Das reichste Prozent in Deutschland besitzt ein Drittel des Gesamtvermögens

Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist die Ungleichheit in Deutschland deutlich höher als bislang angenommen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die wirklichen Reichen oder Superreichen, wie sie auch genannt werden, lassen sich hierzulande nicht in die Karten schauen. Daher ist es ein Geheimnis geblieben, wie hoch die Vermögenskonzentration in Deutschland wirklich ist, auch wenn klar ist, dass die Ungleichheit hierzulande wie in anderen Ländern ungebremst steigt.

Schon Anfang des Jahres hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie moniert, dass wegen der 1997 abgeschafften Vermögenssteuer das Vermögen der Reichen nur geschätzt werden könne, was dazu führe, dass das "wahre Ausmaß an Vermögensungleichheit unterschätzt" werde. Dazu trägt eben bei, dass Daten über Vermögen, bei denen die Konzentration viel höher als bei den Einkommen ist, fehlen oder mangelhaft sind.

Nach der damaligen Schätzung des DIW besitzt das reichste Prozent der Deutschen ein Drittel des privaten Gesamtvermögens, die reichsten 10 Prozent haben einen Anteil von 63-74 Prozent, die reichsten 0,1 Prozent der Haushalte einen Anteil von 14 bis 16 Prozent am gesamten Vermögen - dreimal so viel, wie die ärmeren 50 Prozent der Bevölkerung (Armut wächst in Deutschland weiter ungebremst an). Nach den Daten des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) hätte der Anteil der reichsten 10 Prozent "nur" 60 Porzent betragen.

Jetzt haben Stefan Bach, Andreas Thiemann und Aline Zucco in einer erneuten Studie "The Top Tail of the Wealth Distribution in Germany, France, Spain, and Greece versucht, die Schätzung für die Reichtumsverteilung an der Spitze in Deutschland, Frankreich, Griechenland und Spanien genauer zu machen. Da bei Befragungen die wenigen Superreichen unter den Tisch fallen, wurden neben dem Household Finance and Consumption Survey (HFCS) der EZB für die Eurozone auch Reichenlisten wie die von Forbes, vor allem aber nationale Reichenlisten zugrundegelegt. Klar sei bislang nur, dass in Deutschland die Ungleichheit in der Eurozone mit am höchsten ist. Berücksichtigt wurden Daten zwischen 2008 und 2011, es dürften sich also neue Verschiebungen ergeben haben. Beispielsweise wird, so die Autoren, aufgrund der Rezession der Wert der Immobilien in Spanien und Griechenland gesunken, in Deutschland aber gestiegen sein. Niedrige Zinsen begünstigen eher Unternehmen, Aktien und Immobilien, während Bankeinlagen oder Altersvorsorge schlechter abschneiden. Es trifft also die Ärmeren. Vermutlich habe in Deutschland und in Frankreich die Konzentration des Reichtums, also die Ungleichheit, noch weiter zugenommen.

Beim HFCS fällt auch schon einmal auf, dass in Deutschland die Bereitschaft sehr gering ist, übre die eigenen Finanzen Auskunft zu geben. Gerade einmal 19 Prozent der Angefragten waren dazu bereit. In Frankreich waren es 69 Prozent, in Italien 52 Prozent und in Griechenland 47 Prozent. Auch unterschiedliche Zeiten der Befragung und andere Differenzen erschweren die Vergleichbarkeit. Die von Medien erstellten Reichenlisten wie die von Forbes, von Challenge, Greek Rich List, El Mundo oder vom manager magazin sind allerdings auch nicht viel zuverlässiger, sie würden auch das Vermögen der Superreichen noch unterschätzen, da meist stärker das Betriebs- als das Privatvermögen berücksichtigt werde. Immerhin haben noch Frankreich und Spanien eine Reichensteuer.

Nach den Daten des Household Finance and Consumption Survey hätte das reichste Prozent in Deutschland am geschätzten Gesamtreichtum von 7,7 Billionen Euro einen Anteil von 23,9 Prozent. Wenn man nach den Berechnungen die Superreichen einbezieht, dann käme man nach dem DIW auf 32,7 Prozent des Gesamtvermögens, das nun bei 8,7 Billionen Euro liegen würde. Das reichste Prozent der Gesamtbevölkerung würde als bereits ein Drittel des Gesamtvermögens besitzen. Und das reichste Promille, das sind um die 40.000 Haushalte, hätte einen Anteil von 17,3 Prozent, bei HFCS wären es nur 3,9 Prozent. Das macht deutlich, dass die Vermögenskonzentration bislang viel zu gering eingeschätzt wurde. Das ist auch deswegen brisant, weil 50 Prozent der deutschen Bevölkerung gerade einmal einen verschwindend kleinen Anteil von 2,9 Prozent bzw. nach der korrigierten Berechnung von 2,5 Prozent besitzen. Damit steigt der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit misst, von 0.7461 auf 0.7751, womit sich Deutschland etwa Brasilien oder den USA nähern würde.

In der Petition "1 % vom 1 %" wird eine "Reichenbesteuerung" für Flüchtlingshilfe vom reichsten Prozent in Deutschland gefordert:

"Unsere Gesellschaft steht heute vor einer gefährlichen sozialen Spaltung und Radikalisierung, wenn die Kosten der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge den Schwachen und mittleren Einkommensgruppen aufgelastet werden, die in den vergangenen Jahren sozialen Abstieg erleben mussten, während das Vermögen des reichsten 1 % stetig zunahm. Rund 10 Milliarden Euro müssen laut Medienangaben allein in diesem Jahr für Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen aufgebracht werden. ...

Wenn das eine Prozent der vermögendsten Deutschen angesichts der dramatischen Flüchtlingssituation weiterhin von seiner besonderen Verantwortung für die Gesellschaft freigesprochen wird, muss sich die Bundesregierung eines Tages den historischen Vorwurf gefallen lassen, aus Rücksicht auf das Vermögen der Reichsten der Reichen, Wegbereiter eines erstarkten Rechtsextremismus, womöglich gar eines von Teilen der Bevölkerung getragenen Rechtsterrorismus gewesen zu sein, von dem man schon heute - angesichts brennender Flüchtlingsunterkünfte - sprechen muss. "

In Spanien und Griechenland ist die Ungleichheit deutlich geringer

In Frankreich und Spanien würde die Einbeziehung der Reichenliste nicht so viel ändern, der Anteil der Superreichen steigt geringer. Für das reichste Promille in Frankreich von 6,9 auf 10,2 Prozent, für das reichste Prozent von 17,8 auf 21 Prozent, die unteren 50 Prozent hätten mit 5,5 Prozent einen zwar ebenfalls kleinen, gegenüber Deutschland aber mehr als doppelt so großen Anteil am Gesamtvermögen. Entsprechend liegt der Gini-Koeffizient mit 0.6857 einiges niedriger.

In Spanien haben die ärmeren 50 Prozent immerhin schon einen Anteil von 12,8 Prozent, das reichste Prozent von 16,7 und das reichste Promille von 8 Prozent. Daher ist die Ungleichheit hier deutlich geringer (Gini-Koeffizient = 0.5818). Zumindest nach den verfügbaren Zahlen wäre die Ungleichheit in Griechenland am geringsten. Das reichste Promille hätte einen Anteil von 4,7 Prozent am Gesamtvermögen, die ärmeren 50 Prozent von 12,1 Prozent, der Gini-Koeffizient betrüge 0.5726. Weil die Zahl der Superreichen in Griechenland kleiner ist als in den übrigen Ländern seien die Zahlen aber weniger zuverlässig, sagen die Autoren der Studie. Zu vermuten ist, dass die Ungleichheit hier auch deswegen geringer ist, weil der Besitz von Immobilien in Spanien und Griechenland weiter verbreitet als in Deutschland ist.