Syriza zerbricht am dritten Rettungsprogramm

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Tsipras deutet an, dass es eventuell schon am Montag Neuwahlen ausgerufen werden

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Das griechische Parlament hat in einer Mammutsitzung, welche mit den gemeinsam tagenden Fach-Ausschüssen am Donnerstag mit eineinhalb Stunden Verspätung um kurz vor 11 Uhr begann in den Morgenstunden des Freitags, um 10 Uhr 40 mit 222 zu 64 Stimmen bei 11 Enthaltungen das so genannte "technische Memorandum" verabschiedet. Tsipras wird am 20. August, so sickerte es direkt nach der Abstimmung durch, die Vertrauensfrage stellen.

Im Prinzip handelt es sich dabei um Rentenkürzungen, Steuererhöhung und all das, was die Vorgängerregierungen von PASOK, Nea Dimokratia, Demokratischer Linke und LAOS nie umsetzen wollten. So kann künftig in Fischgeschäften, Obstläden und Kiosken Brot gebacken und frische Brotprodukte verkauft werden. Die Berufsfelder für Notare und Ingenieure werden geöffnet und die Mindestrenten auf 360 Euro gekürzt.

Einer neuen Treuhandanstalt werden staatliche Besitzgüter sowie Einnahmen für 50 Milliarden verpfändet. Die Kontrolle über die Treuhand haben die Kreditgeber. Zudem sind die Gelder des europäischen Regionalförderungsfonds und die Prämien der gemeinsamen Agrarpolitik der EU als Pfand hinterlegt.

Das technische Memorandum dient Finanzminister Euklidis (Euklid) Tsakalotos dazu, bei einer außerordentlichen Sitzung der Eurogruppe auch die notwendige, politische Einigung für das dritte Rettungspaket zu beantragen.

Regierung: notwendige Mindestanzahl für ein geduldetes Minderheitskabinett verloren

Das gesamte Verfahren im Parlament wurde jedoch überschattet vom internen Streit innerhalb der Syriza-Fraktion. Tatsächlich hat die Regierung nunmehr sogar die notwendige Mindestanzahl für ein geduldetes Minderheitskabinett verloren, da je nach Artikel des drei Artikel umfassenden Gesetzespakets nur noch 115, 118, bzw. 117 Parlamentarier treu zu Premierminister Tsipras stehen.

Per Verfassung vorgeschrieben sind jedoch mindestens 120. Bereits während der Sitzung deutete Alexis Tsipras an, dass es eventuell schon am Montag Neuwahlen ausgerufen werden könnten. Denn eigentlich ist die Regierung mit dem heutigen Tag ohne verfassungsmäßige Grundlage.

Zudem hat die Rechtsabteilung des Parlaments in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Kommentierung des Gesetzespakets angemahnt, dass vor allem die Rentenkürzungen in der vorgelegten Form, sowie die Verbindung eines Rentengesetzes mit den übrigen Gesetzen, den Regeln der griechischen Verfassung diametral widersprechen.

Darüber hinaus hat Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou, die offenbar auf Betreiben von Kreisen ihrer eigenen Partei in der Presse mit sexistischen Charakterisierungen angegriffen wurde, öffentlich erklärt, "da der Premierminister in Interviews sagt, es wäre kindisch, wenn ich ihn stützen würde, aber die Verweigerung zu den diktierten, und nach seinen Angaben erpressten Sparpaketen beibehalten würde, möchte ich hiermit bekanntgeben, dass ich den Premier nicht mehr stütze." Ein von der Regierung aber auch von der Partei To Potami in den nächsten Tagen gegen Konstantopoulou einzureichendes Misstrauensvotum wird erwartet.

Darüber hinaus hat die linke Plattform die Bildung einer Bewegung gegen die EU-Rettungspakete angekündigt. Der Anführer der linken Plattform warf Vize-Finanzminister Dimitris Mardas vor, dass dieser einen Putsch unternehmen würde. Lafazanis gab an, dass er sich für seine Partei schämen würde.

"Heillos zerstritten"

Überschattet wurde das gesamte Procedere von den von der Regierung verlangten Eilverfahren, sowohl in den Ausschüssen als auch im Plenum. In den Ausschüssen war die Redezeit der "normalen" Abgeordneten extrem begrenzt. Zudem kamen nur knapp 40 von 83 in die Rednerlisten eingetragenen Parlamentarier zu Wort. Im Plenum wurde es den Abgeordneten nicht erlaubt, das Wort zu ergreifen.

Zu den übrigen Ereignissen gehörten Sticheleien seitens der Nea Dimokratia und der PASOK gegen die Regierung Tsipras-Kammenos. Zeitweise fielen äußerst unflätige Worte.

Für den letzten Eklat sorgte die Eile der Parlamentarier, nach der namentlichen Abstimmung das Plenum fluchtartig zu verlassen. Denn nach Bekanntgabe des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ist es vorgeschrieben, dass das Plenum die Annahme des Gesetzespakets als Ganzes beschließt.

Es befanden sich jedoch nur noch knapp 34 Abgeordnete im Saal. Vorgeschrieben ist für Abstimmungen eine Mindestzahl von 75. Konstantopoulou erhob daher Einwände gegen die "Annahme des Gesetzes durch leere Stühle". Sie konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

Die nächsten Tage und Wochen dürften für Regierung und Syriza sehr intensiv werden. Die Gruppen innerhalb von Syriza sind heillos zerstritten. Noch stehen sie sich abwartend gegenüber. Denn keiner möchte die Verantwortung für das unvermeidliche Zerwürfnis übernehmen.