Pentagon rüstet im europäischen "Machtvakuum" auf

Die Veränderung der US-Militärstrategie wird am Wechsel der Tarnfarbe von in Deutschland stationierten Panzern deutlich, die für den Einsatz in Osteuropa vorgesehen sind

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Der transatlantische Think Tank, man könnte auch sagen: die Lobbyorganisation Carnegie Europe erinnert wieder einmal daran, dass die Nato-Staaten auf dem Gipfel in Wales versprochen hatten, 2 Prozent des BIP für Rüstungsausgaben auszugeben. Das sei notwendig, weil sich die USA militärisch aus Europa zurückziehen, was zusammen mit den seit den 1990er Jahren gesunkenen Rüstungsausgaben ein wachsendes Sicherheitsvakuum zur Folge habe.

Europa müsse sich außen- und geopolitisch mehr engagieren, wird von der transatlantischen Organisation, die US-Interessen vertritt, immer wieder gefordert. Die Erweiterung der Nato ist notwendig und gut, Russland aggressiv, bei den schleppend vorankommenden Reformen in der Ukraine müsse man die Augen schließen und vor allem eben, Europa muss aufrüsten. Es gebe eine "sich vergrößernde transatlantische Spaltung über die Sicherheit in Europa". Nach Carnegie bleibe die Frage, wer Europas Sicherheit angesichts der "globalen strategischen Veränderungen" sichern solle, unbeantwortet.

Tatsächlich hatte US-Präsident Obama vorgehabt, die USA militärisch stärker aus Europa und den Nahen Osten zurückzuziehen, um den Schwerpunkt in den asiatischen Raum im Wettstreit mit China zu verlegen. Der Ukraine-Konflikt diente erst einmal dazu, die geforderte außenpolitische und militärische "Verantwortung" der Europäer einzufordern, bis hin zur Steigerung der Rüstungsausgaben, der Bildung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), auch "Speerspitze" genannt, und der Aufstockung der NATO Response Force (NRF) sowie dem größeren Engagement der Europäer im Nahen Osten und Afrika. Aber der Islamische Staat stellte ebenso wie der Konflikt mit Russland, dessen Eskalation nicht alle EU-Staaten Folge leisten wollten, die Strategie der Umschichtung in Frage, obgleich die Spannungen mit China zunahmen. Trotz Kürzungen des Verteidigungshaushalts wurden wieder mehr Kräfte und Waffen in Europa stationiert und immer größere Militärübungen veranstaltet.

Ein Abrams-Panzer wird während des Besuchs der US-Kommandeure vorgeführt - noch für die Wüste lackiert. Bild: US Army

Offenbar ist das Pentagon immer weniger bereit, das von Carnegie Europe ausgemachte Machtvakuum sich ausbreiten zu lassen, was die transatlantische Einheit gegenüber Russland und der geplanten Erweiterung der Nato ins Schwanken bringen könnte. Darauf weist auch ein an sich wenig bedeutsamer, aber auf dem genannten Hintergrund doch bezeichnender Vorgang hin. Die US-Armee hat beschlossen, die in Europa stationierten Panzer und gepanzerten Fahrzeuge umzulackieren. Waren sie bislang gelb-oliv für den Einsatz in den Wüsten des Nahen Ostens gefärbt, so werden sie nun wieder der europäischen Landschaft angepasst und in "woodland green" getarnt. Das entspreche, so die US-Militärzeitschrift "Stars and Stripes" den "Sicherheitsbedenken der östlichen Nato-Alliierten seit der russischen Intervention in die Ukraine im letzten Jahr".

Bradley-Kampffahrzeuge werden auf dem Stützpunkt Coleman Barracks auf Einsatzbereitschaft überprüft. Bild: US Army

Der Europa-Kommandeur der US Army (USAREUR), General Ben Hodges, machte am Dienstag in den Coleman Barracks in Mannheim klar, dass es bei der Veränderung des Tarnanstrichs um "Abschreckung und Stärkung" gehe. In den Coleman Barracks werden Panzer und andere schwere Militärfahrzeuge des so ganennten "European Activity Set" (EAS) für den Einsatz in Osteuropa und den baltische Staaten gelagert. Die Lager dienen dazu, neue Truppen schnell auszurüsten, ohne bei jedem Truppenwechsel auch das schwere Gerät aus den USA heranschaffen zu müssen, schreibt die Army. Schon bald sollen die ersten grünen Panzer nach Osteuropa verlegt werden.

Der Stützpunkt, aus dem die Army 2011 abgezogen war, sollte eigentlich Deutschland wieder übergeben werden, doch der Ukraine-Konflikt kam dazwischen. Erst einmal ist die Nutzung des Stützpunkts um ein Jahr verlängert worden. Jetzt inspiziert Hodges mit anderen Kommandeuren die wichtigsten logistischen Stützpunkte in Deutschland, u.a. auch Grafenwöhr in Bayern. Ziel ist nicht nur weitere militärische Präsenz in Europa, sondern auch, die Truppen wieder für große Truppenbewegungen mit schwerem Gerät auszubilden, was während des Antiterrorkriegs im Irak und in Afghanistan verlorengegangen sei. Man richtet sich also wieder auf einen konventionellen Krieg ein, während man lange Zeit eher auf asymmetrische Kriege ausgerichtet war.