Wie Bulgarien sein Flüchtlingsproblem löst

Mohammed Ibfrahim vor dem Flüchtlingslager Ovtscha Kupel. Bild: F. Stier

Bulgarien ist von der Flüchtlingswelle, die von Griechenland über die Balkanroute zieht, bislang weitgehend ausgespart worden

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Nur wenige Flüchtlinge halten sich an diesem heißen Sonntagnachmittag Ende August 2015 auf dem Hof des Flüchtlingslager Ovtscha Kupel in Sofia auf. Einige Männer sitzen im Schatten, Kinder spielen, Frauen sind nur vereinzelt zu sehen. Mit seiner Kapazität von 860 Plätzen ist Ovtscha Kupel das größte Flüchtlingslager der bulgarischen Hauptstadt, momentan ist es aber nur zu 60% belegt, vor allem mit syrischen Flüchtlingen. www.aref.government.bg/?cat=8

Einen Steinwurf entfernt von ihm steht die "Hotel Ritz" genannte Bauruine, die seit Jahren Flüchtlingen als Not-Unterkunft dient, die das Flüchtlingslager nach Abschluss ihres Anerkennungsverfahrens verlassen müssen. Es erinnert nicht viel an die heiße Phase der bulgarischen Flüchtlingskrise im Herbst 2013. Damals verbreiteten nationale und internationale TV-Sender erschütternde Bilder über katastrophale Zustände in überfüllten bulgarischen Flüchtlingslagern.

Mohammed Ibrahim ist vor einem Monat aus Afghanistan nach Bulgarien gekommen. Sein Vater, der als General der afganischen Armee gegen die Taliban kämpft, hat einem Schlepper 5.000 US-Dollar gezahlt, damit er seinen Sohn von Afghanistan nach Frankreich bringe. Kabul, Pakistan, Iran, Istanbul, Sofia - so beschreibt Ibrahim die Route seiner zwei Monate lang dauernden Flucht.

Drei Tage sind wir zu Fuß von der Türkei über die grüne Grenze nach Bulgarien marschiert. Auf bulgarischer Seite hat uns ein Auto des Schmugglers abgeholt und nach Sofia gebracht. In einem Restaurant wurden wir von der Polizei aufgegriffen und in das Ausländer-Gefängnis Buschmantsi gebracht. Die Verhältnisse dort waren nicht gut und nicht schlecht, doch sie waren besser als hier im Lager in Ovtscha Kupel, wo das Essen nicht gut ist. Jetzt habe ich keinen Kontakt mehr zum Schmuggler und auch kein Geld mehr, so weiß ich nicht, wie ich nach Frankreich komme, doch das ist mein Plan.

Mohammed Ibrahim

Bulgarien will den Grenzzaun ausbauen

Im Juli 2014 hat Bulgarien einen rund dreißig Kilometer langen, vier Meter hohen Stacheldrahtzaun an der Grenze zur Türkei fertiggestellt. Bereits im Mai 2015 alarmierten aber bulgarische Medien, die knapp vier Millionen Euro teure "ingenieurtechnische Anlage verhütenden Typs an der Staatsgrenze zur Türkei", wie die offizielle Bezeichnung des Zauns lautet, neige sich an mehreren Stellen zur Erde und sei von Flüchtlingen problemlos mit Teppichen zu überdecken und zu überwinden. Stürmisches Wetter habe dem Zaun derart zugesetzt, dass er gestützt werden müsse, gestanden die die zuständigen Behörden ein.

Seit Bulgarien im Spätsommer 2013 einen für das kleine Balkanland ungewohnten Zustrom meist syrischer Flüchtlinge erlebte, sehen viele Bulgaren ihr Land als einen europäischen Frontstaat in der Flüchtlingskrise wie Italien und Griechenland. Unermüdlich fordert ihr Ministerpräsident Boiko Borissov deshalb von der Europäischen Kommission zusätzliche finanzielle Unterstützung: "Wir geben viel Geld für den Unterhalt der Flüchtlinge und für den Bau der Grenzanlage aus; das sind Millionen, die der bulgarische Steuerzahler gibt. Wenn also den einen (Italien und Griechenland, A. d. A. ) gegeben wird, sollen sie (die Europäer in Brüssel, A. d. A.) doch so liebenswürdig sein, auch uns zu beachten", verlautbarte der bulgarische Regierungschef am Rande des Flüchtlingsgipfels des Europäischen Rats im April 2015 in Brüssel.

Mitte Juli 2015 schritt Bulgariens Innenministerin Rumiana Batschvarova in der Nähe des Grenzübergangs Kapitan Andreevo zum "symbolischen" Spatenstich" für die Verlängerung des Grenzzauns um weitere 132 Kilometer. Bis wann er fertiggestellt werden kann und wie teuer er dem armen Bulgarien zu stehen kommen wird, ist noch offen, doch dass das in ihn investierte Geld für die Erweiterung und Modernisierung seiner Flüchtlingslager fehlen wird, steht fest.