veränderten Insekten in die Umwelt ist ein gefährliches Experiment, das Europa in ein riesiges Labor verwandelt." Denn Insekten hielten sich nicht an Grenzen. Die Auswirkungen seien nicht abschätzbar, die Biodiversität werde genauso gefährdet wie die "Olivenproduktion im Mittelmeerraum", die mit der Freisetzung der Fliegen verbessert werden soll.

Weibliche Olivenfliege (Bactrocera oleae). Bild: Alvesgaspar/CC-BY-SA-3.0

Oxitec will die gentechnisch veränderten männlichen Olivenfliegen mit dem Namen "OX3097D-Bol olive fly" freisetzen, damit sich die Fliegen aus dem Labor mit den natürlichen Weibchen paaren. Die veränderten Männchen tragen ein Gen, das bei Weibchen zum Tod führt, weil sich nach der Paarung dann bei ihnen ein bestimmtes Protein im Körper ansammelt, das in größeren Mengen tödlich wirkt. Der weibliche Nachwuchs stirbt deshalb bereits im Larvenstadium. Dieses Konzept wird auch schon bei der Tigermücke angewendet, mit der die Ausbreitung des Dengue-Fiebers bekämpft werden soll (Anti-Seuchen-Moskitos mit Fortpflanzungsvorteil).

Im Fall der Olivenfliegen soll die für Olivenproduktion schädliche Fliege zurückgedrängt werden. Denn diese Fruchtfliege legt ihre Eier auf oder in den Oliven ab. Die Larven ernähren sich dann von dem Fruchtfleisch der Oliven, was zu erheblichen Ertragsausfällen führe. In Katalonien soll diese "Pest" 2014 wesentlich für einen Ernteausfall von 38% verantwortlich gewesen sein, hat die Bauernvereinigung "Unió de Pagesos" berechnet. Üblicherweise werden die Olivenfliegen mit giftigen Insektiziden oder Insektenfallen bekämpft. Dazu gibt es auch noch die Methode, radioaktiv bestrahlte Männchen freizusetzen, die unfruchtbar sind. Denn nach einer Paarung kommt es dann nicht zur weiteren Vermehrung.

Oxitec meint, die knapp 1000 Quadratmeter große Versuchsfläche sei mit Netzen und Fallen ausreichend abgeriegelt. "Unsere Methode ist umweltfreundlich und pestizidfrei", erklärt Unternehmenssprecherin Chris Creese. Noch sei nicht einmal entschieden, ob der Versuch in Katalonien durchgeführt wird, auch wenn er genehmigt werde. Erst nach der Antwort der Behörden werde man eine Entscheidung fällen, erklärt Creese und verweist auf "Einladungen zu Studien in anderen Ländern".

Kritiker warnen vor enormen Risiken für Umwelt und Landwirtschaft

Im Versuchsantrag, der bei der katalanischen Regierung im Mai einging, räumt Oxitec ein, dass sich im Versuchsgelände auch andere Insekten, Vögel und kleine Säugetiere befinden. Für Greenpeace ist schon die Wirkung auf diese Tiere völlig unbekannt und die Organisation hält es für wahrscheinlich, dass Fliegen aus dem Testgelände nach außen gelangen. "Wenn der Versuch nicht nach Plan läuft, wie viele andere auch, kann er nicht einfach abgebrochen werden", erklärt die Greenpeace-Spezialistin Janet Cotte . Die Fliegen seien nicht ausreichend erforscht. Sie wurden bisher nur im Labor beobachtet und vermehrt. Die gentechnikkritische Organisation "Testbiotech" vermutet rein kommerzielle Interessen des Unternehmens, um möglichst hohen Profit aus eine Patentierung schlagen zu können, erklärte Christoph Then für die Organisation gegenüber Telepolis (Von patentierten Kühen, TTIP und gesellschaftlichen Spannungen). Die Kritiker warnen vor "enormen Risiken" für Umwelt und Landwirtschaft. Diverse Verbände fordern, auch aus anderen Mittelmeerländern, den Versuch nicht zuzulassen.

Besorgt sind in Spanien auch Olivenbauern. Sie befürchten, dass sich die Nachkommen von manipulierten Fliegen schnell ausbreiten könnten, denn auch Wissenschaftler meinen, dass die Unfruchtbarkeit der manipulierten Fliegen niemals zu 100% gewährleistet werden könne. Ihr Problem ist, dass gentechnisch veränderte Larven in den Oliven sterben. Dann sind die Früchte nicht mehr als Lebensmittel zugelassen. Besonders besorgt sind ökologische Landwirte. Auf 170.000 Hektar werden ökologisch Oliven angebaut und Spanien ist weltgrößter Hersteller von ökologischem Olivenöl. Die Ökobauern fürchten um das Vertrauen der Verbraucher und um ihre Zulassung, wenn es zu einer Verbreitung der Fliegen kommt. Víctor Gonzálvez, Sprecher der Vereinigung spanischer Ökobauern, verweist auch darauf, dass die "Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit wurde niemals adäquat untersucht" worden seien.

Gemeinsam will man nun Druck aufbauen, denn schon 2013 hatte Oxitec einen Antrag für diesen Freilandversuch gestellt, ihn aber wieder zurückgezogen. Nach Ansicht von Greenpeace, war dafür der massive Widerstand verantwortlich, der die Behörden dazu brachte, weitere Angaben zu fordern. Und die Erklärung der Biodiversitätskommission ist nicht bindend. Das hat den Vorteil, dass die zuständige katalanische Regionalregierung den Versuch auch ablehnen kann, falls die Kommission ihn als unbedenklich einstuft. Die Chancen dafür werden als gut eingeschätzt, da am 27. September vorgezogene Neuwahlen anstehen, bei denen über die Unabhängigkeit Kataloniens entschieden werden soll.