Putin in China

Liberaldemokraten kritisieren Landpacht in Sibrien

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Morgen wird der russische Staatspräsident Wladimir Putin in Peking an den chinesischen Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Weltkriegsendes in Ostasien teilnehmen. Außerdem wird das 154. russische Infanterieregiment bei der Parade mitmarschieren. Da viele andere Länder lediglich Botschafter entsandten, gilt die Teilnahme als Zeichen dafür, dass Putin engere Beziehungen zu China knüpfen will.

Dazu sollen heute etwa zwei Dutzend Abkommen zwischen den beiden Ländern formell abgeschlossen werden. Russland arbeitet unter anderem daran, Öl und Gas vermehrt nach Osten und Süden zu liefern. Im letzten Jahr vereinbarte der russische Gazprom-Konzern mit dem staatlichen chinesischen Energiekonzern CNPC den Bau einer Pipeline und Gaslieferungen im Wert von umgerechnet über 350 Milliarden Euro. Über den Bau einer zweiten Leitung, die durch das Altai-Gebirge gehen soll, wird gerade verhandelt.

Chinesische Anbieter drängen dafür seit dem Beginn des Sanktionskrieges zwischen Russland und der EU vor eineinhalb Jahren verstärkt in russische Märkte und sicherten sich unter anderem eine Beteiligung am Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahnlinie zwischen Moskau und Kasan, die später bis nach Peking führen könnte.

Außerdem planen Investoren aus dem Reich der Mitte in der nordwestlich der chinesischen Autonomen Region Innere Mongolei gelegenen 431.892 Quadratkilometer großen Region Transbaikalien für umgerechnet etwa 300 Millionen Euro 1.150 Quadratkilometer Land fünfzig Jahre lang zu pachten und landwirtschaftlich zu bewirtschaften. In Äthiopien und anderen afrikanischen Ländern zeigte sich, dass solche chinesischen Investoren den Boden wesentlich ertragreicher nutzen als heimische Bauern, die Traditionen verhaftet sind und denen sowohl das Wissen als auch das Kapital für eine Bewirtschaftung auf der Höhe der Zeit fehlt.

Die Liberaldemokratische Partei von Wladimir Schirinowski ist jedoch strikt gegen solche Pachtverträge. Sie verweist auf mögliche Umweltschäden, die die Investoren hinterlassen könnten - und darauf, dass sie angeblich vor allem chinesische Arbeitskräfte beschäftigen wollen. Im gegenüber der chinesischen Provinz Heilongjiang gelegenen Jüdischen Autonomen Oblast Birobidschan sollen dem Gouverneur zufolge bereits 80 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in der Hand chinesischer Investoren sein, die vor allem Soja anbauen.

Manche Russen befürchten, dass solche Pachten der erste Schritt einer chinesischen Landnahme sein könnten. Diese Befürchtungen stützen sich unter anderem darauf, dass es 1969 im Streit um eine Insel im Grenzfluss Ussuri zu einem kleinen Krieg und einer nachhaltigen diplomatischen Verstimmung zwischen der Sowjetunion und China kam, der den Weg für eine Annäherung zwischen Mao und Nixon ebnete.

Transbaikalien: Karte: TUBS. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Sibirien ist mit etwa 38 Millionen Menschen auf gut 13 Millionen Quadratkilometer sehr dünn besiedelt - vor allem im Osten, der an China grenzt. Außerdem sind noch heute viele der Einwohner keine ethnischen Russen, sondern Link auf http://www.heise.de/tp/artikel/29/29444/s1.html. In China leben dagegen knapp 1,4 Milliarden Menschen auf nur neuneinhalb Millionen Quadratkilometern, von denen ein großer Teil Wüsten und kahle Hochgebirge sind, die sich deutlich schlechter zum Nahrungsanbau nutzen lassen als die kalten (aber grundsätzlich fruchtbaren) sibirischen Wälder.

Dass die politische Übernahme einer landwirtschaftlichen Nutzung folgt, wäre in der Geschichte nicht ohne Beispiel: Im 19. Jahrhundert spalteten sich zum Beispiel englischsprachige Rancher in Texas von Mexiko ab - und in Hawaii waren es vor allem englischsprachige Zuckerrohrpflanzer, die den Sturz der Königin Liliʻuokalani und den Anschluss an die USA betrieben. Allerdings verfügt Russland im 21. Jahrhundert - anders als Mexiko und die hawaiianische Königin im 19. - über Atomwaffen, weshalb China ein politischer Anschluss landwirtschaftlich genutzter Gebiete in Sibirien unverhältnismäßig teuer kommen könnte.

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