"Natürlich gibt es militärische Lösungen"

Hannover 1945: Eines von mehreren historischen Stadtmodellen im Neuen Rathaus erinnerte auch am Antikriegstag an die Ergebnisse von Krieg. Bild: Stefan Korinth

Antikriegstag: Historiker wendet sich gegen mögliche deutsch-russische Verabredungen

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Bei einer Podiumsdiskussion am 1. September, dem Antikriegstag in Deutschland, hat der Historiker Jan C. Behrends die Idee einer neuen deutschen Ostpolitik gegenüber Russland kategorisch abgelehnt. Der frühere OSZE-Vizepräsident Willy Wimmer sprach sich in Hannover stattdessen für neue Verhandlungsinitiativen mit Russland und Friedensforderungen an die Adresse der USA aus.

Zum Schulanfang am ersten September schwiegen die Waffen in der Ostukraine. Es ist nicht der erste Waffenstillstand. Feuerpausen für das Bürgerkriegsgebiet wurden auch früher schon, etwa im Februar 2015 mit dem "Minsk-II"-Abkommen, vereinbart. Die Verhandlungen kamen damals offiziell auf Initiative Frankreichs und Deutschlands zustande. Auch im September wollen der französische Präsident Hollande und Kanzlerin Angela Merkel sich mit dem ukrainischen und russischen Präsidenten zu Gesprächen treffen.

Wie schon bei "Minsk II" wird dann Polen wohl wieder nicht dabei sein. Das kritisiert der Osteuropahistoriker Jan C. Behrends vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. "Heute gibt es keinen Raum mehr für deutsch-russische Sonderbeziehungen", sagte er bei einer Podiumsdiskussion in Hannover. Interessen und Ängste der zwischen Deutschland und Russland liegenden Staaten wie Polen oder den baltischen Ländern müssten mitbedacht werden, forderte er.

In diesen Staaten fühle man sich bei deutsch-russischen Absprachen schon mal an den Hitler-Stalin-Pakt erinnert, sagte der Forscher. Polen würde auch wirtschaftliche Zusammenarbeit von Berlin und Moskau, wie etwa beim Bau der "North-Stream"-Pipeline durch die Ostsee, nicht gern sehen. In diesem Zusammenhang hatte der Osteuropaforscher in einem Gastbeitrag für die Zeit die deutsche Politik als "Gehilfen russischer Machtansprüche" angegriffen. Die Pipeline habe "Russlands Krieg in der Ukraine" ermöglicht, behauptete der Forscher.

Der Historiker Jan C. Behrends vom Zentrum für Zeithistorische Forschung sprach sich bei der Podiumsdiskussion im Neuen Rathaus gegen bilaterale "Sonderbeziehungen" zwischen Berlin und Moskau aus. Bild: Stefan Korinth

Die Annäherung an Moskau habe schon im Kalten Krieg keinen positiven Wandel hervorgerufen, schrieb Behrends in dem Beitrag weiter. Überhaupt habe die ganze Ostpolitik seinen Worten nach kaum etwas zum Ende der Konfrontation beigetragen.

Moskau bedrohe die Souveränität anderer osteuropäischer Staaten auch heute wieder. Und die Bundesrepublik müsse diesen beistehen. "Wir in Deutschland glauben ja nicht gern, dass es militärische Lösungen für Probleme gibt", so Behrends bei der Podiumsdiskussion. "Aber natürlich gibt es militärische Lösungen. Hitler wurde auch militärisch besiegt."