Fußball als Fernsehspektakel

Was wäre denn, wenn sich ARD und ZDF künftig bei der Rechtevergabe zurückziehen würden?

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Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum in ARD und ZDF so häufig die Länderspiele der Frauenfußball-Nationalmannschaft gezeigt werden? An den Quoten kann es zumindest nicht liegen. Seitdem der Hype um die in Deutschland veranstaltete Frauenfußball-WM 2011, bei der Favorit Deutschland bereits im Viertelfinale ausschied, abgeklungen ist, rangieren die Länderspiele der deutschen Frauen im Quotenkeller.

Für ARD und ZDF stellt sich die Sache jedoch ein wenig anders dar, da die Übertragungsrechte an den Länderspielen der Frauenequipe eine Art Beifang in einem vom DFB maßgeschneiderten Rechtepaket sind. ARD und ZDF zahlen schätzungsweise 20 Millionen Euro pro Jahr, dass sie die Freundschaftsspiele der deutschen Herren-, sämtliche Spiele der Frauennationalmannschaft live und die Spiele der 3. Liga sowie der Frauen-Bundesliga als Zusammenfassung senden dürfen. Für die Sender dürften dabei vor allem die Freundschaftsspiele der Herren von so großem Interesse sein, dass man tief in die Tasche greift.

Weitere 20 bis 30 Millionen Euro lassen sich ARD und ZDF die Übertragungsrechte am DFB-Pokal jedes Jahr kosten. Zusammen mit Bundesliga und dem Kombipaket mit den Freundschaftsspielen der Nationalmannschaft überweisen die Öffentlich-Rechtlichen also rund 150 Millionen Euro pro Jahr an den DFB beziehungsweise die DFL. Dass das Budget von ARD und ZDF nicht unendlich ist, zeigte jedoch die Vergabe für die Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft für die EM 2016 und die WM 2018. Hier boten ARD und ZDF Branchenberichten zufolge "nur" 80 Millionen Euro, während RTL ein Gebot von 100 Millionen Euro abgab und damit den Zuschlag erhielt.

Der Privatsender zahlt demnach rund 5 Millionen Euro pro Länderspiel - eine stolze Summe, die sich, wenn überhaupt, nur durch massive Werbung und ebenso massive Berichterstattung im Umfeld der Länderspiele refinanzieren lässt. So ist es dann auch kein Wunder, dass RTL aus dem ersten übertragenen Spiel gegen Schottland ein dreistündiges "Mega-Event" machte, bei dem im Vorprogramm zu emotional-dramatischer Musik auch schon mal Jogi Löws Friseur interviewt wurde. Hier muss man sich die Frage stellen, ob weniger nicht manchmal mehr sein kann und die wertvolle Ware Fußball durch das ganze Tamtam von RTL und Co. nicht vielleicht doch eher nachhaltig geschwächt denn gestärkt wird.

Ein besonderes Politikum sind immer wieder die Übertragungsrechte an den größten "Mega-Events", die die Sportmaschinerie global auf die Beine stellt: den Fußballweltmeisterschaften. ARD und ZDF zahlen für die WM 2018 in Russland sagenhafte 218 Millionen Euro und für die Rechte an der Winter-WM 2022 in Katar für nicht minder sagenhafte 214 Millionen Euro. Jeder deutsche Haushalt zahlt also über die Rundfunkabgabe rund 6 Euro pro WM, egal ob er nun Fußballfan ist oder nicht.

So gesehen ist das TV-Vergnügen via ARD und ZDF vergleichsweise preiswert, im Pay-TV würde ein solches Spektakel sicher das Zehnfache kosten. Dennoch bewegen sich die Öffentlich-Rechtlichen mit diesem Deal in einer regulatorischen Grauzone. Man kann zwar die Ansicht vertreten, dass die Übertragung von Weltmeisterschaftsspielen der deutschen Elf, die ja laut Quoten stets zu den populärsten Übertragungen der Fernsehgeschichte zählen, durchaus zum Grundversorgungsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen zählt.

Zählt es aber zum Grundversorgungsauftrag, alle vier Jahre einen Betrag von mehr als 200 Millionen Euro aus der Rundfunkabgabe in die intransparenten Kassen der FIFA zu spülen? Es ist ja nicht die Übertragung selbst, sondern das horrende Ausmaß der damit verbundenen Kosten, was die Öffentlich-Rechtlichen immer wieder in Bedrängnis bringt.

Der hier veröffentlichte Text ist ein gekürzter Auszug aus dem heute im Westend Verlag erscheinenden Buch Der Kick des Geldes oder wie unser Fußball verkauft wird von Jens Berger. Berger durchleuchtet unseren Lieblingssport und zeigt einen Wirtschaftszweig, der sich perfide unschuldig gibt, von dem aber nur wenige profitieren - auf Kosten der Fans.

Auf die Frage, ob die Öffentlich-Rechtlichen ein derart korruptes System wie die FIFA mit Gebührenzahlermillionen unterstützen dürfen oder sollen, kann es keine einfache Antwort geben. Was wäre denn, wenn sich ARD und ZDF künftig bei der Rechtevergabe zurückziehen würden? SAT1 und RTL würden sich die Finger lecken und - Korruption hin, Intransparenz her - sofort zuschlagen.

Es ist mehr als naiv anzunehmen, dass die beliebteste und attraktivste TV-Ware Deutschlands keinen Abnehmer finden würde, wenn ARD und ZDF plötzlich ihr Gewissen entdeckten. Und die Kassen der FIFA werden ohnehin geflutet, sei es mit ARD- und ZDF-Geldern aus der Rundfunkabgabe oder aus den Werbegeldern, die RTL und SAT1 zur Refinanzierung benötigen und die wir über die beworbenen Waren und Dienstleistungen indirekt ohnehin bezahlen müssen.

Da wäre es doch sinnvoller, nicht den Dealer, also die Sender, sondern den Produzenten, also die FIFA, ins Gebet zu nehmen und politischen Druck auf den Weltfußballverband auszuüben, damit die Gelder nicht mehr in einem Sumpf aus Korruption versickern, sondern womöglich gar zur fußballerischen Entwicklungshilfe eingesetzt werden. Denn dann kann sich auch der ARD- und ZDF-Zuschauer die Fußball-WM in gewohnt guter Qualität und zudem mit einem guten Gewissen anschauen.

Es ist ohnehin bemerkenswert, dass zwar stets die Übertragungsrechte für die Fußball-WM im Fokus der Kritik stehen, die Millionen, die über die Fußball-EM und vor allem die Champions League an die ebenfalls intransparente und korrupte UEFA fließen, aber nur sehr selten thematisiert werden. Das ist erstaunlich, schließlich setzt alleine die Champions League deutlich mehr um als die Fußballweltmeisterschaft. In der Saison 2013/2014 konnte die Champions League über Sponsorenverträge (u.a. mit Gazprom, Sony und UniCredit) und den Verkauf der TV-Rechte an Free-TV- und Pay-TV-Anbieter weltweit 1,45 Milliarden Euro einnehmen.

Als Veranstalter behält die UEFA 25 Prozent der Einnahmen für sich selbst und schüttet 75 Prozent der Einnahmen zum allergrößten Teil an die teilnehmenden Klubs aus. Der Verteilungsschlüssel ist dabei im Detail höchst kompliziert, im Großen und Ganzen jedoch sehr einfach zu verstehen: Wer Erfolg hat und aus einem Land kommt, in dem die TV-Rechte für viel Geld verkauft worden sind, kriegt viel aus dem Topf, wer entweder keinen Erfolg hat oder aus einem Land kommt, in dem die TV-Rechte nicht viel einbringen, muss mit weitaus weniger Geld auskommen.

So konnten sich 2013/2014 die beiden madrilenischen Klubs Real und Atlético, die sich im Finale gegenüberstanden, zusammen mehr als 107 Millionen Euro aus dem Topf der UEFA sichern. Mehr als 40 Millionen Euro pro Klub konnten sich ferner Manchester United, Juventus Turin, der FC Bayern München, Chelsea London und der FC Barcelona sichern - also die Klubs, die ohnehin die reichsten und erfolgreichsten Fußballmannschaften der Welt stellen. Aber selbst am unteren Ende der Ausschüttungsrangliste floss das Geld noch reichlich: Der letztplatzierte tschechische Klub Viktoria Pilsen bekam immerhin noch stolze 11,1 Millionen Euro ausgezahlt. Insgesamt kassierten die 32 Klubs, die die Gruppenphase erreicht hatten, 904,6 Millionen Euro. Über die zweite Pokalveranstaltung, die kleinere Europa League, strömten im gleichen Zeitraum weitere 209 Millionen Euro zu den europäischen Spitzenklubs. Wer hat, dem wird gegeben.

Von deutscher Seite aus finanziert sich auch die Champions League zum Teil aus den Rundfunkabgaben. Das ZDF hat sich für den stolzen Preis von 150 Millionen Euro die Rechte gesichert, 18 Spiele pro Saison live zu übertragen. Anders als bei der Bundesligalizenz der ARD lässt sich diese Summe aufgrund der Anstoßzeiten (20:45 Uhr) und dem Werbeverbot der Öffentlich-Rechtlichen jedoch nur zum Teil und über das Vorprogramm refinanzieren (das beim Finale 2015 dafür schon kurz nach 17 Uhr begann). So verlangt das ZDF die vergleichsweise üppige Summe von 1.700 Euro für jede Sekunde Werbung im Vorprogramm des diesjährigen Champions-League-Finales. Zum Vergleich: Eine Sekunde Werbung während des amerikanischen Superbowl-Finales kostet 140.000 Euro. Das ZDF hätte also durchaus noch Luft nach oben.

Sämtliche 146 Begegnungen werden vom Pay-TV-Sender Sky gezeigt. Wie viel Geld Sky dafür an die UEFA überweist, ist ein gut gehütetes Branchengeheimnis. Man kann jedoch auf Basis von Vergleichswerten von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr ausgehen. Das sind natürlich Peanuts im Vergleich zum britischen TV-Markt: Dort zahlte der Breitbandanbieter BT jüngst eine Milliarde Euro für die Champions-League-Übertragungsrechte von 2015 bis 2018.

Analog zu den Übertragungsrechten der Bundesliga werden auch bei den Übertragungsrechten zur Champions League Millionensummen entweder direkt oder indirekt vor allem in die Vereine gepumpt, die ohnehin schon steinreich sind. Oder um es polemisch zuzuspitzen: Ein Fußballmultimillionär vom Schlage eines Cristiano Ronaldo kann sich nur deshalb seinen x-ten Ferrari leisten, weil Oma Krawuttke aus Gelsenkirchen-Buer brav ihre Rundfunkzwangsabgabe bezahlt und ein Teil ihrer Energiekosten via Gazprom an die Champions League umverteilt wird. Gerechtigkeit sieht anders aus, aber wer sagt denn, dass Profifußball etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat?

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