Griechenland: Wahlkampf paradox

Die Parteichefs in der Fernsehdebatte. Bild: W. Aswestopoulos

SYRIZA-Parlamentskandidat empfiehlt: "Wählt die Kommunisten"; Unabhängige Griechen könnten an der Sperrklausel scheitern

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Zwar hat Alexis Tsipras bei seinen politischen Positionswechseln hin zum Realpolitiker eine kleine Pause eingelegt, das aber kann den Gegenwind von Links nicht bremsen.

Tsipras referierte am Sonntag anlässlich der Internationalen Messe zu Thessaloniki über die Neuverhandlung und die Alternativen zum gerade unterzeichneten Kreditvertrag. Wider besseren Wissens möchte er die Wähler glauben lassen, dass die beschlossenen, in ihrer Wirkung sozial einschneidenden und rezessiven Maßnahmen doch noch mit alternativen Finanzierungsquellen abgeschwächt werden können. Andererseits betonte er, es gäbe keine Alternative zum Sparmemorandum als solches. Wirklich schlau werden die Wähler daraus nicht.

Die erste Debatte aller Parteichefs im TV

Alexis Tsipras (SYRIZA), Vangelis Meimarakis (Nea Dimokratia), Panagiotis Lafazanis (Popular Unity), Stavros Theodorakis (To Potami), Dimitris Koutsoubas (Kommunistische Partei Griechenlands), Panos Kammenos (Unabhängige Griechen) und Fofi Genimata (PASOK) stellten sich am Mittwochabend den Fragen von ausgesuchten Journalisten. Das ganze wurde als Debatte aller Parteichefs angekündigt, fand jedoch ohne die Goldene Morgenröte oder die ebenfalls den Umfragen zufolge ins Parlament strebenden Union der Zentristen statt. Eine richtige Debatte der Parteichefs untereinander war es auch nicht. Die Fragen gingen von den ausgesuchten Journalisten an jeden Parteichef einzeln.

Gemäß der jüngsten, vom Meinungsforschungsinstitut Pulse im Auftrag des Senders Action24 durchgeführten Umfrage kämen die Parteien in der jetzigen Momentaufnahme auf folgende Prozentzahlen. Die Reihenfolge entspricht der Rangfolge bei den letzten Parlamentswahlen, die Sperrklausel liegt bei 3 Prozent:

  • SYRIZA: 28 %
  • Nea Dimokratia: 27,5 %
  • Goldene Morgenröte: 7 %
  • To Potami: 5,5 %
  • KKE: 6 %
  • Unabhängige Griechen: 2 %
  • PASOK-DIMAR: 6,5 %
  • Union der Zentristen: 3,5 %
  • ANTARSYA: 1 %
  • Popular Unity: 3,5 %
  • Andere: 1 %
  • Keine Antwort: 8,5 %

Durch die Bonussitzregelung, welche der jeweils stärksten Partei 50 Extrasitze unter den 300 zu verteilenden Mandaten verspricht, kann die absolute Parlamentsmehrheit bereits mit 35,6 Prozent der Stimmen errungen werden. Dann nämlich, wenn die nicht ins Parlament gelangenden Parteien 12 Prozent auf sich vereinigen können. Bleiben nur 4 Prozent außen vor, dann muss die stärkste Partei 38 Prozent der Wähler auf sich vereinigen, um 151 Sitze zu bekommen. Dieses Paradoxon des griechischen Wahlrechts ist ein Relikt aus der Zeit, als sich PASOK und Nea Dimokratia mit Werten um die 40 Prozent in der Regierung abwechselten. Seinerzeit gab es maximal fünf Parteien im Parlament.

Was die Umfrage zudem etwas fragwürdig macht, ist die Tatsache, dass Wähler der Goldenen Morgenröte erfahrungsgemäß bei Umfragen systematisch ihre Präferenz verschweigen. Entweder, sie geben an, dass sie zum Beispiel für die Nea Dimokratia votieren würden, oder aber sie erklären sich zu Unentschlossenen. Beides führt dazu, dass sowohl die Werte der Goldenen Morgenröte zu niedrig, als auch die der Nea Dimokratia und der Unentschlossenen zu hoch sind. Diese bei den beiden Wahlen 2012, den Europawahlen 2014 und den Parlamentswahlen im Januar 2015, beobachtete Besonderheit wird in den Umfragen nie richtig erfasst.

Demgegenüber ist die Abspaltung von SYRIZA, die sich um Panagiotis Lafazanis bildende Popular Unity, als Partei noch zu frisch, um in Umfragen statistisch richtig eingeordnet zu werden. Vieles hängt davon ab, wie sehr die Ikone der Linken, Manolis Glezos, am Mittwoch gesetzt auf Nummer 1 der Landesliste, die Wähler mobilisieren kann.