Wie war das noch mit dem Korea-Krieg?

Zum Antikriegstag: Über die Wiederbewaffnung Deutschlands und das missionarische Sendungsbewusstsein der USA

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Im familiären Geschichtsgedächtnis wurden ab 1945 das Schweigen der aus dem zweiten Weltkrieg heimkehrenden deutschen Soldaten und nächtliche Alpträume der Väter in der Regel mit den Schrecken der Kriegsgefangenschaft in Verbindung gebracht. Heute wissen wir um die hundertausendfachen Täterschaften von Wehrmachtsangehörigen, die an den Verbrechen im nationalsozialistischen "Rassenkrieg" aktiv beteiligt waren.

Viele Heimkehrer verstummten, weil sie zu Mördern geworden waren. Wie konnten sie aber unter solchen Vorrausetzungen tiefere, offenherzige Beziehungen auch nur zu ihren eigenen Kindern aufbauen? Die Abgründe des beschädigten Seelenlebens mussten sich somit auch auf den Lebensweg der nächsten und übernächsten Generation auswirken. So ist es nach jedem Krieg.

Umgehende Wiederbewaffnungspläne nach Verabschiedung des Grundgesetzes

In der Bevölkerung bestand nach Niederwerfung des deutschen Faschismus bis in die bürgerlichen Kreise hinein ein breiter Konsens: Nie wieder Militär, nie wieder Krieg! Entsprechende Voten der Parteivorsitzenden von CDU und SPD sind heute weithin vergessen. Die alsbald nach Verabschiedung des Grundgesetzes - zunächst unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Parlament - betriebene Remilitarisierung hat umso tiefere Gräben in die Gesellschaft gerissen und über eine ideologische Neuprogrammierung die Geschichte der Bundesrepublik nachhaltig geprägt.

Für Wiederaufrüstung, Atomwaffenpläne und restriktive Handhabung des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung erhielt die Adenauer-Administration Schützenhilfe u.a. von katholischen Verbänden, Hoftheologen und Kirchenleitungen. Nonkonformisten aus dem christlichen Lager wurden sozial isoliert, diffamiert und förmlich zu Unpersonen erklärt. Wer nicht mitspielte, musste - bis hin zum Arbeitsplatzverlust - auch materiell büßen.

Ungleich aggressiver gestaltete sich das Vorgehen gegen orthodoxe Marxisten oder Menschen, die man als solche betrachte. Manch ein Kindergarten- oder Schulkind der Remilitarisierungszeit aus kommunistischen Familien kann erzählen, wie Papa oder Mama damals im Gefängnis saß. In Bonn setzte die Polizei trotz winterlicher Temperaturen Wasserwerfer gegen linke Friedensdemonstranten ein. In Essen kam am 11. Mai 1952 der 21-jährige Kommunist Philip Müller durch eine Polizeikugel ums Leben. Er war aus Bayern zu einer Jugendkarawane gegen die Remilitarisierung Deutschlands angereist und hatte wie viele andere nichts vom Verbot der Demonstration mitbekommen.

Da für Adenauer die kommunistische Weltgefahr schlimmer noch als der Nationalsozialismus war, musste ein Schlussstrich unter das "dunkelste Kapitel deutscher Geschichte" schnell bewerkstelligt werden. Die Soldaten und alle gesellschaftlichen Gruppen, die Hitlers Eroberungs- und Vernichtungskrieg mitgetragen hatten, waren gemäß amtlicher Geschichtsdeutung ja nur ihrer Pflicht gefolgt. Sogar US-General Eisenhower wurde - wider besseres Wissen - zu einer Art "Ehrenerklärung" für die Wehrmacht gedrängt.

Ohne US-amerikanische Assistenz wäre der bundesdeutsche Geschichtsrevisionismus - samt Geheimkomplex "Operation Gehlen" - wohl kaum zum Zuge gekommen. Vierzig Generäle und zehntausend Offiziere aus der "sauberen Wehrmacht" sowie auch einige hundert SS-Offiziere bildeten dann den Kern des Gründungspersonals der Bundeswehr. Das Wort "Macht" kam im Namen des neuen Militärs allerdings nicht mehr vor.

Wie aber konnte der ganze Vorgang, der viele zuvor von den US-Amerikanern antimilitaristisch und demokratisch geschulte Multiplikatoren vom Glauben abfallen ließ, in einer solchen Windeseile von statten gehen? Waren EVG- bzw. NATO-Beitritt und Wiederbewaffnung einfach nur der Preis für die Westintegration? Der Historiker und Adenauer-Biograph Hans-Peter Schwarz kommt im ersten Kapitel einer sechsteiligen WDR-Filmproduktion "Bonner Republik 1949-1998" zu folgender Antwort:

Adenauer hat schon vor dem Koreakrieg darauf gedrängt, irgendwie deutsche Truppen aufzubauen. Als Truman das hörte, sagte er: "Die Deutschen sind verrückt geworden, dass sie fünf Jahre nach dem Kriege bereits wieder an eigene Truppen denken." Drei Monate später, als der Koreakrieg ausgebrochen war, waren die Amerikaner die ersten, die darauf drängten: Jetzt brauchen wir sofort deutsche Truppen.

Hans-Peter Schwarz