"Krieg ums Wasser" in Spanien

Das zentralspanische Kastilien-La Mancha will kein weiteres Wasser an die Küste nach Valencia, Murcia und Andalusien ableiten

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In Spanien ist der "Krieg um das Wasser" aus den Talsperren in diesem Jahr aufgeflammt, wie die Medien des Landes den Konflikt bezeichnen.

Obwohl Stauseen am oberen Teil des Tajo-Flusses nur noch zu 16 Prozent gefüllt sind, will die Zentralregierung in Madrid gegen den Widerstand der Regionalregierung in Kastilien-La Mancha weiter Wasser in Richtung Mittelmeer umleiten. Erst kürzlich wurde in Madrid ein neuer "Trasvase" verfügt. Weitere 20 Kubikhektometer Wasser sollen über den Tajo-Segura-Kanal über fast 300 Kilometer aus Guadalajara abgeleitet werden. Dagegen sträuben sich die Bewohner in der trockenen zentralspanischen Region und ihre Regierung.

Stausee Entrepeñas, Aufnahme November 2014. Bild: Aglaya72/CC-BY-SA-3.0

Die Bevölkerung hat neue Proteste angekündigt. In einem Autokonvoi sollen am kommenden Montag die 30 Kilometer zwischen den Gemeinden Alcocer und Chillarón del Rey in der Provinz Guadalajara zurückgelegt werden. Denn beide Gemeinden zeichnen sich durch die Besonderheit aus, dass sie an den großen Talsperren Entrepeñas und Buendía liegen. Obwohl aus ihnen weiter Wasser für durstige Touristen, Golfplätze und die Landwirtschaft ans Mittelmeer abgeleitet wird, müssen die Bewohner beider Orte mit Trinkwasser aus Tanklastern versorgt werden.

In Chillarón del Rey erleide die Bevölkerung diese Situation schon einen Monat, erklärt Francisco Pérez Torrecilla. Er ist Bürgermeister von Sacedón und er befürchtet, dass den knapp 2000 Einwohnern bald das gleiche Schicksal droht. Er fordert vom Landwirtschaftsministerium "ausreichend Trinkwasser in guter Qualität" für die gesamte Region. Denn die Bürger, bei denen noch Wasser aus den Hähnen kommt, beklagen, dass es oft braun und trüb sei.

Nun ist die gespeicherte Wassermenge in den beiden Seen offiziell unter die Marke von 400 Kubikhektometer gesunken. Nach neuen Angaben der Confederación Hidrográfica del Tajo sind die Wasserstände in beiden Speichern um 12,4 Kubikhektometer gesunken, es sollen nun noch 393,4 sein. Das ist bedeutend, weil ab der Marke keine Umleitungen mehr stattfinden sollen. Deshalb fordern auch die Aktivisten der Bürgerinitiative "Stop Trasvase" den Hahn abzudrehen. Die Landwirtschaftsministerin Isabel García Tejerina habe die neue Umleitung angeordnet und müsse sie nun zurücknehmen, weil das Minimum schon unterschritten ist, erklärt der Bürgermeister Pérez Torrecilla.

Viele Bewohner in Kastilien-La Mancha fordern, die Mindestmarke in beiden Stauseen auf 1000 Kubikhektometer anzuheben, um auch die Bewässerung für die Landwirtschaft der Region zu sichern. Ein anderes Wassermanagement fordern auch Umweltschützer. Denn der Tajo sei längst kein Fluss mehr, sondern nur noch eine Ansammlung von Stauseen. Die Mindestfließmengen im Fluss seien ohnehin zu gering und würden oft nicht einmal garantiert, was gravierende Auswirkungen für Flora und Fauna habe. Spanien ist in Brüssel schon bekannt und wurde erst 2012 verurteilt, weil Wasserpläne nicht umgesetzt wurden. Anfang des kommenden Jahres wird eine Kommission der EU vor Ort die Lage prüfen, weil Umweltschützer auf die Gefahren wegen fehlendem Wasser in 14 Flüssen hingewiesen hatten.

Die neue Regionalregierung hofft, dass die konservative Volkspartei (PP) im Herbst auch in Madrid abgewählt wird, was mit dem "Krieg um das Atomlager" zu tun hat. Die zuständige Ministerin Elena de la Cruz kündigte rechtliche Schritte gegen neue Umleitungen an, wenn die Ableitung nicht "sofort" gestoppt werde. Wasser ans Mittelmeer zu leiten sei längst "undurchführbar", weil die "legitime Entwicklung" der Region nicht mehr garantiert sei. Sie führt an, dass Guadalajara regelrecht ausgetrocknet werde. In den letzten vier Jahren sei die doppelte Menge des Wassers in Richtung Mittelmeer abgeleitet worden, als im Durchschnitt der vergangenen 36 Jahre, seit es den Tajo-Segura-Kanal gibt. "Die Stauseen am oberen Tajo sind nur noch Pfützen und es zeigt sich ein danteskes Bild", erklärte die Ministerin.

Tajo-Segura-Kanal. Bild: Manchego/gemeinfrei

Tatsächlich zeigen Daten der Wasserbehörden an, dass sich die Lage am oberen Tajo ständig zuspitzt. In diesem Wasserwirtschaftsjahr (ab 1. Oktober 2014) hat es in ganz Spanien bisher zehn Prozent weniger als im Durchschnitt geregnet. Und gerade in den Gebieten, die das Wasser aus dem Tajo beziehen, belief sich das Defizit sogar auf etwa 25 Prozent. Und wegen der "sehr heißen" und "extrem heißen" Monate Juni und Juli (der heißeste Monat seit es Aufzeichnungen gibt), lagern in den beiden großen Stauseen am oberen Tajo sogar noch fast 250 Kubikhektometer weniger Wasser als im Vorjahr. Eigentlich sollten sich nach Ansicht der Wasserwirtschaftler Anfang August mehr als 900 Kubikhektometer in den beiden Seen befinden. Wegen den Entwicklungen kündigt die Regionalregierung ein Gesetz an, um ihre Wasserressourcen zu schützen.

Natürlich gefällt das auch sozialdemokratische Parteikollegen in Valencia, Murcia und Andalusien nicht, wohin das Wasser fließt. Sie sind durch Tourismus und intensive Landwirtschaft immer abhängiger von Wasserzufuhren aus anderen Regionen. 132.000 Hektar Land werden dort aus dem fernen Tajo bewässert. "Wenn das Wasser nicht mehr kommt, müssen wir alle nach Deutschland auswandern", meint José Manuel Rocamora und bezieht sich dabei auf die wegen hoher Arbeitslosigkeit ohnehin starke Auswanderung. Der Landwirt aus Orihuela in der Provinz Alicante ist auf Wasser aus dem Tajo angewiesen. Das aus Meerentsalzungsanlagen sei mit 50 Cent pro Kubikmeter fünfmal teurer als Wasser aus dem Tajo.

Es zeichnet sich nun aber erst der wirkliche Konflikt um das Wasser ab, der in der Zukunft droht. Denn die Klimaveränderungen treffen gerade die Südhälfte Spaniens besonders hart. Erwartet werden Dürreperioden. Nach den Klimamodellen soll sich bis 2050 in vielen Regionen des Landes sogar der Anbau von Zitrusfrüchten, Weintrauben und Oliven nicht mehr lohnen oder unmöglich sein (Spanien bald ohne Orangen, Wein und Olivenöl), auch wenn die Erwärmung weltweit auf zwei Grad beschränkt werden kann.