Ostdeutschland erwache

Jedes Mal wenn ich über Flüchtlinge rede, endet die Diskussion beim Thema Aufstand

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Warnung: Der folgende Text ist extrem polemisch. Diese Form wurde gewählt, um beim Leser affektive Reaktionen auszulösen. Diese Affekte sollen dem Leser helfen, bestimmte Gefühlswelten von Menschen aus Ostdeutschland, die vor allem in Plattenbauten leben, zu verstehen. Da empathisches Verstehen nun mal eine affektive Komponente beinhaltet, seien Sie sich bitte darüber im Klaren, dass Sie durch die nun folgenden Worte wahrscheinlich starke emotionale Reaktionen erleben werden. Das ist auch in Ordnung, wenn Sie diese Affekte reflektieren und diese Erkenntnisse für eine konstruktive Diskussion nutzen. Alle anderen können bitte mit der Dschungelkampftruppe "Rommel" oder der Jungfrauenbeschützerorganisation "Fidel Castro" diskutieren. Sorry, als Gutmensch bin ich der Meinung nun mal der Meinung, dass Linksradikale einen kognitiv anspruchsvolleren Beef benötigen.

Ich hatte in einem Leserkommentar (Ich bin Pack) geschrieben, dass ich als PRO-Flüchtlingsvertreter resigniert habe, mit ostdeutschen Asylkritikern über dieses Thema zu reden. Der Kommentar war sehr kurz gehalten und konnte die emotionale Komponente des Themas nur unzureichend darstellen. Die ausführliche Diskussion nach dem Artikel hat mich nun bewogen, das Thema noch polemischer und diesmal hoffentlich verständlicher darzustellen.

Ein entscheidender Punkt, warum ich aufgehört habe über das Thema Flüchtlinge zu reden, war eine Ansammlung von Gegenargumenten, die mir irrational erscheinen. Wenn ich allerdings meine Empathie verwende, nehme ich eine gefährliche Gefühlswelt wahr. Diese Gefühlswelt versuche ich nun erstmal zu beschreiben, damit vor allem Leser aus den alten Bundesländern diese etwas besser verstehen können.

Im Folgenden werde ich nun Gegenargumente von Asylkritikern in einer polemischen Form darstellen. Diese Gegenargumente sind so verfasst, dass sie die emotionale Befindlichkeit meiner Gesprächspartner wiedergeben. Denken Sie bitte daran, dass dies nicht meine Meinungen sind, sondern Versuche, eine bestimmte Geisteshaltung wiederzugeben und nachvollziehbar zu machen. Die Gegenargumente sind im Folgenden in Anführungsstrichen gesetzt, um die Lesbarkeit zu erleichtern.

Hör mir auf …

"Hör mir auf mit fremden Religionen. Hat jemand den Flüchtlingen eigentlich klar gemacht, dass Ostdeutschland das Saudi-Arabien des Atheismus ist. Wir sind fanatische Atheisten. Eine überwältigende Mehrheit hält organisierte Religion für Volksverblödung, die wir hier nicht haben wollen. Egal welche Religion, alle gleich scheiße. Ohne Ausnahme, auch ihr Buddhisten seid damit gemeint. Hier wird keiner wegen seiner Religion getötet, dazu ist uns der persönliche Glaube zu egal. Aber wir wollen im öffentlichen Raum keine Religion. Keine Kirchen, keine Moscheen und keine Shaolinmöche. Hat jemand den Flüchtlingen eigentlich erklärt, dass wir versuchen werden, sobald sie gut genug Deutsch können, sie vom Fluch der Religion zu befreien? Organisierte Religion ist in unseren Augen eine ansteckende Krankheit, die man bekämpfen muss. Hat jemand die Flüchtlinge darauf vorbereitet?"

Das ist eine polemische Darstellung, völlig übertrieben, dient aber ihrem Zweck. Ich teile diese Meinung sogar teilweise, wenn auch nicht in dieser Schärfe. Organisierte Religion ist massiv kritisch zu hinterfragen, aufgrund des ihr eigenen enormen Manipulationspotenzials. Die irrationale Religionsangst vieler meiner Mitmenschen und daher die Ablehnung von Flüchtlingen teile ich aber nicht.

"Hör mir auf mit Willkommenskultur. Selbst der kleinste Pragmatismus ist nicht möglich. Hat jemand Flüchtlingen aus unterentwickelten Ländern vielleicht mal an die Hand genommen und ihnen erklärt, wie wir in unseren Plattenbauten leben? Ist nicht schwer, dauert nicht lange und wir helfen gerne. Respektiert bitte aber unsere kulturellen Besonderheiten und passt euch an. Ein Zusammenleben in diesen unglaublich hellhörigen Plattenbauten ist nur möglich, wenn ein paar Dinge beachtet werden. Jeder ostdeutsche Plattenbaubewohner schleicht auf leisen Sohlen durchs Treppenhaus. Weil sonst bis zu 160 Menschen auf einen Fleck genervt sind. Wir sind Ninjas im Treppenhaus. Sagt bitte euren Kindern, dass sie nicht Treppenhaus. sondern draußen spielen sollen. Unsere Kinder werden mit euren Kindern spielen und ihnen bei der Integration helfen. Aber wundert euch nicht, wenn unsere Kinder euren Kindern die Religion austreiben werden. Wir sind nun mal eine komisches indigenes Volk mit seltsamen Sitten und Gebräuchen, respektiert sie bitte."

Das Beharren auf einer kulturellen Identität ist nachvollziehbar, aber den Kult um die ostdeutsche Gemütlichkeit und diese aggressive Verteidigung war für mich schwer rational nachvollziehbar. Doch der nächste Punkt bringt mehr Klarheit.

"Hör mir auf mit reichem Deutschland. Hat den Flüchtlingen eigentlich jemand mal erklärt, wo sie hinkommen? Das hier ist Dunkeldeutschland. Wir sind die kolonialisierten Deppen einer westdeutschen Besatzungsmacht. Die Spitzenposten in Verwaltung, Justiz und Politik sind überproportional mit Westdeutschen besetzt und das Volk ist arm und ohne Chance. Und komm mir nicht damit, dass die Spitze des Landes Ostdeutsche sind. Die beiden sind im besten Fall die Marionetten und im schlechtesten Fall Theaterkasper der Eliten. Wir sind die verkackten Indianer, die gegen die Cowboys aus dem Westen kämpfen. Wir haben kein Bock auf Reservate."

Die Empfindung kolonialisiert wurden zu sein, ist für mich verständlich. Doch es geht in meinen Augen viel tiefer, daher habe ich den Indianervergleich in der Polemik gebracht. Irrational ist für mich dieses Beharren auf einer "Stammesidentität" und dieses Gefühl sich gegen eine Antiindianerpolitik zu wehren, unabhängig um welches politisches Thema es sich handelt.

"Hör mir auf mit Scheiß-System. Wir haben da einen Witz für: Stell dir vor Heidenau vs. Flüchtlinge wäre ein Fußballspiel. Wie ist der Halbzeitstand? 2:0 für die Eliten. Hier wissen mehr als genug, dass das Thema benutzt wird, um Klassenkampf zu betreiben. Hat man uns in der DDR lang genug erklärt, wir wissen wie der Hase läuft. Nur leider haben sich westdeutsche Gutmenschen jahrzehntelang in Genderquark und anderen lebensfernen Blödsinn verrannt.

Wir können auf eure Ernst-Thälmann-Phantasie verzichten. Ihr habt uns lang genug allein gelassen. Wo wart ihr bei Hartz IV, bei der Treuhand oder wenn die Ossis mit den Deutschrussen in Afghanistan gekämpft haben. Wo war der Aufschrei über reale Lohnungerechtigkeiten? Nein, liebe Gutmenschen aus Westdeutschland, die Zeit der Reden ist vorbei. Ihr habt uns lang genug enttäuscht, jetzt machen wir wieder unser eigenes Ding. Aufstand ja, aber ohne euch."