"Ich glaube nicht, dass wir jemals einem Mr. Spock begegnen werden"

Der Chefastronom des Vatikan über die angeblich von der Nasa entdeckte "Erde 2.0" und die mit Aliens verbundenen heiklen Fragen des Erlösungsdogmas

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Historisch hatte der Vatikan bekanntlich Probleme mit der Wissenschaft der Astronomie, als diese die Zentralität der Erde außer Kraft setzte und erklärte, dass die Erde sich um die Sonne bewegt. Dazu kam die Ernüchterung für die Schöpfungsgeschichte, dass das Sonnensystem nur eines von unzähligen anderen ist. Er ist 1992 schloss der Vatikan mit Papst Johannes Paul II. Frieden mit dem einstigen Ketzer Galileo, den man zwar nicht verbrannte, aber so unter Druck setzte, dass er die Verbreitung seiner Erkenntnisse erst einmal einstellte.

Mittlerweile beschäftigt sich der Vatikan, jedenfalls die Astronomen des Vatikan, auch mit den Möglichkeiten, die die Anerkennung des wissenschaftlichen Weltbilds mit sich bringt. Ausschließen mag man beispielsweise nicht mehr, dass es auch auf anderen Planeten im Weltall Leben, auch intelligentes, geben könne, das dann aber auch vom allmächtigen Gott geschaffen worden sein muss. Und wenn die Lebewesen dann auch noch eine Seele haben … (Sind Aliens auch die Geschöpfe des biblischen Gottes?) Problematisch wird damit nicht nur die Schöpfungsgeschichte, die bekanntlich von manchen christlichen Fundamentalisten weiterhin buchstäblich aufrechterhalten wird, weswegen man auch die Evolution leugnet, sondern auch die Heilsgeschichte.

Ein Exoplanet in der Fantasie eines Space-Art-Malers, auf dem sich die Frage nach einem zweiten Christus wohl nicht stellen würde. Bild: ESO/M. Kornmesser

Wenn es auf anderen Planeten, möglicherweise auf vielen Planeten, intelligentes Leben gibt, gegeben hat oder geben wird, dann entsteht die Frage, warum Gott seinen Sohn ausgerechnet auf die Erde geschickt hat. Haben die Menschen eine Sonderrolle, sind sie im Weltall die Auserwählten, wie Christen und manche christliche Sekten sich ja auch auf der Erde gegenüber anderen Menschen wähnen? Warum hat Gott nicht auf alle bewohnten Planeten seine Söhne geschickt? Sind dann auch die intelligenten Verwandten der Menschen, wie immer sie auch aussehen mögen, stellvertretend durch Christus erlöst? Im Vatikan windet man sich angesichts der schwierigen Probleme, doch noch irgendwie an der Bibel als der Heiligen Schrift festzuhalten (Außerirdische? Kein Problem für die katholische Kirche).

Gerade hat die Nasa angeblich einen erdähnlichen Planeten entdeckt. Kepler 452b heißt er und ist 1.400 Lichtjahre von der Erde entfernt, also ziemlich weit weg, unerreichbar von der Erde aus, für einen allwissenden und allmächtigen Gott würden Lichtjahre allerdings keine Rolle spielen. Die Nasa verkaufte die Entdeckung als "Erde 2.0", mit der Suggestion, dass es irgendwo Leben geben könnte, wird immer gerne geworben, auch wenn die Beweise dünn sind und die Spekulation ins Kraut schießt (Much ado about Kepler-452b).

Im Vatikan sah man sich durch die Entdeckung eines möglicherweise erdähnlichen Planeten, auf dem es möglicherweise Leben geben könnte, herausgefordert. Der Chefastronom des Vatikans, Jesuitenpater José Gabriel Funes, gibt sich nun wissenschaftlicher als die Nasa, die immer um ihre Ressourcen kämpfen muss, und rät zum Abwarten: "Wir müssen an sich noch feststellen, ob es ein irdischer Planet ist, das heißt denselben Aufbau und Dichte wie unsere Erde aufweist. Vielleicht brauchen wir noch zehn Jahre, um festzustellen, wie die Atmosphäre dort aussieht. Und erst danach können wir auch abwägen, ob Leben auf jenem Planeten überhaupt möglich ist."

Da hat er ganz recht, auch darin, dass es natürlich keine katholische Naturwissenschaft geben kann. Aber ist für die Wissenschaft die Religion wichtig. Irgendwie für Funes schon, der zwar der Wissenschaft eine Eigenlogik zugesteht, aber irgendwie behauptet, dass es doch ohne Religion, d.h. ohne katholischen Glauben, nicht geht:

Die wissenschaftlichen Resultate sind jene, die die Wissenschaftler als gültig anerkennen. Es gibt also keine "katholische" und auf der anderen Seite "nicht-katholische Wissenschaft", die sich gegeneinander ausschließen. Es gibt die Wissenschaft und fertig. Ich würde sagen, die Wissenschaft braucht die Religion und umgekehrt. Sie sind komplementär. Erst wenn wir also konkrete Resultate zum neuen Planeten haben, kann sich auch die Theologie dazu äußern.

José Gabriel Funes

Das ist schön diplomatisch und gleicht der Argumentation der deutschen Regierung, d.h. von Gabriel, dass man ja TTIP nicht kritisieren könne, weil das Abkommen noch gar nicht vorliegt. Funes räumt ein, dass es dort Leben, vielleicht auch intelligentes Leben gegeben haben könnte, aber er sagte auch: "Ich glaube nicht, dass wir jemals einem Mr. Spock begegnen werden."

Klar sei jedenfalls, dass Gott zwar erdähnliche Planeten und Aliens geschaffen haben kann, zumindest muss er dies ja nach dem Glauben getan haben, wenn solche existieren, aber es gebe deswegen keinen "zweiten Jesus". Für den Theologen und Astronomen ist sicher, dass "die Inkarnation des Gottessohns ein einzigartiges Geschehen in der Geschichte der Menschheit und des Universums ist".

Woher er das wissen will? Es darf schlicht nicht anders sein. Das unterscheidet Glauben von Wissenschaft. Glaube ist das Gegenteil von Falsifizierung, er ist die permanente Suche nach Gründen, warum man trotz aller Einwände an der Weltsicht (und an der Kirche) festhalten soll und muss. Warum Gott gerade die Menschen bzw. die (wahrhaften) Christen erlöst haben soll und irgendwie fixiert auf die auserwählte Erde war, erklärt uns der Chefastronom des Vatikans leider nicht.