Der neue Deal: Flüchtlinge gegen Bomben

Nach Frankreich und Großbritannien steigt nun auch Australien in die US-Koalition zur Bombardierung des IS in Syrien ein - und nimmt dafür 12.000 Flüchtlinge auf

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Der neue Deal scheint so zu sein: Staaten beteiligen sich an den Luftangriffen der von den USA geführten Koalition in Syrien, dafür nehmen sie ein paar Flüchtlinge auf. Ein symbolischer Handel, der ziemlich zynisch ist, zumal der Luftkrieg in Syrien wegen Russland und China nicht vom UN-Sicherheitsrat legitimiert wurde und eigentlich eine Verletzung des Völkerrechts darstellt. Zudem wird mit den Luftangriffen auf IS-Stellungen, die vom Assad-Regime geduldet werden, eben dieses gestärkt, das mit ebenso brutaler Gewalt wie der IS gegen die Gegner und die Bevölkerung vorgeht.

Frankreich und Großbritannien haben sich schon als großzügig dargestellt und erklärt, sie werden ein paar Tausend Flüchtlinge aufnehmen. Frankreich will über 2 Jahre 24.000 aufnehmen, also so viel wie an einem Wochenende nach München gekommen sind - und beteiligt sich dafür am Luftkrieg, im Irak ist man schon dabei. Bürgermeister des Front National lehnen es schon mal ab, in ihren Städten Flüchtlinge aufzunehmen. Ebenso wie Großbritannien war Frankreich auch in Libyen mit an der Front, wo die militärische Intervention einen failed state und eine weitere Hochburg des IS geschaffen hat. Großbritannien will 20.000 Flüchtlinge über eine Zeitspanne von 5 Jahren aufnehmen, dafür wurden gezielte Tötungen mit Kampfdrohnen von britischen Bürgern in Syrien aufgenommen und will sich die britische Regierung ebenfalls am Luftkrieg in Syrien beteiligen. Der geschieht bislang ohne wirkliches Konzept und kann, abgesehen von kurdischen Erfolgen, die nun von Nato-Partner Türkei womöglich zunichte gemacht werden, wenig Positives vorweisen. Auch im faktisch zerfallenen Irak scheinen die von schiitischen Milizen und der US-geführten Koalition unterstützten Streitkräfte keine Fortschritte mehr zu erzielen.

Nun also kommt auch noch Australien mit demselben Deal ins Spiel, wie Regierungschef Abbott verkündete. Vermutlich will die US-Regierung - das Konzept der "Koalition der Willigen" ist bekannt - aufgrund der heiklen Rechtslage, zur eigenen Entlastung, aber sicherlich auch, um Druck auf Russland aufzubauen, die Koalition möglichst groß machen. Die konservative australische Regierung hatte sich bislang vor allem durch Härte gegenüber Flüchtlingen ausgezeichnet. Sie wurden abgewiesen und weit entfernt in Camps auf den weit gelegenen Inseln Nauru und Manus kaserniert. Jährlich wird eine Quote von 13.500 Asylbewerbern aufgenommen, Flüchtlingsboote aber zurückgewiesen und auch abgeschleppt.

I've worked closely with senior Ministers and officials here to develop a response that best reflects Australia's proud history as a country with a generous heart.

Regierungschef Abbott

Jetzt also wird die Beteiligung des Einwanderungslands Australien am Krieg in Syrien dem Volk mit der wenig großzügigen zusätzlichen Aufnahme von 12.000 Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak erkauft. Immerhin hat die Regierung damit die Forderung der Labour-Partei noch um 2000 überboten, aber die Hilfe für Flüchtlinge vor Ort von 100 auf 44 Millionen US-Dollar gekürzt, die aber schon aus einem bestehenden Topf kommen. Das musste innenpolitisch sein. Für Regierungschef Tony Abbott heißt das: "Wir müssen mit unseren Köpfen ebenso wie mit unseren Herzen handeln." Der Kopf steht offenbar für Krieg, das Herz für die symbolische Aufnahme. Wenig verwunderlich gibt es weitere Einschränkungen. Nach Abbott will man vor allem Flüchtlinge von verfolgten Minderheiten - also möglichst keine Muslime - aufnehmen, die in Jordanien, dem Libanon oder der Türkei Zuflucht gefunden haben - und vor allem Kinder, Frauen und Familien. Zudem soll für die Unterstützung von 240.000 Flüchtlingen in diesen Ländern - insgesamt sind es über 4 Millionen - 31 Millionen US-Dollar aufgewendet werden.

Die Flüchtlinge, die bis Mitte 2016 aufgenommen werden sollen, müssen strenge gesundheitliche Checks und Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen und sich zu australischen Werten bekennen (ob die mangelnde Großzügigkeit auch dazu gehört?). Abbott stellte freilich die Verpflichtung als eine der größten weltweit dar, ohne rot zu werden. Ausgerechnet wurde, dass die Aufnahme der Flüchtlinge, die eine permanente Aufenthaltserlaubnis erhalten soll, 700 Millionen US-Dollar über vier Jahre kosten wird. Man rechnet aber damit, dass viele Flüchtlinge gut ausgebildet sind und daher dem Staat nicht so lange belasten werden.

Abbott machte auch klar, dass die Angriffe ausschließlich gegen den Islamischen Staat, bezeichnet als "Todeskult", gerichtet sind, nicht aber gegen das Assad-Regime, "obgleich dieses auch böse ist". Begründet wird dies nicht weiter.

Von Florian Rötzer gerade zum Thema Stadt erschienen: Smart Cities im Cyberwar.

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